11.07.2015 Aufrufe

Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Der Videostream und seine urheberstrafrechtliche BewertungVon Wiss. Mitarbeiter Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu, ErlangenI. Das Urheberrecht im Wandel der ZeitKein anderes Rechtsgebiet wird vom technischen Fortschrittso beeinflusst und fordert deswegen auch derart kontinuierlichgesetzgeberische Reaktionen heraus wie das Urheberrecht.Das digitalisierte Fernsehen von heute hat fast nichtsmehr mit der Medienlandschaft der Neunziger Jahre gemein 1und zeichnet sich v.a. durch erhöhte Flexibilität aus. 2 Diesäußert sich zum einen in der abnehmenden „Verkörperlichung“der Werke: Der Umlauf urheberrechtlich relevanter <strong>Inhalt</strong>eerfolgt über die „nackte Datei“ und „klebt“ nicht mehr zwingendan einem bestimmten Träger (sodass auch nicht mehrdas Medium – die Kassette, die CD, die DVD – als Einheitvervielfältigt werden muss, wenn eine Kopie erwünscht ist). 3Flexibler ist zum anderen auch der „Filmgenuss“ selbst geworden,da nun die Möglichkeit besteht, Filme, Dokumentationenund Kinderprogramme auf Abruf ansehen zu können.Außerdem ist die Sendung (urheberrechtlich geschützterWerke) dank der fortschreitenden Entwicklung des Internetangebotsund kabelloser Netzwerke nicht mehr an dasMedium „Fernseher“ gebunden; vielmehr kann auch vomheimischen PC, Laptop, Tablet-PC oder Smartphone jederzeitund überall auf die gewünschte Sendung zugegriffen werden.4 Inzwischen muss man nicht einmal mehr im „Besitz“einer nackten Datei sein, 5 vielmehr kann die Sendung wie imFernsehen direkt angesehen werden. Die hierbei verwendeteTechnik, welche u.a. auch bei YouTube, Clipfish und MyVideozur Anwendung kommt, ist das sog. „Streaming-Verfahren“.Die mit dieser Technik einhergehende Flexibilität vereinfachtaber auch die Verletzung fremder Urheberrechte. Uservon Videoportalen können ohne besondere Hürden Musiktitel,Filme und sonstige Werke anderer schlicht hochladen undsomit einem millionenfachen Publikum zugänglich machen.Während die Urheberrechtswidrigkeit derartiger Verbreitun-1 Als Stichwörter seien genannt: „Betamax vs. VHS“; die Ablösungder Musikkassette durch die Compact-Disc; Bezahlfernsehenmit einem einzigen Sender (sodass auch die Frage,welches Bundesligaspiel am Samstag übertragen wird, vonder „Wichtigkeitseinschätzung“ der Regie abhing; eine Vorstellung,die in Zeiten der Konferenzschaltung dem einen oderanderen FC Nürnberg-, Eintracht Frankfurt- oder SC Freiburg-Faneinen kalten Schauer über den Rücken laufen lässt).2 Zu diesen Überlegungen auch Neurauter, GRUR 2011, 691.3 Vgl. Gruhl, in: Müller-Gugenberger/Bieneck (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht,5. Aufl. 2011, § 55 Rn. 105.4 Zur DSL-Verbindung als viertem, neuen „Rundfunkübertragungswegvgl. Neurauter, GRUR 2011, 691, der in diesemZusammenhang auch auf den neuen „Trend zur Selbstverwertung“und der Abnabelung größerer Fernsehgesellschaftenwie RTL von GEMA und Co. hinweist.5 Zu dieser Erkenntnis vgl. auch Borghi, International Reviewof Intellectual Property and Competition Law 2011, 316 (346).gen und auch deren Strafbarkeit wohl außer Frage steht, 6wird derzeit nach wie vor darüber diskutiert, ob auch die „Zuschauer“urheberrechtswidrig handeln bzw. sich sogar strafbarmachen, wenn sie mittels der Streaming-Technik auf offensichtlichrechtswidrige Quellen zugreifen, also „urheberrechtswidrigfernsehen“. Dass auch dieser Personenkreis (dieNutzer) ins Visier der Ermittler gerückt ist, überrascht inZeiten der Instrumentalisierung des Strafverfahrens für zivilrechtlicheSchadensersatzansprüche nicht: 7 Wenn nach geltendemRecht der „Download zum Eigengenuss“, 8 sprichauch derjenige erfasst wird, der sich eine Filmdatei herunterlädt,anschaut und wieder löscht, liegt es zumindest auf denersten Blick nahe, auch denjenigen haften zu lassen, der sichdie Datei direkt ansieht, ohne sie abzuspeichern.Dass man diese Rechtsfrage häufig am Phänomen „kino.to“9 aufhängt bzw. mit diesem in Verbindung bringt, magv.a. dem Umstand geschuldet sein, dass die Popularität derartigerSeiten einerseits, die Etablierung der Streaming-Technikandererseits zeitlich ungefähr zusammenfielen; 10 die auf kino.toerfolgte Verbreitung illegaler Filmkopien in einer noch6 Stieper, MMR 2012, 12; Busch, GRUR 2011, 496; Dreier,in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, Kommentar, 3. Aufl.2008, § 19a UrhG Rn. 10. Fraglich kann allerdings sein,inwiefern die Betreiber für Fremdinhalte haften, indem sieFramelinks setzen bzw. diese dulden, vgl. hierzu Ullrich,ZUM 2010, 853.7 Monographisch Schäfer, Die Bedeutung des Urheberstrafverfahrensrechtsbei der Bekämpfung der Internetpiraterie,Instrumentalisierung des Strafverfahrens zur Durchsetzungurheberzivilrechtlicher Interessen, 2010, passim.8 Dieses aus dem Betäubungsmittelrecht übernommene Bildsei an dieser Stelle sogleich abgerundet (auch wenn damit dasErgebnis in gewissem Grade vorweggenommen wird): auchdort ist schließlich der Konsumakt als solcher straflos, währendder Erwerb der Drogen zum Eigenkonsum gem. § 29Abs. 1 BtMG strafbar ist. Begründet wird dies damit, dassbeim Erwerb immer noch die abstrakte Gefahr der Weitergabebesteht (wie beim Vervielfältigen einer mpeg4-Datei aufdem Memory-Stick oder dem Brennen einer DVD ebenauch), während beim Konsumakt als solches keine fremde –schützenswerte – Rechtsgutsbeeinträchtigung mehr in Betrachtkommt. Schließlich soll auch das Vervielfältigungsrecht nach§ 16 UrhG als Vorfeldrecht nicht den „illegalen“ Genuss desRezipienten verhindern, sondern einer weiteren Verbreitunggegen den Willen des Urheberrechtsinhabers entgegenwirken;zum Vervielfältigen als Gefährdungsdelikt vgl. Gruhl(Fn. 3), § 55 Rn. 104; Loewenheim, in: Schricker/Loewenheim(Hrsg.), Urheberrecht, Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 16 UrhGRn. 11, 13; Dustmann, in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht,Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 16 UrhG Rn. 3.9 Die Top Level Domain „to“ steht für das PazifikarchipelTonga, vgl. hierzu Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677 (682).10 Freilich soll damit nicht suggeriert werden, dass es dieStreaming-Technik nicht bereits vorher gab._____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com431

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!