Strafbarkeit von Glücksspielen, Sportwetten und Hausverlosungen via Internet_____________________________________________________________________________________lesschwert des § 287 StGB schwerlich ein solches Angebotfür Kunden aus Deutschland öffnen wird.VIII. Auswirkungen des Europarechts auf die StrafrechtsprechungZu guter Letzt möchte ich noch einen Blick auf die strafrechtlichenReaktionen in Deutschland werfen, die nämlich – auchwegen der europarechtlichen Fragwürdigkeit der Abschottungdes deutschen Glücksspielmarktes – höchst unterschiedlichausfallen. Während einige Strafgerichte zumindest wegender Zweifelhaftigkeit der Vereinbarkeit der deutschenStrafrechtsregelung mit Europarecht den Angeklagten einen(häufig unvermeidbaren) Verbotsirrtum i.S.v. § 17 S. 1 StGBzubilligen wollen 30 und deshalb freisprechen, bejahen anderedie Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens schlicht deswegen,weil es eben an einer staatlichen Konzession fehlt, ohneRücksicht darauf, dass im Lichte des Europarechts die Nichterteilungder Konzession möglicherweise rechtswidrig ist. 31M.E. mag man zwar die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltensder privaten Wettanbieter in Deutschland bejahen, muss dannaber im Lichte der durch das in seiner konkreten Ausgestaltungeuroparechtswidrige Monopol verletzten Dienstleistungsfreiheiteine Rechtfertigung kraft Europarechts annehmen. 3230 Vgl. KG, Urt. v. 2.2.2012 – (4) 1 Ss 552/11 (327/11) –juris; Leitsatz: „Die unklare Rechtslage, wie sie im Bereichder Sportwettenvermittlung durch Gesetzgebung, Verwaltungund Rechtsprechung geschaffen worden ist, darf nicht einseitigdem Normadressaten aufgebürdet werden. Bei der Frageder Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums ist dies zu beachten.“Ähnlich schon OLG Hamm JR 2004, 478, und OLGMünchen NJW 2008, 3151.31 In diesem Sinne noch ganz strikt KG NVwZ-RR 2011,647; Leitsatz: „Die Regelungen des Glücksspielstaatsvertragesund des für das Land Berlin dazu ergangenen Ausführungsgesetzessind verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonformund begründen in zulässiger Weise eine Erlaubnispflichtfür die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten. DieErlaubnispflichtigkeit verstößt auch dann nicht gegen dieGrundsätze der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit,wenn die Sportwetten für einen in einem anderen EU-Mitgliedstaatansässigen Veranstalter von Sportwetten vermitteltwerden, der dort über eine Erlaubnis verfügt.“32 Für eine Rechtfertigungslösung auch Walter, in: Laufhütte/Rissing-vanSaan/Tiedemann (Hrsg.), Strafgesetzbuch,Leipziger Kommentar, Bd. 1 (§§ 1-31), 12. Aufl. 2007, Vor§ 13 Rn. 201; ausführlich Kreis, Die verbrechenssystematischeEinordnung der EG-Grundfreiheiten, 2008, passim. –Die h.M. im deutschen Schrifttum präferiert demgegenübereine Neutralisierung nationaler Strafnormen bereits auf derEbene des Tatbestandes (vgl. nur Hecker, Europäisches Strafrecht,3. Aufl., 2010, § 9 Rn. 10 ff.)._____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com401
Arbeitnehmerüberwachung und Compliance unter Berücksichtigung der Cybercrime-Konvention*Von Prof. Dr. Jörg Eisele, KonstanzI. EinführungDie Arbeitnehmerüberwachung und ihre strafrechtlichen Grenzensind erst in jüngerer Zeit in das Blickfeld der Strafrechtswissenschaftgetreten. Anlass hierfür waren einige spektakuläreFälle unzulässiger Überwachung von Beschäftigten durchgroße deutsche Unternehmen, die eine breite gesellschaftlicheund rechtspolitische Diskussion ausgelöst haben. So wurdeetwa bei der Deutschen Bahn AG in den Jahren 2006 und2007 der gesamte E-Mail-Verkehr massiv überwacht undnach bestimmten Schlagworten gefiltert (Logfile-Filterung);der <strong>Inhalt</strong> der E-Mails soll jedoch nicht überprüft wordensein. In einem weiteren Fall wurde eine Massen-Mail derGewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die einenStreikaufruf enthielt, den Beschäftigten nicht zugestellt. DieDeutsche Bahn führte zu ihrer Verteidigung an, dass dieseE-Mail mit einer weiteren internen Massen-Mail zur Überlastungund zum Zusammenbruch des Mailservers geführt habe.Im Zuge des Wiederhochfahrens des Servers sei dann entschiedenworden, die E-Mail zu löschen, weil das Verschickenüber das E-Mail-System der Bahn rechtswidrig gewesensei. Schließlich wurden auch im Zuge eines sog. Screeningsohne konkreten Verdacht verschiedene Daten – wie Anschriften,Telefonnummern und Bankverbindungen – einer großenZahl von Mitarbeitern mit Daten Angehöriger von Lieferantenabgeglichen, um so Korruptionsfällen auf die Spur zukommen. Die Deutsche Bahn hat für die in diesem Zusammenhangbegangenen Ordnungswidrigkeiten einen Bußgeldbescheiddes Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheitv. 16.10.2009 mit einem Bußgeld in Höhevon mehr als 1,1 Millionen Euro akzeptiert. 1 Im Folgendenmöchte ich exemplarisch untersuchen, ob in Fällen der Arbeitnehmerüberwachungneben Ordnungswidrigkeiten wegenVerstößen gegen das Bundesdatenschutzgesetz auch „klassischeStraftatbestände“ zur Anwendung gelangen können.II. Ausgangspunkt: Datenschutz und ComplianceDie Arbeitnehmerüberwachung betrifft den in jüngerer Zeitvieldiskutieren Bereich der sog. Compliance. 2 Von diesemBlickwinkel aus greifen Überwachungsmaßnahmen nicht nurin die Rechte des Arbeitnehmers ein, sondern können zugleichschutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers dienen. Sowerden in der Praxis Überwachungsmaßnahmen zur Verhinderungoder Aufdeckung von Straftaten der Arbeitnehmer –wie z.B. Diebstahl, Bestechung, Untreue oder Verrat vonBetriebsgeheimnissen u.s.w. – durchgeführt. Soweit die mitdatenschutzrechtlichen Fragen im Unternehmen befasstenPersonen – insbesondere ein Datenschutzbeauftragter oderCompliance Officer, aber auch Rechtsabteilungen, Innenrevisionen,Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte 3 – untätigbleiben, steht aufgrund neuerer Rechtsprechung desBundesgerichtshofs zumindest eine Strafbarkeit wegen Beihilfedurch Unterlassen zu der von dem Beschäftigten begangenenTat im Raum. 4 Diesbezüglich muss man also sehen,dass die Arbeitnehmerüberwachung dazu dienen kann, Compliance-Anforderungenim Unternehmen umzusetzen. Andererseitsist zu beachten, dass Compliance-Maßnahmen ihrerseitsüberhaupt nur zulässig sind, soweit sie nicht gegen Regelungenverstoßen, die den Arbeitnehmer schützen. 5III. Überwachung des E-Mail-VerkehrsIm Folgenden möchte ich im Wesentlichen auf Fragen derÜberwachung des E-Mail-Verkehrs eingehen. Die Überwachungdes E-Mail-Verkehrs, die technisch problemlos möglichist, erlangt schon deshalb zentrale Bedeutung, weil heutegroße Teile der Kommunikation eines Unternehmens perE-Mail erfolgen. Ausgeklammert bleiben daher im Wesentlichen– im Einklang mit dem Thema unseres Rechtsdialogs –insbesondere die Überwachung des Briefverkehrs, das Abhörendes gesprochenen Wortes sowie unbefugte Bildaufnahmenmithilfe von installierten Kameras.1. Verletzung des Fernmeldegeheimnisses nach § 206 StGBIm Fokus meiner Ausführungen steht zunächst § 206 StGB,der dem Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnisses dient.In den Schutzbereich einbezogen sind nach § 206 Abs. 5 S. 2StGB der <strong>Inhalt</strong> der Telekommunikation sowie ihre näherenUmstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einemTelekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Erfasst istdamit der <strong>Inhalt</strong> jeder Art individueller Nachrichtenübermittlung,also auch per E-Mail oder Internettelefonie; dies giltinsbesondere auch für Verbindungsdaten – wie Rufnummern,* Der folgende Vortrag beruht auf dem Manuskript meinerinzwischen erschienenen Monografie Compliance und Datenschutzstrafrecht,Strafrechtliche Grenzen der Arbeitnehmerüberwachung,2012.1 Vgl. dazu näher Pressemitteilung v. 23.9.2009 des BerlinerBeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit unterhttp://www.datenschutz-berlin.de/attachments/627/PE_DB_AG.pdf?1256283223 sowiehttps://www.datenschutzzentrum.de/presse/20080911-bwlidl-bussgeldverfahren.pdf(Stand: 20.8.2011).2 BT-Drs. 17/4230, S. 1 und S. 12; Forst, DuD 2010, 160(161); Salvenmoser/Hauschka, NJW 2010, 331.3 Wybitul, BB 2009, 2590 (2591).4 BGHSt 54, 44 (Leiter der Innenrevision einer Anstalt desöffentlichen Rechts). Dazu Rotsch, ZJS 2009, 712, und jüngstders., in: Schulz/Reinhart/Sahan (Hrsg.)., Festschrift fürImme Roxin, 2012, S. 485 m.w.N.5 Forst, DuD 2010, 160 (161); Kamp/Körffer, RDV 2010, 72(75); Rübenstahl, NZG 2009, 1341 (1342); unklar Behling,BB 2010, 892 (893 f.). Zu diesem Spannungsverhältnis auchArbG Berlin ZIP 2010, 1191, wonach eine verhaltensbedingteKündigung wegen eines leitenden Mitarbeiters im Bereich„Compliance“ wegen Überwachungsmaßnahmen zur Korruptionsbekämpfungnur in engen Grenzen zulässig ist._____________________________________________________________________________________402<strong>ZIS</strong> 8-9/2012