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Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

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Der Videostream und seine urheberstrafrechtliche Bewertung_____________________________________________________________________________________Übrigen dürfte man auch im Urheberstrafrecht (und das obwohlsich die Vorschriften innerhalb des gleichen Gesetzesbefinden) von einer „asymmetrischen“ Akzessorietät auszugehenhaben. Dies soll heißen: Obwohl die Straftatbeständeauf die Begrifflichkeiten und Handlungen des Urheber-„Deliktsrechts“Bezug nehmen (was im Hinblick auf die Ausgestaltungals Nebenstrafrecht nur eine typische Konsequenzist), so kann die Auslegung der jeweiligen Merkmale durchausdivergieren, nämlich im Hinblick auf die unterschiedlichenSchutzzwecke der Regelungsmaterien, auf das Bestimmtheitsgebotbzw. Analogieverbot und auf den fragmentarischenCharakter des Strafrechts. In zivilrechtlicher Hinsichterfordert ein umfassender Urheberrechtsschutz eineweite bzw. extensive Auslegung der Merkmale einerseits,eine eher zurückhaltende Anwendung von Schranken andererseits.Im Strafrecht dagegen müssen umgekehrt das Werkals Straftatbestandsmerkmal, die Tathandlungen des Vervielfältigensoder des Verbreitens eher eng ausgelegt werden(während man bei der Anwendung von Tatbestandsausschließungsgründenwomöglich großzügiger sein wird). Im Ergebnisbesteht schließlich Einigkeit darüber, dass man den Endverbrauchernicht durch ein extensives Verständnis der§§ 106 ff. UrhG in die Kriminalität drängen will. Schließlichist die Etablierung einer „Schulhofkriminalität“ 48 ebenso wenigerwünscht, wie das Fördern einer „Pechvogelmentalität“,die einem seriösen Normbefehl eher zuwiderlaufen, als dessenBefolgung fördern würde (v.a. im Hinblick auf die verfolgungsstrukturellenProbleme). Freilich ist es dennoch schief,von einer asymmetrischen Akzessorietät zu sprechen, da dieTathandlungen des § 106 UrhG an anderer Stelle des Gesetzesbereits auftauchen und der Gesetzgeber somit einen einheitlichenBegriffskatalog zugrunde gelegt zu haben scheint.Das Phänomen der sog. „Normspaltung“ lässt sich allerdingsnicht vermeiden, wenn das UrhG einerseits einen umfassendenzivilrechtlichen Schutz des Urhebers gewährleisten, 49 andererseitsals Nebenstrafrechtsmaterie nur flankierende Wirkunghaben soll. Strafrecht und Zivilrecht können schlichtnicht pauschal einheitlich definiert werden; die Normspaltungkann dann allerdings nur innerhalb des Zivilrechts erfolgen,d.h.: Grundsätzlich ist das Urheberrecht einheitlich restriktivauszulegen, während im zweiten Schritt Analogien und extensiveAuslegung bei zivilrechtlichen Fragestellungen ohnehinnicht als kritisch zu betrachten sind. Daher kann die meistschon im Urheberprivatrecht strittige Auslegung eines bestimmtenMerkmals (bspw. der offensichtlich rechtswidrigenVorlage) nicht präjudiziell für das Strafrecht sein, vielmehrsteckt das Strafrecht die „Mindestgrenzen“ zivilrechtlicherHaftung ab. Dies ergibt sich schon daraus, dass alle im Haftungstatbestandgenannten Merkmale (insb. auch die Merkmaleder Schrankenregelungen) zugleich Vorsatzbezugspunktedarstellen, da eine fahrlässige Verletzung fremder Verwertungsrechtenicht unter Strafe gestellt ist. Dieser Aspekt derzwei unterschiedlichen Bezugspunkte der urheberrechtlichen48 Vgl. hierzu Köhler/Arndt/Fetzer, Recht des Internet, 6. Aufl.2008, S. 195.49 Vgl. nur Lettl, Urheberrecht, 2008, S. 172.Vorschriften wird i.R.d. folgenden Ausführungen immer wiederkehren.2. Der Stream als urheberrechtliche Vervielfältigung gem. § 16UrhGUnproblematisch handelt es sich bei Film und Musik, die derNutzer abruft, um Werke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG. 50 ImHinblick auf die Nutzer kommt hier nur ein Eingriff in dasVervielfältigungsrecht des Berechtigten gem. § 16 UrhG inBetracht, da im Gegensatz zu Tauschbörsen nicht zeitgleichurheberrechtlich relevante <strong>Inhalt</strong>e hochgeladen werden. ImAllgemeinen wird unter Vervielfältigung jede körperlicheFestlegung eines Werkes verstanden, die geeignet ist, dasWerk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbaroder mittelbar wahrnehmbar zu machen. 51 Hierbei istes unerheblich, ob die Festlegung auf Dauer erfolgt, was sichbereits aus der Existenz des § 44a UrhG ergibt (näher dazuweiter unten), welcher der Umsetzung der EG-Richtlinie2001/29/EG 52 dient. 53 Ebenso wenig kommt es darauf an, aufwelche Art und Weise die Wahrnehmbarmachung ermöglichtwird und ob hierfür ggf. bestimmte Zwischenschritte notwendigsind. 54 Im Zusammenhang mit diesem extensiven Vervielfältigungsbegriffwird häufig darauf hingewiesen bzw.klargestellt, dass die bloße Anzeige als solche (auf dem Bildschirm)noch keine Vervielfältigung darstelle. 55 Allerdingshandelt es sich bei den Zwischenspeicherungen beim ProgressiveDownload oder dem „Caching“ i.R.d. Betrachtens vonYouTube-Videos jedenfalls um Vervielfältigungen i.S.d. § 16UrhG, wenn das Werk am Ende in seiner Gesamtheit zwischengespeichert,also in einer (temporären) Datei zusammengefasstwird. 56Problematischer wird es beim True-Streaming, da dortTeile des Gesamtwerkes schon während der Wiedergabe wiedergelöscht werden und die einzelnen Partikel des Filmsallenfalls Teilvervielfältigungen darstellten, die nur dannurheberrechtlichen Schutz genießen, wenn sie für sich schöpferischen<strong>Inhalt</strong> i.S.d. § 2 Abs. 2 UrhG aufweisen. 57 Fraglichist also beim True-Stream nicht, ob eine Vervielfältigungvorliegt, sondern ob überhaupt ein schützenswertes „Werk“angenommen werden kann. Bei Streaming-Datenpartikeln inder Länge von wenigen Sekunden könnte eine Überschreitungder sog. „Schöpfungshöhe“ gem. § 2 Abs. 2 UrhG niemals50 Zum Werkbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG vgl. Bullinger(Fn. 42), § 2 UrhG Rn. 112 m.w.N.51 Vgl. hierzu Schulze, in: Dreier/Schulze (Fn. 6), § 16 UrhGRn. 6 m.w.N.; aus der Rechtsprechung BGHZ 17, 266 (270).52 Auch als InfoSoc-RL bezeichnet und im Internet abrufbar.53 Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677; Stieper, MMR 2012,12 (13).54 Heerma (Fn. 27), § 16 UrhG Rn. 2 f.55 Heerma (Fn. 27), § 16 UrhG Rn. 13 m.w.N.56 Busch, GRUR 2011, 496 (499); Löwenheim (Fn. 8), § 16UrhG Rn. 21; Schulze (Fn. 51), § 16 UrhG Rn. 13; Stieper,MMR 2012, 12 (14); Heerma (Fn. 27), § 16 UrhG Rn. 16.57 Loewenheim (Fn. 8), § 16 UrhG Rn. 14; Dreyer (Fn. 27),§ 16 UrhG Rn. 15; Dustmann (Fn. 8), § 16 UrhG Rn. 16;BGH GRUR 1953, 299; Schulze (Fn. 51), § 16 UrhG Rn. 9._____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com435

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