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Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

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Joachim Vogel_____________________________________________________________________________________veranlasste Datenerhebung, -speicherung und -verarbeitungbetroffen ist. Es gewährleistet, dass Daten über die Bevölkerungoder bestimmte Bevölkerungsgruppen nur auf gesetzlicherGrundlagen, nur zu Gemeinwohlzwecken und nur nachden Grundsätzen der Datensparsamkeit und Verhältnismäßigkeiterhoben werden dürfen und nach dem Zweckbindungsgrundsatzgrundsätzlich nur für die Zwecke verwendetwerden dürfen, zu denen sie erhoben worden sind. Vor allemder Zweckbindungsgrundsatz setzt schrankenlosem data miningund Datenabgleich durchaus Grenzen. 15 Zudem dürftenbereits die Grundsätze der Datensparsamkeit und Verhältnismäßigkeitverbieten, zu Zwecken der Strafverfolgungsvorsorgedie gesamte Bevölkerung in biometrischen, Fingerabdruck-oder DNA-Registern zu erfassen, ohne dass auf dieMenschenwürde oder andere „große Münzen“ des Verfassungsrechtszurückgegriffen werden müsste. Allgemein gilt,dass die „e-Sphäre“ von Nichtbeschuldigten und Unverdächtigengrundsätzlich nicht in strafprozessuale Ermittlungenund Beweisführungen einbezogen werden dürfen und Vorratsdatenspeicherungengrundsätzlich unterbleiben müssen.Nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie ergeben sichGrenzen für die Erfassung und Verwendung von DatenUnverdächtiger aus der strafprozessualen Unschuldsvermutung.Diese verbietet, jemanden als schuldig zu behandelnund ihn insbesondere einer Strafe oder vergleichbarenRechtsfolge zu unterwerfen, bevor seine Schuld rechtsförmigerwiesen ist (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK). Ermittlungsmaßnahmensetzt die Unschuldsvermutung allenfalls mittelbarGrenzen. Das gilt erst recht für ermittlungsvorbereitendeMaßnahmen wie Erhebung und Verarbeitung personenbezogenerDaten. Die häufig anzutreffende politische Aussage,durch die Vorratsdatenspeicherung werde die Bevölkerungunter einen Generalverdacht gestellt, der der rechtsstaatlichenUnschuldsvermutung zuwiderlaufe, ist daher juristisch kaumzutreffend.Umgekehrt ist das nicht nur an Stammtischen gebrauchtepolitische Argument, die Erhebung, Speicherung und Verarbeitungpersonenbezogener Daten müssten den rechtstreuenBürger nichts angehen, weil, wer nichts Strafbares tue, hiervonnichts zu befürchten habe, und dem, der strafbar gehandelthabe, geschehe es recht, wenn er ermittelt werde, juristischunzutreffend, weil der Schutzbereich des Rechts aufinformationelle Selbstbestimmung auch und gerade desrechtstreuen Bürgers betroffen ist. Eben hiervon hat die neuereRechtsprechung freilich Ausnahmen gemacht, deren künftigeTragweite sich kaum abschätzen lässt:In ihrem Nichtannahmebeschluss 16 hat die 2. Kammer desZweiten Senats des BVerfG die sog. Aktion „Mikado“ fürverfassungsrechtlich unbedenklich erklärt. In dem zugrundeliegendenVerfahren war die Staatsanwaltschaft auf eineInternetseite aufmerksam geworden, die den Zugang zu kinderpornographischen<strong>Inhalt</strong>en vermittelte, wofür 79,99 $ perKreditkarte an eine philippinische Bank gezahlt werden muss-15 Vgl. hierzu auch BVerfG, Beschl. v. 7.12.2011 – 2 BvR2500/09, 2 BvR 1857/10, Rn. 130 ff., insb. 145.16 BVerfG, Beschl. v. 17.2.2009 – 2 BvR 1372/07, 2 BvR1745/07 = NJW 2009, 1405.ten. Die Staatsanwaltschaft schrieb daher die Institute an, dieMastercard- und Visa-Kreditkarten in Deutschland ausgeben,und forderte sie auf, alle Kreditkartenkonten anzugeben, dieeine solche Überweisung aufwiesen. Die Kreditkarteninstituteglichen Millionen Kreditkartenkonten mit den Daten abund ermittelten 322 Karteninhaber, deren Daten an die Staatsanwaltschaftübermittelt wurden und bei denen sich später inder Tat kinderpornographische <strong>Inhalt</strong>e fanden. Die Beschwerdeführerzählten zu den „no hits“, die keine 79,99 $ überwiesenhatten. Nach Auffassung der Kammer wurden sie schonnicht in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmungbetroffen, weil ihre Daten nicht an staatliche Stellen weitergeleitetworden waren. Wenn das so ist, sind Datenabgleichemit von Privaten geführten Dateien unbeschränkt und ohnespezifische gesetzliche Grundlage 17 möglich – ein problematischesErgebnis.Nicht derart weitgehend, aber doch in eine nicht unähnlicheRichtung hat der Erste Senat des BVerfG zur Frage derVorratsdatenspeicherung argumentiert. 18 Zwar liege in dergesetzlichen Anordnung gegenüber Kommunikationsunternehmen,Telekommunikationsverbindungsdaten zu erheben,zu speichern und an staatliche Stellen zu übermitteln, jeweilsein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG. Jedoch unterfalle eineanlasslose Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdatender gesamten Bevölkerung für sechs Monate nicht schonals solche einem strikten verfassungsrechtlichen Verbot. DieDaten würden nur bei Privaten gespeichert und seien alssolche staatlichen Stellen nicht zugänglich, sondern nur, wennunter engen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen einDatenabruf und -abgleich erfolge. Auf Totalerfassung derKommunikationen und Aktivitäten der Bürger sei die Vorratsdatenspeicherungnicht angelegt und <strong>Inhalt</strong>e würden nichtgespeichert.Es zeigt sich, dass es weniger staatliche als private Dateiensind, in Bezug auf die sich die Problematik der Ermittlungauch gegen Unverdächtige durch data mining und Datenabgleichdrängend stellt – man denke nur an die neuere europäischeEntwicklung im Bereich der von Flugreiseunternehmengeführten passenger name records (PNR). 19 Hier bedarf es17 Die Kammer hat noch thematisiert, ob die Anfrage derStaatsanwaltschaft eine ausreichende gesetzliche Grundlagehatte, diese jedoch in der Ermittlungsgeneralklausel nach§ 161 Abs. 1 StPO erblickt, BVerfG, Beschl. v. 17.2.2009 – 2BvR 1372/07, 2 BvR 1745/07, Rn. 20 ff.18 BVerfG, Urt. v. 2.3.20120 – 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08,1 BvR 586/08 = BVerfGE 125, 260.19 Vgl. (für transatlantische Flüge) Abkommen zwischen denVereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Unionüber die Verwendung von Fluggastdatensätzen und derenÜbermittlung an das United States Department of HomelandSecurity = ABl. EU 2012 Nr. L 215, S. 5; weiterhin (fürinnereuropäische Flüge) Europäische Kommission, Vorschlagfür eine Richtlinie des Europäischen Parlaments unddes Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zuZwecken der Verhütung, Aufdeckung, Aufklärung und strafrechtlichenVerfolgung von terroristischen Straftaten und_____________________________________________________________________________________484<strong>ZIS</strong> 8-9/2012

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