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Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

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Felix Rettenmaier/Lisa Palm_____________________________________________________________________________________cherung müsse – als erklärte Ausnahme – mit einem Begründungs-und Ausgestaltungsaufwand verbunden sein, da dieVorratsspeicherung von personenbezogenen Daten zu lediglichunbestimmten oder noch nicht bestimmbaren Zwecken 6verboten sei. Insbesondere sollten die Daten nicht anlasslos,sondern ausschließlich zur Verfolgung schwerer Straftatengenutzt werden können. Im Rahmen der Strafverfolgungmüsse demnach ein durch bestimmte Tatsachen begründeterVerdacht einer schweren Straftat vorliegen. Dabei sei es Aufgabedes Gesetzgebers, abschließend festzulegen, zur Verfolgungwelcher Taten ein Datenabruf möglich sein soll. 7 Darüberhinaus sei in den fraglichen Gesetzen weder dem Datenschutznoch der Datensicherheit ausreichend Rechnunggetragen worden. 8 Der Datenabruf dürfe nur bei einer hinreichendkonkreten Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut erfolgen.9 Eine Übermittlung und Nutzung der gespeicherten Datensei zudem grundsätzlich unter einen Richtervorbehalt zustellen. 10 Weniger strenge Anforderungen stellte das BVerfGan die (mittelbare) Verwendung vorsorglich gespeicherterDaten in Form von behördlichen Auskunftsansprüchen hinsichtlichbereits bekannter IP-Adressen, da hierdurch keinePersönlichkeits- und Bewegungsprofile verwirklicht werdenkönnten. 11Im Ergebnis stellte das BVerfG fest, dass die BundesrepublikDeutschland über eine verfassungsrechtliche Identität12 verfüge, nach der die Freiheitswahrnehmung der Bürgerinnenund Bürger nicht vollständig erfasst und registriertwerden darf. Die (teilweise) verfassungsrechtliche Unbedenklichkeitfolgt somit aus dem Ausnahmecharakter der Regelung.13Dem Beschluss zur Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikations-Verkehrsdaten14 ist darüber hinaus zumindestzu entnehmen, dass der neu eingefügte § 110 Abs. 3StPO 15 , der die Sicherung und Durchsicht von Daten erlaubt,die sich auf externen Speichermedien befinden, auf die derBetroffene Zugriff hat, bei einer ordnungsgemäßen Verfah-Telekommunikationsgeheimnis prinzipiell vereinbar qualifiziert.6 BVerfG NJW 2010, 833 (841 in Rn. 231).7 Dazu eingehend Schramm/Wegener, MMR 2011, 9 (11).8 BVerfG NJW 2010, 833 (840 in Rn. 221-225).9 BVerfG NJW 2010, 833 (849).10 BVerfG NJW 2010, 833 (843 in Rn. 247).11 BVerfG NJW 2010, 833 (844 in Rn. 254 f.).12 BVerfG, Beschl. v. 28.10.2008 – 1 BvR 256/08, eine direktgegen die Vorschrift gerichtete Verfassungsbeschwerde wurdemangels Rechtswegerschöpfung insoweit als unzulässigverworfen, BVerfG NVwZ 2009, 103.13 Näher dazu Roßnagel, NJW 2010, 1238 (1240).14 BVerfG, Beschl. v. 16.6.2009 – 2 BvR 902/06 = NJW2009, 2431.15 Aufgehoben mit Wirkung v. 1.9.2004 durch Gesetz v. 24.8.2004 (BGBl. I 2004, S. 2198); Abs. 3 eingef. mit Wirkung v.1.1.2008 durch Gesetz v. 21.12.2007 (BGBl. I 2007, S. 3198),entsprechend der Forderung des Art. 19 Abs. 2 des Übereinkommensdes Europarats über Computerkriminalität.rensausgestaltung als verfassungskonform anzusehen ist. 16Auch hier spielt das Kriterium der Anlassbezogenheit eineübergeordnete Rolle. Die Daten dürfen demnach gesichertwerden; sind allerdings unmittelbar zu löschen, sobald sie fürdie Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind. 17III. Auswirkungen der Entscheidung des BVerfGIn der Praxis der Strafverteidigung stellt sich im Zusammenhangmit der bislang vorgenommenen Vorratsdatenspeicherunginsbesondere das Problem, ob – und wenn ja, in welchemUmfang – diese Daten von den Ermittlungsbehörden zuLasten des Betroffenen verwendet werden dürfen. Zur Beurteilungdieser Fragen ist zwischen einer Datenerhebung vorund nach der (abschließenden) Entscheidung des BVerfG zuunterscheiden.1. Datenerhebungen vor der BVerfGEDas BVerfG gab dem Eilantrag auf Außer-Kraft-Setzung derangegriffenen §§ 113a und 113b TKG im März 2008 mithilfeeiner einstweiligen Verfügung teilweise statt. 18 Die Verwendunggespeicherter Daten wurde aufgrund drohender schwerwiegenderund irreparabler Schäden auf schwere Straftatenim Sinne des § 100a Abs. 2 StPO begrenzt. Die Pflicht zurDatenspeicherung blieb bestehen.Nach der späteren Nichtigkeitserklärung wurde die Verwertungvon Datenerhebungen vor der Hauptsacheentscheidungdes BVerfG bezweifelt. Ohne jegliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlagegewonnene Beweismittel dürften ineinem rechtsstaatlichen Verfahren nicht verwertbar sein. Diesmüsse auch gelten, wenn die Rechtsgrundlage nachträglichentfalle. Dass das BVerfG eine zukünftige Regelung zurBeweiserhebung für verfassungsrechtlich zulässig halte,könne hieran nichts ändern. Die erhobenen Daten hättenunverzüglich nach der Feststellung der Nichtigkeit der Vorschriftengelöscht werden müssen. 19 Für alle Fälle, die nichtvon der einstweiligen Anordnung des BVerfG umfasst waren,sollte in Ansehung der Schwere des Rechtsverstoßes voneinem fernwirkenden Verwertungsverbot ausgegangen werden.20Nach Auffassung des OLG München 21 und des BGH 22sind die Daten – auch nach Feststellung der (teilweisen)Nichtigkeit der gesetzlichen Grundlagen der Vorratsdatenspeicherung– verwertbar. Die Erhebung sei nach der zumZeitpunkt der Erhebung geltenden Rechtslage zulässig gewesen,da sie den Anforderungen entsprach, die das BVerfG in16 Vgl. Klein, NJW 2009, 2996 (2999).17 Nack, in: Hannich (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung,6. Aufl. 2008, § 110 Rn. 8.18 BVerfG, Beschl. v. 11.3.2008 – 1 BvR 256/08 = NVwZ2008, 543.19 Anm. OLG München NJW-Spezial 2010, 601; Anm. BGHNJW-Spezial 2011, 216.20 Volkmer, NStZ 2010, 318 (320).21 OLG München MMR 2010, 793 = BeckRS 2010, 19914.22 BGHSt 56, 138 = NJW 2011, 1377; BGH NJW 2011, 1827;OLG München MMR 2010, 793 = BeckRS 2010, 19914._____________________________________________________________________________________470<strong>ZIS</strong> 8-9/2012

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