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Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

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Jan C. Schuhr_____________________________________________________________________________________Regelungen des zweiten Typs nehmen im aktuellen Strafrechtlaufend zu. In besonderem Maße kennzeichnen sie dasSexualstrafrecht. 39 Doch auch z.B. chirurgische Heileingriffewerden strafrechtlich in dieser Form behandelt: Die mit derOperation zunächst bewirkte temporäre Verschlechterung desGesundheitszustands des Patienten fassen die Rechtspraxisund große Teile der Lehre 40 als Körperverletzung auf, um sieden Regeln über die Einwilligung unterwerfen zu können.Ein an den Chirurgen gerichtetes Verbot des Operierens meintniemand ernst. 41 Es wäre auch widersinnig, eine medizinischindizierte Operation zu verbieten, um die Gesundheit zuschützen. Die Konstruktion dient vielmehr dazu, den Patientenselbst über die Behandlung seines Körpers entscheiden zulassen, also eine auf seinen Körper bezogene Verhaltensnormfür den Arzt im aktuellen Fall selbst setzen zu lassen.Dieser zweite Regelungstyp ist unter Bestimmtheitsgesichtspunktengrundsätzlich problematisch, in manchen Bereichen(wie eben dem Sexualstrafrecht und dem Arztstrafrecht– auch wenn dort de lege ferenda ein selbstständigerTatbestand der Einwilligungslösung vorzuziehen wäre) gleichwohlder einzig sachgerechte Regelungsmodus. Um die Bestimmtheitsproblemeim Rahmen zu halten, muss dabei (1.)feststehen, auf wessen Einwilligung bzw. Einverständnis esankommt, müssen (2.) klare Regeln über die Wirksamkeit derEinwilligung bzw. des Einverständnisses bestehen und (3.)die Erklärungen weitgehend eindeutig interpretiert werdenkönnen.Die beiden Regelungstypen (Akzessorietät vs. Einverständnismodell)schließen einander nicht aus. Das zeigt sich schonbeim ärztlichen Heileingriff, dessen strafrechtliche Handhabungein Beispiel für beide Regelungstypen abgibt: Zwar darfder Patient in weitem Umfang durch Einwilligung oder Verweigerungder Einwilligung selbst über die Zulässigkeit einerBehandlung entscheiden. Diese Kompetenz besteht aber nurdort, wo die Rechtsordnung die Zulässigkeit der Behandlung(und evtl. sogar die Pflicht des Arztes, zu behandeln) nichtselbst regelt (z.B. über eine mutmaßliche Einwilligung, hypothetischeEinwilligung, Garantenpflichten oder Jedermannspflichtennach § 323c StGB 42 ).c) „Rechtswidrig“ als Verweisung ins „Datenrecht“?Das Merkmal „fremd“ in § 303 StGB macht die Sachbeschädigungakzessorisch zum Sachenrecht (und zu Bestimmungenin anderen Teilen der Rechtsordnung, welche die Rechtsposi-39 Vgl. z.B. Renzikowski, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), MünchenerKommentar zum Strafgesetzbuch, Bd. 3, 2. Aufl. 2012,Vorbem. zu § 174 ff. Rn. 2 ff.40 Zum Streitstand Knauer/Bose, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht,Kommentar, 2011, § 223 StGB Rn. 16 ff. m.w.N.41 Ein Arzt wird ggf. sogar nach § 323c StGB bzw. unechtenUnterlassungsdelikten bestraft, wenn er sich in medizinischdringenden Fällen nicht intensiv um eine Einwilligung desPatienten bemüht (BGH NJW 1983, 350).42 Es geht hier nur darum, dass über solche KonstruktionenRegelungen denkbar sind. Ob die hier jeweils angesprochenenKonstruktionen und insb. ihre Handhabung in der Rechtsprechungüberzeugen, ist an dieser Stelle unerheblich.tion des Eigentümers ausgestalten). Die absolute Rechtspositiondes Eigentümers wird aber (ganz § 903 BGB entsprechend)nicht absolut geschützt; vielmehr gehört es gerade zudieser Position, dass er – wiederum innerhalb eines rechtlichvorgegebenen Rahmens – fremde Eingriffe erlauben darf. Diean den Täter gerichtete Verhaltensnorm ergibt sich also erstim Zusammenspiel von Sachenrecht und Einzelfallregelungdes Berechtigten. Auch für die letztere ist das Sachenrechtvon Bedeutung, denn es legt den Eigentümer als zur Einverständniserklärungberechtigte Person fest.Ebenso, wie das Merkmal „fremd“ ins Sachenrecht verweist,muss das Merkmal „rechtswidrig“ auf andere Teile derRechtsordnung verweisen, die für Daten entsprechende Regelungenbeinhalten wie das Sachenrecht für Sachen. Diese Anforderungergibt sich nicht nur daraus, dass die Datenveränderungzur Sachbeschädigung analog sein soll, sonst aber fastgar keine Ähnlichkeit zu ihr hätte. Es verbleibt gar keineandere Möglichkeit, um eine Verhaltensnorm in § 303a Abs. 1StGB zu bringen. Man kann sie nur noch außerhalb des Strafrechtserhoffen, nach einem entsprechenden „Datenrecht“suchen und dann an dieses anknüpfen.Wenn es ein ausgearbeitetes „Datenrecht“ gäbe, das klärt,wer welche Veränderungen an Daten wann vornehmen darfbzw. nicht darf, oder zumindest festlegt, wer für den Einzelfallbestimmen darf, wem welche Veränderungen an Datenerlaubt sein sollen, würde sich immer noch die Frage stellen,ob man wirklich jede Verletzung dieser Regeln kriminalisierenmuss. Bis zu dieser Frage gelangt man aber gar nicht. Esgibt schon kein „Datenrecht“. 43Es gibt nur einzelne Ansätze zu einem solchen Rechtsgebiet,und diese Ansätze sind höchst heterogen. So gibt es einUrheberrecht und ein Datenschutzrecht, mit weitreichendenVerboten, aber gerade zur Löschung von Daten auch Geboten.Und es gibt das Prinzip der Informationsfreiheit und diverseSorgfalts- und Schutzpflichten, etwa im Bereich der Korruptionsbekämpfung,die den Verboten des Datenschutzes unmittelbarzuwiderlaufen. Vielfach ist das Verhältnis dieserauf dasselbe Verhalten bezogenen Gebote und Verbote ungeklärt.Eine gewisse Klärung der Rechte zur Beeinflussungvon Daten erfolgt im Schuldrecht. An diese Klärung kann dasStrafrecht aber nur selten anknüpfen, denn sie gilt nur imVerhältnis der Vertragsparteien zueinander. Wer ein Computersystemangreift, schließt darüber selten Verträge mit demBetreiber oder anderen Personen, und es ist auch gar nicht derSinn des Strafrechts, bloße Vertragsverletzungen zu sanktionieren.44 Von einem Datenrecht, das die von § 303a StGBaufgeworfenen Fragen klärt, kann gegenwärtig keine Redesein. 4543 Vgl. Popp (Fn. 3), § 303a Rn. 3 f.44 Vgl. Fischer (Fn. 29), § 303a Rn. 6.45 Auf diesem rechtlichen Feld hat sich zwar vieles verändert,seit Sieber, ZStW 103 (1991), 779 (786 ff.), einen entsprechendenBefund formuliert hat. Ein einigermaßen konsistentesDaten- bzw. Informationsrecht gibt es aber – auch nur indem begrenzten Umfang, in dem es als Basis strafrechtlicherRegelungen erforderlich wäre – weiterhin nicht._____________________________________________________________________________________450<strong>ZIS</strong> 8-9/2012

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