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Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

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Informationstechnologische Herausforderungen an das Strafprozessrecht_____________________________________________________________________________________Kriminaljustizsystem geleistet werden, 2 wie sie am bestengelingt, wenn ein Einstieg mit Modellversuchen auf freiwilligerGrundlage unternommen wird, aus denen die Praxis lernenund von denen ausgehend Schritt für Schritt weiter gegangenwerden kann.Der weitere Bereich der elektronischen Prozessführungbetrifft insbesondere die Zulässigkeit von elektronischen Prozesshandlungen,sei es solcher der Staatsanwaltschaften oderGerichte wie beispielsweise bei elektronischer Anklageerhebungoder Urteilszustellung, sei es solcher der Beschuldigten,Verteidiger oder weiterer Verfahrensbeteiligter, beispielsweisebei elektronischer Antragstellung oder Rechtsmitteleinlegung.Wiederum sind „Ob“ und „Wie“ zu regeln, wobei dieEinzelfragen denen zur elektronischen Aktenführung verwandtsind; namentlich stellen sich die Fragen des Nebeneinandersvon elektronischen und herkömmlichen Prozesshandlungensowie der Gewährleistung von Authentizität und Integritätbeispielsweise durch elektronische Signatur. Praktischbedeutsam ist weiterhin die Frage, ob Bürger oder Rechtsanwälteverpflichtet werden sollen, Vorsorge für den Zugangstaatlicher elektronischer Prozesshandlungen – etwa durchEinrichtung neuer oder Freigabe bestehender elektronischerPostfächer – zu treffen.Die elektronische Beweisführung schließlich betrifft einerseitsdie Nutzung von Informationstechnologie zur Erhebungtraditioneller Beweise, beispielsweise bei audiovisuellübertragenen Zeugenvernehmungen, und andererseits „elektronischeBeweise“, seien es in elektronischer Form gespeichertetraditionelle Beweise wie z.B. audiovisuell aufgezeichneteZeugenvernehmungen oder aus der „e-Sphäre“ vonBeschuldigten oder Dritten herrührende Beweise. Auch hierstellen sich Fragen des Verhältnisses von traditionellen undelektronischen Beweisen und solche der Authentizität undIntegrität.Ein bedeutsamer Schritt hin zur Einführung einer „e-criminaljustice“ im deutschen Strafverfahren ist der im Juni2012 vorgelegte Diskussionsentwurf des Bundesministeriumsder Justiz „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der elektronischenAkte in Strafsachen“ (Stand 30.5.2012) 3 . Nach die-2 Instruktiv hierzu BGH (Dienstgericht des Bundes), Urt. v.21.10.2010 – RiZ (R) 5/09 = DRiZ 2011, 66 = MDR 2011,140: kein Anspruch eines Richters auf Zurverfügungstellungvon Papierausdrucken nach Einführung elektronischer Aktenführung;a.A. noch die Vorinstanz OLG Hamm (Dienstgerichtshoffür Richter), Beschl. v. 20.10.2009 – 1 DGH 2/08.3 Im Internet abrufbar unterwww.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Diskussionsentwurf_Gesetz_zur_Einfuehrung_der_elektronischen_Akte_in_Strafsachen.pdf?__blob=publicationFile (14.9.2012). Die Vorarbeitenreichen mindestens bis ins Jahr 2007 zurück, als dasBundesministerium der Justiz die Große Strafrechtskommissiondes Deutschen Richterbundes mit einem Gutachten „Dieelektronische Akte im Strafverfahren“ beauftragte, das noch2007 vorgelegt wurde, ebenfalls im Internet abrufbar unterwww.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fachuntersuchungen/elektronische_akte_im_strafverfahren.pdf?__blob=publicationFile (14.9.2012). Im Nachgang hierzu befasste sich einesem Entwurf soll die elektronische Akte in Strafsachen bundesweitflächendeckend für Strafverfahren jedweder Artzwingend, d.h. unter Verbot der Papieraktenführung, undgrundsätzlich zum 1.1.2017, je nach Bundesland spätestenszum 1.1.2020, eingeführt werden. Es handelt sich um eine –gerade auch im internationalen Vergleich – sehr ehrgeizigeund weitgehende Initiative, die freilich bei den Bundesländernauf erheblichen Widerstand gestoßen ist, nicht zuletztaus dem Grund, dass, würde der Entwurf Gesetz, die Ländersehr erhebliche Kosten für Hard- und Software sowie Administrationtragen müssten.Ungeachtet dieser fiskalischen Querelen zeichnet sich ab,dass Datenschutz eine zentrale juristische Problematik von„e-criminal justice“ sein wird. Nicht wirklich von der Handzu weisende Szenarien möglicher Manipulationen von elektronischenAkten oder derer illegaler, aber nicht mehr reversiblerPublikation im Internet deuten auf wirkliche Problemehin. Die Lösungen sind im Daten- und Datenverkehrsschutzrechtvorgezeichnet und bestehen in der rechtlichen, aberauch faktischen (technischen) Gewährleistung der Authentizität,Integrität, Vertraulichkeit und Zweckbindung elektronischerAkten nach tradierten daten- und datenverkehrsschutzrechtlichenGrundsätzen, wie sie sich im deutschen Recht ausdem BDSG, den LDSGen und dem Rechtsrahmen für digitaleSignaturen ergeben.III. Wer Informationstechnologie nutzt, hinterlässt elektronischeSpuren, deren Inbegriff man als „e-Sphäre“ einesMenschen bezeichnen kann: Jedes Telefonat, jede E-Mail,jeder Chat, jede Internetrecherche, aber auch jeder elektronischeZahlvorgang, jede Autofahrt mit Navigationsgerät oderjede Flugreise generieren elektronische Daten, deren (Gesamt-)AuswertungKommunikations-, Mobilitäts- oder Interessenbilderzu zeichnen ermöglicht. Hinzu kommen sozialeNetzwerke, in denen immer mehr Menschen immer persönlichereDaten kommunizieren oder publizieren, was Persönlichkeitsbilderzu erstellen ermöglicht.Aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden ist die Auswertungund Überwachung der „e-Sphäre“ von Beschuldigten einhochinteressantes, weil potenziell hoch ergiebiges Mittel derAufklärung von Straftaten. In der Tat sind Ermittlungen inder „e-Sphäre“ eines Beschuldigten längst zu Standardmaßnahmengeworden, und zwar nicht nur im Bereich der Cyberkriminalität,wo es gleichsam in der Natur der Sache liegt,sondern auch in „normalen“ Kriminalitätsbereichen: So folgt etwa der Festnahme eines Betäubungsmittelstraftätersüblicherweise als erste Standardmaßnahme dieDurchsuchung nach einem Mobiltelefon, dessen Beschlagnahmeund Auswertung: Mit wem hat er/sie telefoniertoder SMS-Verkehr gehabt, welche Kontakte hat er/sie gespeichert,welche Kalendereinträge oder Notizen findensich u.ä.? Oder in Wirtschaftsstrafsachen richtet sich die Durchsuchungdes betreffenden Unternehmens längst nicht mehrnur auf Papierdokumente, sondern auch und vor allem aufProjektgruppe „Elektronische Akte in Strafsachen“ des Bundesministeriumsder Justiz mit der Problematik._____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com481

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