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Inhalt SONDERAUSGABE CYBERCRIME & CYBERJUSTICE ... - ZIS

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Einseitiges Strafanwendungsrecht und entgrenztes Internet?_____________________________________________________________________________________bestimmt unsere Handelswege. Auch heute gibt manch einereine „ehrbare“ Stellung auf, um als „Anonymous“ Sicherheitslückenin der Kommunikationsplattform Facebook aufzuspüren8 oder mittels des Software-Trojaners Katusha die Handelswegevieler Millionen Bankkunden zu durchkreuzen. 9 Esist das goldene Zeitalter der Hacker, wie man jene Online-(Daten-)Piraten zu nennen pflegt. 10 Facebook ruft nachSicherheit und verteilt ebenso wie viele Staatsmächte „Hacker-briefe“.11 Der amerikanisch-israelische Computerwurmstuxnet wird 2010 („staatlich verordnet“) in eine Urananreicherungsanlageim Iran „eingepflanzt“ und manipuliert dortden Steuerungschip der Zentrifugen und damit das Atombombenprogrammdes Iran insgesamt. 12 Das Internet als„wichtigste Infrastruktur unserer Zeit“ scheint zur Gefahr fürWohlstand und Sicherheit zu mutieren und steht vor demNeubau. 13 Unklar ist mithin, was es überhaupt gegen wen zuschützen gilt. 142. Weltmeer und DatenmeerDie Piraterie ist heute weltweit geächtetes und internationalverfolgtes Delikt. Das Seerechtsübereinkommen der VereintenNationen von 1982 15 verpflichtet die Staaten zur gemein-8 Fischermann/Hamann, Die Zeit v. 8.9.2011, S. 27.9Dazu: Gatzke, Kriminalistik 2012, 75; ZeitungsberichtKatusha, Weser-Ems-Zeitung v. 1.11.2010 (business-on,http://www.business-on.de/druckansicht/14_80_15512.html[28.2.2012]). Die exemplarische Aufzählung ist nichtabschließend. Zu den „Daten-Piraten“ sind neben Einzelpersonenund Personenzusammenschlüssen ebenso auch Unternehmen,Unternehmensgruppen und Staaten zu zählen, soweitsie im Umgang mit ihnen zugänglichen oder ihnen überlassenenDaten in Individualrechte eingreifen oder diesebeschränken.10 Auf die zu den Piraten von damals bestehende gleichlaufendeAmbivalenz machen nun etwa auch Robertz/Rüdiger,(Kriminalistik 2012, 79) aufmerksam.11 Zum Facebook-Aufruf s.a. Fischermann/Hamann, Die Zeitv. 8.9.2011, S. 27. Zum jährlichen Facebook-Hacker Cup:http://www.facebook.com/video/video.php?v=10100106817149407 (12.7.2012).12 Vgl. dazu BSI (Fn. 3), S. 28 f. Es kursieren bereits neuestuxnet-ähnliche Schadprogramme wie Duqu (Höll/Krüger/Martin-Jung, Süddeutsche Zeitung v. 20.10.2011, S. 5).13 Fischermann/Hamann, Die Zeit v. 8.9.2011, S. 27 (im Titel);dies., Zeitbombe Internet, 2011, S. 25 ff., insb. S. 28.14 Zu definitorischen Problemen des Begriffs „Computerkriminalität“vgl. bereits Hilgendorf, JuS 1997, 323 („Datennetzkriminalität“);Sieber, Computerkriminalität und Strafrecht,1977, S. 184, 188 („Sammelsurium“); ders., Legal Aspects ofComputer-Related Crime in the Information Society, 1998,S. 24 ff.; ders., in: Sieber/Brüner/Satzger/von Heintschel-Heinegg (Hrsg.), Europäisches Strafrecht, 2011, Kap. 6 Rn.1-6 zum weiten Bereich der Computer- und Internetkriminalitätund den definitorischen Problemen.15 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen („UnitedNations Convention on the Law of the Sea“) v. 10.12.1982,auch in Deutschland in Kraft seit 16.11.1994 (BGBl. II 1994,samen Bekämpfung der Piraterie auf den Weltmeeren. Dochsind damit nicht alle Probleme der internationalen Pirateriegelöst. Der seit dem 17. Jahrhundert anerkannte, wenn auchin seinen Grenzbereichen nicht unumstrittene, Grundsatz derFreiheit der Weltmeere 16 beschränkt die staatliche Hoheitsausübungbis heute auf Schiffe unter eigener Flagge. Die1927 in Istanbul begründete „Lotus-Regel“ stellt eine Vermutungfür die staatliche Handlungsfreiheit aufgrund staatlicherSouveränität auf. Denn nachdem am 2.8.1926 das französischePostschiff Lotus auf hoher See mit der Boz-Kurt kollidiertwar und dabei acht türkische Seeleute ihr Leben verloren,entschied der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH)zugunsten der türkischen Souveränität: 17„International law governs relations between independentStates. The rules of law binding upon States therefore emanatefrom their own free will [...]. Restrictions upon the independenceof States cannot therefore be presumed.“Für staatlich zulässiges Handeln bedarf es danach keinervölkerrechtlichen Erlaubnisnorm. Es darf nur kein völkerrechtlichesVerbot entgegenstehen. 18 Und der souveräne Staatkann nicht zur Handlung verpflichtet werden. Die hierausresultierenden Probleme in der Bekämpfung der internationalenPiraterie zeigt (beispielhaft) die Entführung des von derdeutschen Reederei verwalteten Tankers Longchamp imJanuar 2009 vor der Küste Somalias. Die Staatsanwaltschaft inHamburg ermittelte wegen Angriffs auf den Luft- und Seeverkehr(§ 316c dStGB). Doch die deutsche Zuständigkeit fürdas in Deutschland verwaltete, unter der Flagge der Bahamasmit indonesischem Kapitän und philippinischer Mannschaftzwischen Norwegen und Vietnam verkehrende und von somalischenPiraten überfallene Schiff war keineswegs klar.Die deutsche Marine erklärte sich schließlich nach Prüfungfür unzuständig. 19 Einseitige Souveränitätskonzepte helfenhier nicht weiter.S. 1798; BGBl. II 1995, S. 602); basierend auf dem GenferÜbereinkommen über die Hohe See v. 29.4.1958, in Kraft seit30.9.1962, in Deutschland seit dem 25.8.1973 (BGBl. II 1972,S. 1089, 1091; BGBl. II 1975, S. 843).16 Völkervertraglich anerkannt erst mit Art. 2 des UN-Übereinkommensüber die Hohe See v. 29.4.1958 (UNCLOS I)sowie in Art. 87 ff. des UN-Seerechtsübereinkommens v.10.12.1982 (UNCLOS III). Zur geschichtlichen Entwicklungvgl. auch Kretschmer (Fn. 6), B. III. (Manuskript S. 270 f.).17 Vgl. StIGH, Urt. v. 7.9.1927 – PCIJ Ser. A No. 10 (S.S.Lotus [Frankreich v. Türkei]), im Internet abrufbar unter:http://www.worldcourts.com/pcij/eng/decisions/1927.09.07_lotus.htm (12.7.2012).18 Zur Interpretation kurz auch Hobe, Einführung in das Völkerrecht,9. Aufl. 2008, S. 619 f.19 Vgl. Hamburger Abendblatt v. 30.1.2009, im Internet unter:http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article596093/Deutsche-Marine-Wir-sind-fuer-die-Longchamp-nicht-zustaendig.html(12.7.2012). Zum Verfahrensausgang: Spiegel-online v. 28.3.2009, abrufbar unter:http://www.spiegel.de/panorama/justiz/somalia-entfuehrterdeutscher-gastanker-longchamp-wieder-frei-a-616040.html(12.7.2012)._____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com459

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