pdf-Drucker, Job 71
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den abgelehnt und bekamen einen Eintrag auf der Z1-Karte. Sie hatten keinerlei Widerspruchsrecht<br />
und nach dem Vermerk auf der Karte keine legale Möglichkeit mehr, nach<br />
Deutschland zu gehen.<br />
Auf die Anwerbeangebote der Bundesrepublik Deutschland reagierten wie in allen<br />
Entsendeländern auch in der Türkei sowohl Männer als auch Frauen. In allen Wirtschaftsbereichen<br />
waren Frauen als Arbeitskräfte sehr gesucht, weswegen die wenigen Bewerberinnen<br />
in der Regel nicht lange auf eine Genehmigung warten mußten. „Diese Frauen arbeiteten in<br />
der Mehrzahl in Bayern und Baden-Württemberg in der Elektro-, der Bekleidungs- und<br />
Textil-Industrie sowie im Dienstleistungssektor und hier insbesondere als Krankenschwestern.“<br />
44 Frauen bewarben sich aus verschiedenen Ausgangssituationen heraus nach<br />
Deutschland. Sie gingen alleine, vor, nach oder gleichzeitig mit ihrem Ehemann, sie migrierten<br />
mit und ohne Kinder, sie waren verheiratet, verlobt oder ledig, sie hatten unterschiedliche<br />
Qualifikationen und stammten aus unterschiedlichen Herkunftsregionen bzw. -<br />
kontexten. 45<br />
Frauen haben in verschiedenen Positionen die Migrationsentscheidungen in der Familie<br />
beeinflußt. Verheiratete Frauen, die in der Türkei blieben, haben vielfach die Migration<br />
des Ehemannes erst ermöglicht. Auch Mütter waren an der Entscheidung ihrer Töchter<br />
und Söhne zur Arbeitsmigration beteiligt. Diejenigen Frauen, die nach Deutschland gegangen<br />
waren, schafften oft erst die Voraussetzungen für die Migration des Ehemannes – sei es<br />
über die Vermittlung eines Arbeitsplatzes oder später über den Familiennachzug. Nicht alle<br />
Frauen, die ausreisen wollten, konnten sich ohne weiteres bewerben. 46 Ledige Frauen<br />
brauchten kein Einverständnis, sofern sie über 18 Jahre alt waren; unter 18jährige mußten<br />
eine Einverständniserklärung der Eltern vorlegen. Für verheiratete Frauen war zunächst eine<br />
Einverständniserklärung des Ehemannes erforderlich. Von 1965 an wurden die Regelungen<br />
jedoch gelockert, weshalb ab diesem Zeitpunkt verstärkt verheiratete Frauen nach Deutschland<br />
auswanderten. „Der Anteil der verheirateten und allein in Deutschland lebenden Frauen<br />
war bei den Türkinnen am höchsten“. 47<br />
Die Bedenken der deutschen Behörden, Familienangehörige aus der Türkei einreisen<br />
zu lassen, spielten vermutlich mit eine Rolle für die hohe Anzahl verheirateter allein<br />
eingewanderter Frauen. 48 Manche Frauen mußten sich gegen den Ehemann oder andere<br />
Verwandte durchsetzen, gingen teilweise gegen deren Willen, 49 andere gingen auf Initiative<br />
ihrer Familien. Die Soziologin Christa Hoffmann-Riem hat 27 Frauen der ersten Generation<br />
interviewt: 50 sieben von diesen Frauen gingen nach Deutschland, ohne jemanden zu kennen;<br />
44<br />
45<br />
46<br />
47<br />
48<br />
49<br />
50<br />
thilde Jamin (Hrsg.): Fremde Heimat – Yaban, Sılan olur. Eine Geschichte der Einwanderung aus<br />
der Türkei – Türkiye'den Almanya'ya Göçün Tarihi, Essen 1998, 128-132.<br />
Eryılmaz, Aytaç: Ehre, 134.<br />
Siehe Firat, Gülsün: Hausfrauisierung, 81-84; Kolinsky, Eva: Deutsch und türkisch leben. Bild und<br />
Selbstbild der türkischen Minderheit in Deutschland (German Linguistic and Cultural Studies;<br />
Vol. 4), Oxford; Bern; Berlin u.a. 2000, 131-164.<br />
Siehe zum Folgenden Eryılmaz, Aytaç: Ehre, 134f.<br />
Ebd., 135.<br />
Siehe ebd.<br />
„Für damalige Zeiten war es für eine türkische Frau ungewöhnlich, sich von einer Ehe loszureißen<br />
und über ihr Leben und das Leben ihres Kindes selbst zu bestimmen“ (Yegenoglu, Gülen: Mein Lebenslauf<br />
als türkische Frau, in: Informationsdienst zur Ausländerarbeit 4 [1988] 22).<br />
Siehe Hoffmann-Riem, Christa: Elementare Phänomene der Lebenssituation. Ausschnitte aus einem<br />
Jahrzehnt soziologischen Arbeitens (Interaktion und Lebenslauf; Bd. 8), hrsg. von: Wolfgang Hoffmann-Riem;<br />
Marianne Pieper; Gerhard Riemann, Weinheim 1994, 256-351.