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pdf-Drucker, Job 71

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ner bedeutete besonders auf dem Land, daß die Frauen deren Arbeit mit übernehmen mußten.<br />

In den 60er Jahren begann neben der Binnenmigration die Wanderung der ArbeitnehmerInnen<br />

nach Westeuropa. 20 Zwischen 1961 und 1974 wurden über den türkischen<br />

Beschäftigungsdienst über 810.000 ArbeitsmigrantInnen in das Ausland vermittelt. Da diese<br />

Zahl zunächst als TouristInnen ausgereiste sowie illegalisierte MigrantInnen nicht mit einschließt,<br />

kann davon ausgegangen werden, daß deutlich mehr Menschen aus der Türkei<br />

abwanderten, um in anderen Ländern Erwerbsarbeit zu suchen. 21 Die Notwendigkeit und<br />

das Interesse der Bevölkerung, für einige Zeit ins Ausland zu gehen, waren groß, und bei<br />

weitem nicht alle BewerberInnen bekamen auch einen Arbeitsplatz. Zwischen 1964 und<br />

1973 konnten nur knapp ein Viertel der Männer und 35,2% der Frauen unter den BewerberInnen<br />

nach Deutschland vermittelt werden. 22 Nach den Abkommen mit Deutschland und<br />

(im selben Jahr) Großbritannien schloß die Türkei weitere Verträge mit Ländern wie Österreich,<br />

Belgien, den Niederlanden, Frankreich, Schweden, der Schweiz und Australien.<br />

Viele derjenigen Frauen und Männer, die sich in den Vermittlungsstellen registrieren<br />

ließen, hatten bereits eine Binnenwanderung innerhalb der Türkei hinter sich. Die großen<br />

Städte, die das Hauptziel für viele BinnenmigrantInnen gewesen waren, waren die wesentlichen<br />

Ausgangspunkte für die Abwanderung nach Westeuropa, auch für diejenigen<br />

ArbeiterInnen, die direkt aus den Dörfern nach Westeuropa gingen. Die Menschen planten<br />

zunächst, einige Jahre in Deutschland zu arbeiten, um dann mit ihren Ersparnissen und neu<br />

erworbenen Fachkenntnissen in die Türkei zurückzukehren, um sich dort eine eigene Existenz<br />

aufzubauen.<br />

4.1.2 Die wirtschaftliche Situation in Deutschland<br />

Die Beschäftigung von ‚ausländischen‘ 23 Arbeitskräften war zu allen Zeiten in erster<br />

Linie abhängig von der jeweiligen Interessenslage der deutschen Wirtschaft. 24 Im Deutschland<br />

der 50er und 60er Jahre führte der wirtschaftliche Aufschwung zu einem steigenden<br />

Bedarf an jungen, gesunden, v.a. flexiblen Arbeitskräften. Jedoch gehören die jungen Erwachsenen,<br />

die jetzt mit Erwerbsarbeit und Ausbildungen begannen, bedingt durch den<br />

Zweiten Weltkrieg zu den sogenannten geburtenschwachen Jahrgängen. Gleichzeitig verminderte<br />

sich die Zahl der (inländischen) Arbeitskräfte durch den Aufbau der Bundeswehr,<br />

durch Verkürzung der Arbeitszeit und Verlängerungen der Ausbildungen. Der Bedarf an<br />

Arbeitskräften fiel regional unterschiedlich aus. In Industriezentren gab es kaum Arbeitslosigkeit,<br />

in ländlichen Regionen dagegen, in denen nach Flucht und Vertreibung viele Menschen<br />

angekommen waren, gab es nicht genug bezahlte Arbeit für alle. 25<br />

20<br />

Siehe en, Faruk; Koray, Sedef: Göç Hareketleri.<br />

21<br />

Siehe Leopold, Ulrich: Sozio-ökonomische Ursachen, 145. „Die wirkliche Zahl der temporär in das<br />

Ausland abgewanderten türkischen Arbeitskräfte liegt aber höher, da in den obigen Zahlen diejenigen,<br />

die als Touristen ohne offizielle Arbeitsgenehmigung nach Europa gekommen sind und ihren<br />

Status erst nachträglich legalisierten, sowie die illegal migrierten nicht enthalten sind“ (Ebd., 145f.).<br />

22<br />

Eigene Berechnungen aufgrund von Eryılmaz, Aytaç: Arbeiter, 104.<br />

23<br />

Zur Verwendung der einfachen Anführungszeichen siehe Einführung.<br />

24<br />

Siehe dazu Woydt, Johann: Ausländische Arbeitskräfte in Deutschland. Vom Kaiserreich bis zur<br />

Bundesrepublik, Heilbronn 1987; Steinert, Johannes-Dieter: Migration und Politik. Westdeutschland-Europa-Übersee<br />

1945-1961, Osnabrück 1995. Vgl. dazu auch den Unterpunkt 3.4.3.2.<br />

25<br />

Siehe Thränhardt, Dietrich; Dieregsweiler, Renate; Santel, Bernhard: Ausländerinnen und Ausländer<br />

in Nordrhein-Westfalen. Die Lebenslage der Menschen aus den ehemaligen Anwerbeländern und

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