pdf-Drucker, Job 71
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ginn der Krise immer mehr negative volkswirtschaftliche Implikationen diskutiert<br />
(fehlende Wohnungen, höherer Bedarf an Schulen und Kindergärten, Verschlechterung<br />
der Zahlungsbilanz durch Transferzahlen in das Ausland).“ 107<br />
Den Anwerbestop, mit dem eine neue Periode der AusländerInnenpolitik einsetzte,<br />
ordnet der ehemalige Sozialberater Fuat Bultan als Beginn der AusländerInnenfeindlichkeit<br />
ein. 108<br />
4.1.8 Die Regelung des Familiennachzugs (1974)<br />
Vom Frühjahr 1974 an gab es die Möglichkeit, daß die EhepartnerInnen und Kinder<br />
(unter 18 Jahre) der ausländischen ArbeitnehmerInnen ebenfalls in die Bundesrepublik einreisten.<br />
109 Wer die Familie nachholen wollte, mußte ausreichenden Wohnraum nachweisen,<br />
was für viele nicht ganz einfach war. Der im Abkommen vom 30. April 1964 garantierte<br />
Rechtsanspruch der türkischen ArbeitnehmerInnen auf Kindergeld galt zunächst unabhängig<br />
vom Aufenthaltsort der Kinder. Ab dem 1.1.1975 gab es für die nicht in Deutschland<br />
lebenden Kinder weniger Kindergeld, was einige MigrantInnen zusätzlich dazu motiviert<br />
haben mag, die Kinder nach Deutschland zu holen. Als die Familien und damit viele Kinder<br />
und Jugendliche nachzogen, stellte sich noch stärker als bisher heraus, daß die sozialen<br />
Aspekte der Immigration nicht berücksichtigt worden waren. In Ämtern und Behörden, aber<br />
auch in Kindergärten und Schulen waren die Angestellten, ErzieherInnen, LehrerInnen etc.<br />
nicht eingestellt auf diese neue Gruppe. Auch die Familienangehörigen waren, wie zuvor<br />
die ArbeitsmigrantInnen, nicht informiert und nicht auf ein Leben in Deutschland eingestellt.<br />
Sie kannten die deutsche Sprache in der Regel nicht und waren auf die vor ihnen migrierten<br />
Ehefrauen, Ehemänner oder andere Verwandte angewiesen. Eine zusätzliche Erschwernis<br />
stellte die Stichtagregelung dar, derzufolge nach dem 30.11.1974 zugezogenen<br />
Familienangehörige nicht arbeiten durften.<br />
Durch die lange Trennungszeit waren die Familien teilweise sehr belastet, hatten<br />
sich durch unterschiedliche Erfahrungen und Veränderungen der Beziehung und der Rollenverteilung<br />
zum Teil auseinandergelebt. 110 Die Frauen, die in der Türkei Entscheidungen<br />
getroffen hatten und für das Leben der Familie verantwortlich waren, waren in Deutschland<br />
mehr als vorher auf ihren Ehemann angewiesen. Viele Frauen, die nicht selbst arbeiten gingen,<br />
waren in der Gefahr, sozial isoliert zu bleiben. Auch die Männer, deren Frauen zunächst<br />
allein nach Deutschland gegangen waren, mußten nun mit einer veränderten Rollenverteilung<br />
zurecht kommen. Schon die Emigration der Frauen nach Deutschland war für<br />
viele Beteiligten nicht ganz einfach. Als Ehemänner nach Jahren der Trennung zu ihren<br />
Frauen nach Deutschland migrierten, waren sie nun auf deren Kenntnisse und Erfahrungen<br />
verwiesen. In vielen Familien und Ehen kam es zu Mißverständnissen, zu Eifersuchtsszenen<br />
und Verständigungsschwierigkeiten.<br />
107<br />
108<br />
109<br />
110<br />
Seifert, Wolfgang: Ausländer in der Bundesrepublik – Soziale und ökonomische Mobilität, Diskussionspapier<br />
P91-105 des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB), Berlin 1991, 6; zitiert nach Thränhardt,<br />
Dietrich; Dieregsweiler, Renate; Santel, Bernhard: Ausländerinnen und Ausländer, 36.<br />
Siehe Bultan, Fuat: Folgen, 320. Siehe auch den Punkt 4.3.2.<br />
Siehe Eryılmaz, Aytaç; Jamin, Mathilde: Chronologie, 398.<br />
Siehe zum Folgenden Bultan, Fuat: Folgen, 318. Vgl. auch Firat, Düzgün: Die Migration als Belastungsfaktor<br />
türkischer Familien. Auswirkungen auf die soziale Identität und das Familiensystem,<br />
Hamburg 1996.