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Das Magazin 2|2012 (PDF, 3.6 MB) - Deutsche BKK

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Werner H.: „Mit der Wiedereingliederung habe<br />

ich im März begonnen, aber von einem Achtstundentag<br />

kann ich momentan nur träumen.“<br />

nach mehrmaligen Beschwerden eine MRT-<br />

Untersuchung zu bekommen. Dabei wird in<br />

der Klinik festgestellt, dass sich nicht nur<br />

die Metallionenwerte in seinem Blut inzwischen<br />

um das achtfache erhöht haben, man<br />

findet außerdem einen Beutel aus Metall<br />

und Wasser, der sich an Bein und Becken<br />

gebildet hatte. Der Patient müsste sofort<br />

operiert werden, doch sein Gesundheitszustand<br />

ist so schlecht, dass eine Operation<br />

verschoben werden muss. Mit einer homöopathischen<br />

Behandlung wird er aufgepäppelt<br />

und das Metall teilweise aus seinem<br />

Körper ausgeschwemmt. Dann erst erfolgt<br />

eine Wechseloperation. Werner H. bekommt<br />

eine neue Hüftprothese, nicht zuletzt, weil<br />

er sich inzwischen einen Anwalt genommen<br />

hatte, um sein Recht durchzusetzen. Durch<br />

den Metallabrieb des ersten Hüftgelenks<br />

war der Knochen in Mitleidenschaft gezogen.<br />

Die zweite Operation ist deshalb nur<br />

mäßig erfolgreich. Werner H. ist seit dem<br />

30.5.2011 arbeitsunfähig krank und kann bis<br />

heute nicht schmerzfrei gehen. Der Hüftgelenkhersteller<br />

hat die Prothese inzwischen<br />

vom Markt genommen, da es insgesamt<br />

über 1.200 ähnliche Fälle gibt. Auch gegen<br />

die Klinikärzte wird derzeit ermittelt, weil<br />

sie die Hüftgelenke noch implantiert haben,<br />

obwohl sie seit mehr als zwei Jahren wuss -<br />

ten, dass dieses Prothesenmodell Probleme<br />

bereitet. Für Werner H. bringt das wenig,<br />

denn er muss jetzt vor allem darum kämpfen,<br />

wieder in seinen Job als Briefzusteller<br />

zu finden. „Mit der Wiedereingliederung<br />

habe ich im März begonnen, aber von einem<br />

Achtstundentag kann ich momentan<br />

nur träumen. Dabei muss ich mindestens<br />

noch 10 Jahre arbeiten, um einmal eine<br />

Rente zu erhalten, von der ich auch leben<br />

kann”, sagt der verzweifelte Patient.<br />

* Quelle: Welt Online, 23.01.2012 – „Riskanter Gelenkersatz“<br />

Zahlen Daten Fakten *<br />

Der hier geschilderte Fall ist kein Einzelschicksal.<br />

Insgesamt werden in Deutschland<br />

jährlich sieben Milliarden Euro für verschleißbedingte<br />

Gelenkerkrankungen ausgegeben.<br />

Vornehmlich entfällt diese Summe<br />

auf 210.000 Hüftprothesen und 175.000<br />

Knieprothesen. Im Vergleich zu anderen<br />

Ländern in Europa hält Deutschland damit<br />

einen einsamen Rekord. Doch ebenfalls rekordverdächtig<br />

ist die Zahl der Patienten,<br />

die nach nur zwei bis drei Jahren mit diesen<br />

Prothesen wieder auf dem Operationstisch<br />

landen, weil die ihnen eingesetzten Produkte<br />

Mängel aufweisen, mit den körpereigenen<br />

Substanzen nicht harmonieren oder<br />

sich – aus welchen Gründen auch immer –<br />

gelockert haben und so beim Patienten<br />

mehr Probleme verursachen als das vormals<br />

schmerzende Originalteil.<br />

Normalerweise soll die Haltbarkeit der Implantate<br />

zwischen 10 und 15 Jahren betragen,<br />

doch bei 3,3 Prozent aller Hüftendoprothesen<br />

und bei 6,5 Prozent aller Knieprothesen<br />

kommt es nach bereits zwei Jahren<br />

zu einem Wechseleingriff. Geht man<br />

von den oben genannten Operationen aus,<br />

sind das in absoluten Zahlen jährlich 6.300<br />

Hüftprothesen und 11.375 Knieprothesen,<br />

die getauscht werden müssen, weil sie bereits<br />

nach zwei Jahren schadhaft sind.<br />

Von menschlichem Leid<br />

und Folgekosten<br />

Wer bereits eine Hüftoperation hinter sich<br />

hat, weiß, dass es keine einfache Sache ist.<br />

Der Eingriff dauert mehrere Stunden,<br />

stresst den Körper in erheblichem Maße<br />

und erfordert alles in allem eine Heilungszeit<br />

von mindestens sechs Wochen bis man<br />

halbwegs wieder auf seinen zwei Beinen<br />

stehen und gehen kann. Immer unter der<br />

Vor aussetzung, dass alles gut geht, denn<br />

das Operationsrisiko ist nicht gering. Eine<br />

Zweitoperation an der gleichen Hüfte ist ungleich<br />

schwieriger und gefährlicher, weil der<br />

Knochen erheblich dünner geworden ist,<br />

Narbengewebe die Operation behindern<br />

kann und sich die Prothese dadurch noch<br />

schwieriger millimetergenau platzieren<br />

lässt. Kurz: Menschen, denen ein solches<br />

Schicksal droht, sind ernsthaft zu bedauern.<br />

Und wie steht es mit dem finanziellen Schaden<br />

für das Gesundheitssystem? In der<br />

Regel übernehmen die Krankenkassen die<br />

Kosten der Folgeoperation. – Und in den<br />

meis ten Fällen bleiben sie auch darauf sit-<br />

MEDIZINPRODUKTE AUF DEM PRÜFSTAND � IM FOKUS<br />

zen. Es ist zwar richtig, dass bei einem<br />

nachgewiesenen Fehler an der Prothese<br />

der Hersteller haftbar gemacht werden<br />

kann, aber oft lässt sich ein solcher Fehler<br />

nicht eindeutig nachweisen – was die Hersteller<br />

dann zu ihren Gunsten nutzen und<br />

jede Produkthaftung ablehnen. Nur in den<br />

Fällen, in denen eindeutig nachgewiesen<br />

werden kann, dass es wirklich ein Materialfehler<br />

ist, können Krankenkassen meist mit<br />

einer Pauschalzahlung des Herstellers für<br />

die Wechseloperation rechnen.<br />

Bei der zweiten Möglichkeit, nämlich einem<br />

Fehler des Operateurs, bleibt die Kasse ohnehin<br />

auf den Kosten sitzen, denn diesen<br />

nachzuweisen, ist beinahe aussichtslos, da<br />

man auch kaum darauf setzen kann, dass<br />

der Operateur einen Fehler zugeben würde.<br />

Zumal der Arzt mit dem Patienten nur einen<br />

Vertrag über die Erbringung einer Operationsleistung<br />

schließt, nicht aber darüber,<br />

wie gut diese Leistung sein muss.<br />

Qualitätskontrolle erwünscht<br />

Wegen der hohen Zahl an Wechseloperationen<br />

nach nur wenigen Jahren, fordern Experten<br />

auch für Deutschland seit geraumer<br />

Zeit ein Endoprothesenregister, das es in<br />

vielen unserer Nachbarländer schon lange<br />

gibt. In ihm werden alle Operationen gelis -<br />

tet und genau festgehalten, welcher Ope -<br />

rateur und welches Prothesenmodell zum<br />

Einsatz gekommen sind. In Schweden konnte<br />

durch ein 1979 eingeführtes Register,<br />

das Aussagen zu Produktqualität, Operationstechniken<br />

und Begleitkomplikationen<br />

der unterschiedlichsten Art liefert, die Zahl<br />

der Wechseloperationen um die Hälfte gesenkt<br />

werden – zum Wohle der Patienten<br />

und der finanziellen Situation des Gesundheitssystems.<br />

In Deutschland scheint sich<br />

Foto:<br />

Dan Race<br />

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