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Wunsch_2012 - Das Lebendige bei Heidegger - Philosophie

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weltbildend (<strong>Heidegger</strong>) ist. <strong>Das</strong>s es Bestimmungen gibt, die den Zugang des Menschen zuSeiendem als einen welthaften auszeichnen und den Zugang der Tiere nicht erfassen, impliziertnicht, dass sie dieser Bestimmungen beraubt sind oder entbehren, sondern nur ihr Nicht-Haben von Welt. Der Umweltgedanke ermöglicht es also, den Tieren einen Zugang zu Seiendemzuzusprechen und zugleich daran festzuhalten, dass sie keine Welt haben. 17Wenn man also die Rede von der Weltarmut des Tiers aufgreifen möchte und das Tiervom Stein einerseits und vom Menschen andererseits in ihren jeweiligen Verhältnissen zurWelt voneinander abgrenzen möchte, ist weder in dem einen noch in dem anderen Fall einestreng privative Bestimmung der Weltarmut erforderlich. <strong>Das</strong>s <strong>Heidegger</strong> sich gleichwohl fürdie strikte Privationsbestimmung von „Weltarmut“ entscheidet, muss also, wenn es überhauptbegründet ist, andere Gründe haben.Vielleicht lassen sich solche Gründe in dem schon erwähnten Kapitel finden, das dieausführliche Wesensaufklärung der Weltarmut des Tiers enthält (GA 29/30, 295-388). <strong>Heidegger</strong>versucht dort in den meines Erachtens fruchtbarsten Überlegungen seiner Vorlesung,das „Grundwesen des Organismus“, die „Wesensstruktur des Tieres“ unter dem Titel „Benommenheit“herauszuar<strong>bei</strong>ten (ebd., 376, 347). Den Hintergrund bildet da<strong>bei</strong> die Rede vomSichbenehmen des Tieres, die <strong>Heidegger</strong> der vom Sichverhalten des Menschen kontrastiert.„<strong>Das</strong> Benehmen des Tieres ist nicht ein Tun und Handeln, wie das Verhalten des Menschen,sondern ein Treiben“ (ebd., 346). Mit dem Treiben des Tiers – seinem Sehen, Hören, Jagen,Greifen etc. – geht keinerlei Distanznahme oder Feststellen einher; in seinem Treiben ist eszwar auch auf etwas bezogen, aber nur in der Weise, dass es davon bzw. durch es „hingenommen“oder „benommen“ ist (ebd., 352-4). <strong>Das</strong> Benommensein ist <strong>Heidegger</strong> zufolge nichtbloß ein temporärer Zustand des Tiers, sondern struktureller Art. Jedes einzelne Benommensein,<strong>bei</strong>spielsweise das Saugen einer Biene, wird, wenn es gehemmt oder abgebrochen wird,prinzipiell durch ein weiteres Benommensein ersetzt, etwa das Zurückfliegen in den Bienenstock.„<strong>Das</strong> Treiben hört nicht einfach auf, sondern die Getriebenheit des Befähigtseins wirdumgesteuert in einen anderen Trieb.“ (Ebd., 353)17Bei G. Agamben werden die skizzierten Zusammenhänge nicht ganz klar. Er sieht zwar richtig, dass die„animalische Umwelt“ mit <strong>Heidegger</strong> als „offen, aber nicht offenbar“ bestimmt werden kann, fügtseltsamerweise aber hinzu, dass das Seiende dem Tier „nicht zugänglich“ sei (Agamben 2003, 63), obwohl<strong>Heidegger</strong> an verschiedenen Stellen explizit das Gegenteil behauptet (GA 29/30, 292, 299, 390). Vonsolchen Kleinigkeiten abgesehen, fällt vor allem auf, dass es Agamben nicht für erforderlich hält, zu<strong>Heidegger</strong>s These, das Tier sei weltarm im Sinne von weltentbehrend, verteidigend oder problematisierendStellung zu nehmen. Er gibt auch nicht zu erkennen, dass er ihre Tragweite richtig einschätzt, wenn ererklärt, die Weltarmut werde durch die „Öffnung ohne Offenbarung definiert“ (Agamben 2003, 63; Hvh. v.mir, M. W.). Der sachlich interessante Beitrag, den Agamben zu <strong>Heidegger</strong>s Vorlesung liefert, betrifft dieFrage des Verhältnisses zwischen menschlicher Langeweile und tierischer Benommenheit (siehe insbes.ebd., 70 f., 77), liegt damit aber thematisch nicht innerhalb der hier verfolgten Problemstellung.13

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