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Wunsch_2012 - Das Lebendige bei Heidegger - Philosophie

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Um das zu verdeutlichen, ist es hilfreich auf Aristoteles’ Privationsbegriff („stæresiV“)zurückzugehen 14 und mindestens zweierlei zu unterscheiden: Erstens lässt sich in jedem Falldes Fehlens von etwas an etwas von Privation sprechen; so kann man Aristoteles zufolge einerPflanze eine Privation der Augen zuschreiben – sie hat keine Augen. Zweitens lässt sichauch in einem engeren Sinn von Privation sprechen, „wenn etwas, das seiner Natur nach etwashaben kann […], es nicht hat“. In diesem Sinn lässt sich keiner Pflanze eine Privation desSehens zuschreiben, aber <strong>bei</strong>spielsweise einem blinden Menschen oder einem Maulwurf. Indas semantische Feld von „Privation“ fällt die Rede von der gewaltsamen Wegnahme oderBeraubung. Sie kann jedoch nur für Fälle der Verwendung des engeren Privationsbegriffssinnvoll sein. Pflanzen können nicht der Augen beraubt sein, Menschen des Augenlichtsschon.Vor diesem begrifflichen Hintergrund könnte es sich <strong>bei</strong> der Weltarmut von Tieren inzweierlei Sinn um eine Privation der Welt handeln. In <strong>bei</strong>den Fällen wäre Welt, was Tierenicht haben; doch während sie in der ersten Variante ihrer Natur nach Welt haben können, istdies in der zweiten Variante ausgeschlossen. <strong>Heidegger</strong> konzipiert den privativen Charakterder Weltarmut entlang der ersten Variante, weil er die Tiere so darstellt, als seien sie der Weltgewissermaßen beraubt. Deutlich wird dies in den Ausgangsbestimmungen, die für sein Weltarmutskonzeptzentral sind: „Armsein heißt Entbehren“ und „Weltarmut ist ein Entbehren vonWelt“ (GA 29/30, 287, 289). Denn entbehrt werden kann offenbar nur dort etwas, wo grundsätzlichein entsprechendes Haben möglich ist. <strong>Heidegger</strong> stimmt dem ausdrücklich zu, indemer von „Armut (Entbehren) als Nichthaben im Habenkönnen“ spricht (ebd., 307).Welche Konsequenzen zieht <strong>Heidegger</strong> daraus für sein Vorgehen in der Aufklärung undBegründung der These, dass das Tier weltarm ist? Oder systematischer gefragt: Welche Konsequenzenmüsste er ziehen? In dem skizzierten Horizont sind grundsätzlich zwei Weisen desVorgehens möglich: <strong>Das</strong>s das Tier weltarm ist, ließe sich (i) vom Wesen des Tiers selbst heroder (ii) vom Menschen und seiner wesentlichen Bestimmung, weltbildend zu sein, her verdeutlichen.Nicht im ersten, sondern nur im zweiten Fall verfolgte man, was sich am bestenals eine ‚privative Methode‘ bezeichnen lässt. Der entscheidende Zusammenhang zwischender mit Aristoteles getroffenen Unterscheidung verschiedener Privationsbegriffe und demKonzept der privativen Methode besteht nun darin, dass die Verdeutlichung eines engerenPrivationsbegriffs, näherhin eines solchen, in Bezug auf den die Rede von Beraubung sinnvollist, eine privative Methode verlangt. Begriffe, die in einem weniger strikten Sinn privativeBestimmungen sind, müssen demgegenüber nicht durch eine privative Methode verdeutlicht14Zum Folgenden vgl. Aristoteles, Metaphysik, 1022 b 22 ff.9

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