WIEDERAUFBAU UND WIRTSCHAFTSWUNDER - Der Kessener
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Panorama<br />
Verspielte Chancen<br />
Projekt artGERECHT thematisiert die Lebenssituation<br />
wohnungsloser Menschen<br />
„Damit hab ich abgeschlossen“, lächelt Klaus Fröhlich bitter.<br />
Harte Jahre liegen hinter dem 52-jährigen Mann. Jahre in einem<br />
maroden Haus in Randersacker, in dem kein Wasser fließt und<br />
winters keine Heizung surrt. Dutzende Wohnungen hat sich der<br />
gelernte Koch in den letzten Jahren angeschaut. Kein Vermieter<br />
nahm ihn, den Sozialhilfeempfänger. Jetzt hat er die Suche aufgegeben.<br />
Hat sich arrangiert. Mit seiner ungemütlichen Behausung.<br />
Seiner anhaltenden Arbeitslosigkeit. Seiner Armut.<br />
Menschen wie Klaus Fröhlich werden allzu leicht als „die<br />
Penner von der Straße“ abgetan. Wobei man dem groß<br />
gewachsenen, sympathischen Mann aus Randersacker<br />
anders als vielen anderen Menschen in ähnlicher Situation<br />
nicht ansieht, dass er von der Hand in den Mund<br />
leben muss. Klaus Fröhlich schaut gesund und zuversichtlich<br />
aus. Er hält sich auch fit. Radelt täglich nach<br />
Würzburg, um billige Lebensmittel zu organisieren. Oft<br />
besucht er auch die Würzburger Wärmestube, wo es Tee<br />
umsonst gibt. Dort lernte er Barbara Stehmann kennen.<br />
Die Sozialpädagogin will durch ein Kunstprojekt auf<br />
Menschen wie Klaus Fröhlich aufmerksam machen. Will<br />
via Kunst erklären, wer die sind, die auf den Bürgersteigen<br />
sitzen und betteln. Warum sie dort landeten.<br />
„artGERECHT“ lautet der provokante Titel ihres Projekts.<br />
Er erinnert an Tierhaltung. Womit er in gewisser Weise<br />
ins Herz des Projektanliegens trifft. Laut Stehmann darf<br />
es nicht allein darum gehen, Menschen, die keine Wohnung<br />
haben oder, wie Fröhlich, in erbärmlichen Unterkünften<br />
hausen, mit dem Nötigsten zu versorgen. Wie<br />
man es mit Tieren tut. Gerechtigkeit bedeutet mehr.<br />
Bedeutet, Ausgrenzung zu stoppen. Arme Menschen<br />
mit ihren Fähigkeiten, ihren besonderen Erfahrungen<br />
Bio Café<br />
4 <strong>Der</strong> <strong>Kessener</strong> 03/2009<br />
Ihre Würzburger Biobäckerei!<br />
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Feiertagen von 8–17 Uhr geöffnet. Bei einer guten Tasse<br />
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Alte Mainbrücke, Semmelstraße 33<br />
Arndtstraße 14 und<br />
Am Schloss 2/Rottenbauer, Tel. 884914<br />
Dorette Riedel (links) zeigt Klaus Fröhlich, wie er den<br />
Speckstein bearbeiten kann. Rechts Barbara Stehmann, Leiterin<br />
des Projekts artGERECHT. Foto: Pat Christ<br />
wieder zurückzuholen hinein in die Gesellschaft.<br />
Wer einmal durch einen Schicksalsschlag Chancen verspielte,<br />
erfuhr Klaus Fröhlich in seinen letzten Lebensjahren,<br />
wird sukzessive und oft in immer rascherem<br />
Tempo um weitere Chancen gebracht. Am Anfang von<br />
Fröhlichs gesellschaftlicher Abwärtsspirale stand, wie<br />
bei so vielen, die Scheidung von seiner Frau. Als Folge<br />
davon verlor Fröhlich alles: Die Wohnung. Die Arbeitsstelle.<br />
Schließlich auch seine Freunde. Was kann man<br />
abends schon mit einem chronisch klammen Hartz IV-<br />
Empfänger unternehmen.<br />
Klaus Fröhlich, ein höchst kreativer Mensch, der sich in<br />
etlichen Jobs bewährt hat, kann nicht einmal aus eigener<br />
Kraft seine Erlebnisse künstlerisch verarbeiten. Woher<br />
das Geld für Material nehmen. Gern hätte er sich,<br />
als er sah, dass auch das Jobcenter „nichts tut“, um seine<br />
Arbeitslosigkeit zu beenden, freiwillig sozial engagiert.<br />
Doch auch auf diesem Feld kam er nirgends rein: „Die<br />
Menschen, die in sozialen Einrichtungen und Altenheimen<br />
mithelfen, das sind alles Leute mit Geld“, stellte<br />
Klaus Fröhlich fest. Menschen, denen es Vergnügen<br />
macht, sich in ihrer Freizeit um andere zu kümmern. Andere<br />
zu versorgen. Und dadurch, ohne sich das bewusst<br />
zu machen, Armut und Ausgrenzung zu stabilisieren.<br />
„Ich nehme Menschen, die auf der Straße sitzen, seit<br />
langem wahr. Hatte jedoch nie versucht, mit ihnen in<br />
Kontakt zu kommen“, sagt Dorette Riedel. Die Künstlerin<br />
und Frontfrau des Berufsverbandes Bildender Künstler<br />
(BBK) in Würzburg war von Beginn angetan von<br />
Barbara Stehmanns Idee, Künstler und Wohnungslose<br />
zusammenzubringen und in gemeinsamen, anspruchsvollen<br />
Kunstprojekten auf die Lebenssituation der<br />
„Penner“ aufmerksam zu machen. Seit kurzem arbeitet<br />
Dorette Riedel zusammen mit Menschen in schwierigen<br />
Wohnverhältnissen oder ohne Wohnung mitten in der<br />
City in einem Bauwagen an Kunstwerken. Außerdem<br />
startete sie ein „Tandem-Projekt“.<br />
Diese Tandem-Projekte bilden das Herzstück von art-<br />
GERECHT. Jeweils ein Künstler und ein Wohnungsloser<br />
tun sich zusammen, um gemeinsam ein Kunstwerk zu<br />
schaffen. Vom 27. November bis 20. Dezember wird, was<br />
dabei herauskommt, unter der Überschrift „Armut und<br />
Anmut“ in der BBK-Galerie ausgestellt. Zuvor gibt es die<br />
Möglichkeit, bei einem alternativen Stadtrundgang unter<br />
dem Motto „Blick-Wechsel“ mit Franziskanerbruder<br />
Tobias Würzburg „von unten“ kennen zu lernen. Die<br />
Führungen finden am 29. Juli, 15. August und 19. September<br />
jeweils um 16 Uhr statt.<br />
Pat Christ<br />
E-Mail: info@air4you.de<br />
Telefon: 0700 - 555 0 44 88*<br />
*(6,2 - 12,4 cent pro Minute, Mobilfunk evtl. abweichend)