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Der Originalbegriff im Zeitalter virtueller Welten - Medienwissenschaft

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andersetzen. Nicht nur, dass er der Meinung war, hiermit eine distanziertere Betrachtung<br />

zur Verfügung zu haben, sondern als er Jahre später persönlich in Rom weilt, erwähnt er<br />

in seinem Notizbuch mit keinem Wort einen Besuch des Originals <strong>im</strong> Vatikan, ist damit<br />

das Original (das archäologische Fundobjekt) zum Hilfsmittel der Forschung verkommen,<br />

das nur noch für die an den Quellen Interessierten bereitgehalten wird? Wobei gerade das<br />

Veto-Recht der Quellen (Reinhart Koselleck) als Original-analoge Autorität nicht durch das<br />

Artefakt selbst, sondern seine Einbettung in eine garantierende Infrastruktur - etwa das<br />

prüfende Archiv - aufrechterhalten wird.71 Befreien wir die materiellen Objekte vom Diskurs<br />

des Originals, der ja in dieser Form erst seit 200 Jahren figuriert. Was übrig bleibt,<br />

ist ein eher natur- denn geisteswissenschaftlicher Blick auf das, was übrigblieb, das Relikt,<br />

den Überrest (<strong>im</strong> Sinne Johann Gustav Droysens).<br />

Technik und Original: Von der Reproduktion zum Raster<br />

Begriffe wie Originalität formierten sich erst in der Aufklärung, als sich das moderne System<br />

der schönen Künste um den Preis der Abspaltung von den mechanischen Künsten<br />

herausbildet - eine Spaltung von idealistisch subl<strong>im</strong>ierter Ästhetik und sinnlicher - jetzt<br />

signaltechnisch fassbarer - aisthesis, die erst unter dem Stichwort Medienkunst wieder<br />

rückgekoppelt wird: „Tendenziell ausdifferenzierte und gegeneinander abgeblendete<br />

Wahmehmungssphären von Wort, Bild und Ton bilden neue Formen der Mult<strong>im</strong>edialität" 72<br />

- tatsächlich aber in einem Medium, nämlich <strong>im</strong> rechnenden Raum, konvergierend. So<br />

dass der Gegenbegriff zum Original nicht länger die Reproduktion oder Kopie ist, sondern<br />

das Aufrastern, das digitale Herunterbrechen der Vorlage in diskrete kleinste binär kodierbare<br />

Einheiten - ein Verfahren der nicht mehr arbiträren, sondern strikt relationalen<br />

Beziehungen zwischen Punkten der Vorlage und des Abbilds, die mit Kopiermaschinen <strong>im</strong><br />

19. Jahrhundert vorbereitet wurde. Rodins reproducteurs etwa befasste sich - so sein<br />

Briefkopf - mit der Verkleinerung und Vergrößerung von „Kunst- und Industriegegenständen"<br />

durch ein „mathematisch perfektioniertes Verfahren", mit Hilfe einer „speziellen<br />

Maschine", die „Editionen" von diesen „Duplikaten" angefertigt 73 ; Rodin seinerseits erkannte<br />

nur Bronzeabgüsse als authentisch an, die er autorisiert hatte. 74<br />

Unsere Originalitäts- und Authentizitätskonzepte treffen auf Reproduktions- und S<strong>im</strong>ulationsmedien,<br />

die unser begriffliches Geschichtsbewußtsein herausfordern. So<br />

stellt sich die Frage, inwieweit die überlieferten Begriffe der gegenwärtigen Problemlage<br />

genügen. 75<br />

Denn die technische Reproduktion bricht mit der Kulturtechnik der Überlieferung<br />

selbst: Die Reproduktionstechnik löst das Reproduzierte aus dem Bereich der Tradition<br />

ab. Indem sie die Reproduktion vervielfältigt, setzt sie an die Stelle eines einmaligen<br />

Vorkommens sein massenweises 76 - womit das pattern / Raster, <strong>im</strong> Sinne von Rosalind<br />

Krauss, an die Stelle der Historizität tritt, was die Künstler nicht zur Originalität, sondern<br />

zur Wiederholung treibt. In der Malerei treten das Raster der Leinwand und das auf sie<br />

aufgetragene gemalte Raster auseinander: „Das Raster legt also die Fläche nicht frei,<br />

deckt sie nicht auf, sondern verbirgt sie vielmehr durch eine Wiederholung" 77 - ein an-archäologischer<br />

Akt.<br />

-65-

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