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Der Originalbegriff im Zeitalter virtueller Welten - Medienwissenschaft

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einer Konstellation blitzhaft zusammenkommen. Dieser Blitz heisst Strom, und in ihm verflüssigt<br />

sich das einstige Original.<br />

Originale, die auf Zeit basieren<br />

Was bedeutet die Allianz von Fotografie und <strong>Originalbegriff</strong> <strong>im</strong> Unterschied zum zeitbasierten<br />

technischen Bild? Das Archiv ist das Dispositiv der Fotografie, <strong>im</strong> Unterschied zum<br />

technischen (Fernseh-)Bild, das nicht auf Speicherung, sondern auf Übertragung, auf Sendung<br />

hin angelegt ist. Fotografie oszilliert zwischen juridisch-historischem Dokument und<br />

medienarchäologischem Monument: Aufgrund ihrer optiko-chemischen Genese kann die<br />

Fotografie die „Dagewesenheit" eines abgebildeten Gegenstandes bezeugen, aber auch<br />

das aktuellste Foto erreicht niemals die Gegenwart: Die Zeit der Fotografie ist die <strong>im</strong>mer<br />

bereits vergangene Zeit der Belichtung, die zudem nur einen ganz best<strong>im</strong>mten Moment<br />

(so kurz oder lang er sein mag) isoliert und fixiert - und ihn dadurch unweigerlich zum<br />

entscheidenden, bedeutungsvollen erhebt. 116<br />

An die Stelle des auratischen hie et nunc <strong>im</strong> Sinne Benjamins tritt bei der Fotografie<br />

die neue Kategorie der Raum-Zeitlichkeit: örtlich unmittelbar und zeitlich vorhergehend,<br />

das So war es also. „Damit besitzen wir eine Realität, vor der wir geschützt<br />

sind" - wie durch den Monitor. 117 Demgegenüber heisst die live-Übertragung <strong>im</strong> Fernsehen<br />

die zeitliche Unmittelbarkeit und räumliche Andersheit (ein alibi). Dabei wird, genau<br />

und damit den live-Effekt jenseits der Ebene menschlicher, also träger, inerter Wahrnehmung<br />

betrachtend, das „Vorbild" des Fernsehbildes sukzessive abgetastet, beruht also<br />

nicht auf einem instantanen Moment (Standbild in Foto und Film), sondern auf einem<br />

zeitbasierten, transitorischen Prozess. Es ist damit nicht feststellbar und befindet sich in<br />

ständigem Entzug wie die Gegenwart selbst 118 - ein aus Filmwahrnehmung (24<br />

Bilder/Sek.) und <strong>im</strong> Grunde schon vom Lesen her - diskrete Lettern, die in der Lesung zu<br />

Worten sich formen - vertrautes Wahrnehmungsphänomen.<br />

Dies ist die Kehrseite einer Münze, die mit dem Genre von Kunst-Performances ins<br />

Spiel kam: daß diese zwar durch Videoaufzeichnung dokumentiert werden können, aber<br />

<strong>im</strong>mer nur als die singulare Version <strong>im</strong> Unterschied zu späteren Varianten.<br />

Wenn in technischen Medien das Gespeicherte auch übertragbar ist, wird der <strong>Originalbegriff</strong><br />

radikal verzeitlicht, diskretisiert - Originale auf Zeit. Das gilt für die Zeitmaschine<br />

Videorecorder gerade auf der medienarchäologisch untersten Ebene, denn er speichert<br />

den Bewegungsfluss von Fernsehsignalen und damit discrete moments in t<strong>im</strong>e, einzigartige,<br />

punktförmige Zeit-Momente: Reproduktion (in) der Zeit. In der techisch induzierten<br />

kulturellen Akzentverschiebung von der Speicherung zur Übertragung geht Kommunikation,<br />

einmal geäußert, damit <strong>im</strong>mer schon in der Sendung auch verloren: Wo noch<br />

Schriftlichkeit herrscht, erfolgt sie kaum noch auf ununterbrochenem direkten Wege, sondern<br />

das Original wird umgewandelt, überwindet den Raum als elektronisches Signal und<br />

wird erst be<strong>im</strong> Empfänger wieder restitutiert. Es entsteht gewissermaßen eine Fernkopie,<br />

der wesentliche Qualitäten der ursprünglichen Vorlage fehlen. 119<br />

Wie nun kann das Aufzeichnungs- und Wiedergabemedium Video an den Diskurs<br />

des Originals gekoppelt werden, wenn sein Wesen - <strong>im</strong> Unterschied zum (scheinbar) reinen<br />

Sendemedium Fernsehen - gerade darin besteht, Bilder zwischenzuspeichem,<br />

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