Der Originalbegriff im Zeitalter virtueller Welten - Medienwissenschaft
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geht es glaube ich. Alles was diskutiert worden ist auf den unterschiedlichen Ebenen,<br />
Wolfgang Ernst hat es am Schluss mit dem Begriff „Originalität auf Zeit" auf den Punkt<br />
gebracht, läuft darauf hinaus, dass diese neuen Prozesse und Werke nur in einem sehr<br />
kurzen Moment Original sein können. Sie werden sozusagen durch eine best<strong>im</strong>mte Performance<br />
oder, um den Begriff von Jochen Gerz noch einmal mit aufzugreifen, durch eine<br />
best<strong>im</strong>mte interpretierende Reproduktion originell. Wir müssen alles daransetzen, diese<br />
Art von Originalität produktiv ins Spiel zu bringen und uns vergegenwärtigen, was das<br />
heißt. Ich möchte einen wirklich wichtigen Punkt weltanschaulicher, philosophischer Art<br />
in die Diskussion bringen. Das Problem mit der Originalität haben die bildenden Künste<br />
<strong>im</strong> weitesten Sinne viel zu spät entdeckt. Die Physiker, die wohl am härtesten mit der materiellen<br />
Realität zu tun haben, haben sich längst von der einen Realität verabschiedet.<br />
Spätestens seit den 50er Jahren - Everetts berühmtester Text über die „many worlds",<br />
über die vielen <strong>Welten</strong> die existieren, hat es deutlich gemacht. Für die Physiker gibt es<br />
nicht eine einzige originale Welt. Nur die bildenden Künstler glauben aus Gründen, die<br />
wesentlich mit dem Markt, mit der Geschichte und mit konservativen Kunsthistorikern<br />
und Kritikern zu tun haben, noch <strong>im</strong>mer an diese eine Welt, die mit objektiven Maßstäben<br />
zu messen ist. Das scheint mir die Crux der ganzen Geschichte zu sein. Man muss<br />
sich auch vergegenwärtigen, dass diejenigen Künstler und Künstlerinnen, die mit Medien<br />
arbeiten, am wenigsten aus der Tradition der bildenden und der skulpturalen Künste<br />
kommen, sondern viel stärker aus der Performance , aus den performanten Künsten und<br />
aus der Musik. Von daher haben sie mit zeitbasierten Prozessen und Künsten viel mehr<br />
zu tun. Das halte ich für einen enorm wichtigen Punkt, ich finde diejenigen Künstler und<br />
Künstlerinnen am originellsten, die in diesem Bereich der Kunst mit und durch Medien<br />
arbeiten. Das sind die Künstler, die diesen Hintergrund haben und nicht diejenigen, die<br />
sozusagen ,expanded-painting' oder .expanded sculpturing' gemacht haben. Das sind für<br />
mich die Langweiligsten, aber die sind natürlich auch <strong>im</strong> Museum am besten aufgehoben.<br />
Axel Wirths: Danke, Siegfried Zielinski, das war ein ganz interessanter Schlenker zur<br />
Performance, die schließlich Hand in Hand geht mit dem Originalitätsbegriff des Augenblicks.<br />
Das ist schon eine sehr poetische Definition des <strong>Originalbegriff</strong>s, weshalb ich eher<br />
darauf verzichten würde. Man kann auch sagen, gut es gibt hunderttausend parallele Universen,<br />
die alle Original sind. Das ist vielleicht die richtige Art und Weise, zumal wir heute<br />
auch in Erfahrung gebracht haben, dass es sehr stark davon abhängig ist, welche Hardware<br />
benutzt wird, welche Raumsituation vorhanden ist und wie das technische und das<br />
Bedienungspersonal geschult sind.<br />
Wolfgang Ernst: Zwischen den analogen Bildmedien und dem digitalen Raum besteht<br />
ein ganz fundamentaler Unterschied. Jeder Bildpunkt <strong>im</strong> analogen Raum hat noch<br />
den Charakter eines Index <strong>im</strong> Sinne, da er <strong>im</strong> Grunde noch verwandt ist mit der Fotografie.<br />
Er verweist auf einen Lichtpunkt <strong>im</strong> Außenraum, dessen Übersetzung er ist. Jedes<br />
elektronische Bild hat quasi noch einen Berührungskontakt mit Lichtquellen außerhalb<br />
des Mediums, während <strong>im</strong> digitalen Raum oder <strong>im</strong> virtuellen Raum Dinge existieren, die<br />
nirgendwo existieren als <strong>im</strong> elektronischen Raum selbst. Das unterscheidet ja den Begriff<br />
des virtuellen auch von anderen Begriffen, so dass ein Bildpunkt auf einem Radarbild<br />
etwa noch mit der Außenwelt taktile Berührung hat, während <strong>im</strong> digitalen Raum ein Pixel<br />
nur noch aus purer Rechnung besteht. In dem Moment, in dem Dinge nur noch aus purer<br />
Rechnung entstehen, haben sie diesen Charakter verloren und damit auch den Kon-<br />
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