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Der Originalbegriff im Zeitalter virtueller Welten - Medienwissenschaft

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dien sind - erstmals mit dem Film (und vormals mit der Phonographie) - solche, deren<br />

Reproduzierbarkeit unmittelbar in der Technik ihrer Produktion begründet liegt - Medium<br />

und arche. „Das reproduzierte Kunstwerk wird in <strong>im</strong>mer steigendem Maße die Reproduktion<br />

eines auf Reproduzierbarkeit angelegten Kunstwerks" 84 , und <strong>im</strong> sprachlichen Suffix<br />

des Begriffes der Reproduzierbarkeit nistet - einem Gedanken Samuel Webers folgend 85<br />

- schon das virtuelle Wesen der technischen Medien. Welchen Wahrheitsgehalt haben<br />

technische Reproduktionen gegenüber dem Original?<br />

So wenig wie ein falsche Ergebnisse liefernder Rechner die physikalischen Gesetzte<br />

der Maschine falsifiziert, so wenig falsifizieren semantische Fehler in der archäologischen<br />

Kopie des Schriftsteines geometrische Aussagen über den Vergleich<br />

von Original und Kopie. analog folgt aus einer geometrisch zutreffenden Beschreibung<br />

von Original und Kopie nicht, daß die Kopie semantisch fehlerfrei ist. 86<br />

Benjamin zufolge zeichnet sich das Original durch seine Übersetzbarkeit aus; es besteht<br />

ein relationales Verhältnis (innig) zwischen Original und Übersetzung, als ob das<br />

Original von Natur aus nach Übersetzung verlange: „Übersetzbarkeit eignet gewissen<br />

Werken wesentlich." 87 Wobei mit Relationsbegriff bei Benjamin gerade nicht ein interpretatives,<br />

sondern relational-formales Verhältnis zwischen Übersetzung und Original gemeint<br />

ist - ein Verhältnis, das damit auch <strong>im</strong> Sinne des technischen Übertragungsbegriffs<br />

formalisierbar wäre (<strong>im</strong> Sinne der Mathematischen Theorie der Information von Shannon<br />

/ Weaver 88 ). Wobei Video dieses reale Verhältnis technisch, nicht symbolisch kodiert, und<br />

<strong>im</strong> digitalen Raum die Differenz von Original und (technischer Signal-)Übersetzung / -<br />

Übertragung vollends fortfällt. Die Wahrheit ist für Benjamin eine gegebene - <strong>im</strong> technischen<br />

Raum heissen diese Gegebenheiten Daten. In jedem Fall zeitbasierte Prozesse: „legibility,<br />

like translatability, occurs only with t<strong>im</strong>e". 89 Lässt sich analog formulieren, daß Video<br />

die speicherbasierte Wiedergabe eines auf Aufzeichnung angelegten Bilds ist?<br />

Prinzipielle technische Funktion des Videorekorders ist es, Fernsehsignale zu speichern,<br />

indem er deren Frequenzen in elektromagnetische Impulse umwandelt, diese vermittels<br />

eines oder mehrerer Magnetköpfe auf ein Magnetband aufschreibt, sie für die Reproduktion<br />

abliest und wiederum in Form von Frequenzen zum Empfangsgerät weiterleitet.<br />

90<br />

Für Fernsehen als live-Medium galt gerade das lange Zeit nicht, sondern <strong>im</strong> Wesen<br />

seiner Signale liegt die Verausgabung.<br />

Die Rückkehr der Aura (hinter dem Rücken der Technik)<br />

Obgleich Walter Benjamin dem reproduzierbaren Medium Fotografie die Aura des Originals<br />

absprach, gelingt es dem Fotokünstler Hiroshi Sug<strong>im</strong>oto, mit seiner Serie Portraits<br />

an das anzuknüpfen, was die Funktion der effigies schon vor dem Hintergrund der von<br />

Ernst H. Kantorowicz beschriebenen Rechtsfiktion der zwei Körper des Königs in der englischen<br />

Renaissance war. In Madame Tussauds Londoner Wachsfigurenkabinett nahm er<br />

nämlich die Figuren britischer Königsfamilien dergestalt auf, dass sie eher zu deren posthumer<br />

„Realitätsaufladung" denn zu ihrer Erstarrung als Medien der Vergänglichkeit führen.<br />

91 Gerade an der Schwelle zum Digitalen erfahren die analogen Künste (Malerei) und<br />

Medien (Fotografie) eine Restitution:<br />

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