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unterwegs - immerda.ch

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S T O P P D R E I :<br />

DEUTSCHNATIONAL UNTERWANDERTES SANATORIUM<br />

Vom Kongresshaus folgen wir der Promenade, bis sie auf Höhe der<br />

Natureisbahn na<strong>ch</strong> einer s<strong>ch</strong>arfen Re<strong>ch</strong>tskurve links in die Bahnhofstrasse<br />

von Davos Dorf überläuft. Na<strong>ch</strong> dem ersten Haus auf der<br />

re<strong>ch</strong>ten Strassenseite biegen wir in die Mühlestrasse ein, kreuzen<br />

das s<strong>ch</strong>male Bahngeleise und züngeln in einer Re<strong>ch</strong>tskurve um den<br />

Sportplatz herum. Unmittelbar na<strong>ch</strong> den Baustellen zweigt links ein<br />

Sträss<strong>ch</strong>en in den bewaldeten Hang ab. Wir folgen dem sanft ansteigenden<br />

Fahrweg, der uns zur dritten und letzten Station unserer<br />

Spurensu<strong>ch</strong>e lotst: Die «Höhenklinik Valbella». Die Tristesse dieses<br />

kargen, mittlerweile leer stehenden Gebäudekomplexes lässt einen<br />

ers<strong>ch</strong>audern. Irgendwie, so s<strong>ch</strong>eint es, haftet das s<strong>ch</strong>were Erbe no<strong>ch</strong><br />

erdrückend an diesem von di<strong>ch</strong>t gedrängten Bäumen umgebenen<br />

Ort. Nun ja, viellei<strong>ch</strong>t hängt das etwas mulmige Gefühl au<strong>ch</strong> nur mit<br />

dem «Betreten Verboten»-S<strong>ch</strong>ild in der Einfahrt zusammen, das das<br />

verlassene Gebäude vor ungebetenen Gästen s<strong>ch</strong>ützen soll. Ein Umbau<br />

in den 1950er-Jahren verpasste der einst stilhaften Klinik den<br />

Charme eines Plattenbaus. Die Bundesrepublik Deuts<strong>ch</strong>land su<strong>ch</strong>t<br />

für den klobigen Beton-Kasten seit Ende 2004 erfolglos einen Abnehmer.<br />

Was heute kaum zu veräussern ist, war na<strong>ch</strong> dem ersten Weltkrieg<br />

der Renner unter den deuts<strong>ch</strong>en Kriegsveteranen. Ob das wohl<br />

an der Führung lag? Im Vorstand des Verwaltungsrats des damaligen<br />

«Deuts<strong>ch</strong>en Kriegerkurhauses» – in dem tuberkulosekranke<br />

Veteranen unter strenger deuts<strong>ch</strong>er Aufsi<strong>ch</strong>t ihre Liegekuren absolvierten<br />

– sass immerhin au<strong>ch</strong> ein gewisser Wilhelm Gustloff. Und<br />

so war man in diesem Sanatorium als deuts<strong>ch</strong>nationaler Gast unter<br />

seinesglei<strong>ch</strong>en bestimmt gut aufgehoben. Denn Gustloff forderte von<br />

den Deuts<strong>ch</strong>en au<strong>ch</strong> in der S<strong>ch</strong>weiz ein «Heil Hitler!» zur Begrüssung,<br />

und Kurbewerber mussten im Selektionsverfahren zur Aufnahme in<br />

das «Kriegerkurhaus» ihre aris<strong>ch</strong>e Rasse belegen. Na<strong>ch</strong> diesen beklemmenden<br />

Eindrücken spult man den Weg zurück zum Bahnhof<br />

(Davos Dorf) unbewusst in etwas zügigeren S<strong>ch</strong>ritten ab.<br />

Eigentli<strong>ch</strong> fällt es s<strong>ch</strong>wer, Davos als Ausflugsziel zu propagieren. Der<br />

heilende Effekt der Höhenluft wird natürli<strong>ch</strong> teuer vermarktet und<br />

der Sanatorium-Groove weht um jede Ecke. Weder Platz no<strong>ch</strong> Dorf<br />

ist eine Augenweide. Zu dominant räkeln si<strong>ch</strong> die unzähligen ar<strong>ch</strong>itektonis<strong>ch</strong>en<br />

Bausünden am Berghang – ein Erbe des Baubooms der<br />

Na<strong>ch</strong>kriegszeit, das so vielen S<strong>ch</strong>weizer (Winter-) Tourismusorten<br />

gemein ist.<br />

Wer na<strong>ch</strong> den zwei Stunden S<strong>ch</strong>lendern genug hat von Davos,<br />

ergreift am besten die Flu<strong>ch</strong>t und steigt in eine der unzähligen überteuerten<br />

Bergbahnen. Ob Weissfluhjo<strong>ch</strong>, S<strong>ch</strong>atzalp, Riner- oder Jakobshorn<br />

– wer ho<strong>ch</strong> hinaus will, dem eröffnen si<strong>ch</strong> von Davos Platz<br />

(1540 m.ü.M.) aus in jede Himmelsri<strong>ch</strong>tung Mögli<strong>ch</strong>keiten.<br />

Beste Reisezeit: Ende Januar. Die Spuren finden si<strong>ch</strong> im Winter zwar<br />

ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong>er, aber dafür bietet der Kurort um diese Zeit definitiv<br />

am meisten Action. Skibrille und Protestmaterial einpacken<br />

und guten Mutes aufbre<strong>ch</strong>en, die WEF-Festung Davos zu<br />

bezwingen.<br />

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DAVOS

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