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Gebäude na<strong>ch</strong> hingeri<strong>ch</strong>teten Mitgliedern benannt. Einige dieser<br />

Namensgebungen sind heute no<strong>ch</strong> erhalten.<br />

Trotzdem kann man behaupten, dass die Erinnerung an die<br />

Baum-Gruppen verdrängt wurde. Wenn sie au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Me<strong>ch</strong>anismen präsent ist, so konnte sie do<strong>ch</strong> nie die Popularität<br />

einer «Weissen Rose» oder eines Hitlerattentäters wie «Stauffenberg»<br />

errei<strong>ch</strong>en. Die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Gruppen wurde zudem je na<strong>ch</strong> Ideologie<br />

umgedeutet und vereinnahmt. Kommunisten vers<strong>ch</strong>wiegen<br />

die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass es si<strong>ch</strong> um eine jüdis<strong>ch</strong>e Gruppe handelte, andere<br />

behielten die Tatsa<strong>ch</strong>e für si<strong>ch</strong>, dass die Mitglieder na<strong>ch</strong> kommunistis<strong>ch</strong>en<br />

und sozialistis<strong>ch</strong>en Idealen handelten. Insofern wurden sie<br />

je na<strong>ch</strong> Gedenkkontext funktionalisiert. Das im Jahr 2004 entstandene<br />

Bu<strong>ch</strong> «Im S<strong>ch</strong>atten der Sterne» zei<strong>ch</strong>net anhand vers<strong>ch</strong>iedener<br />

historis<strong>ch</strong>er Dokumente ein umfangrei<strong>ch</strong>es, aber zuglei<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> sehr<br />

emotionales Bild einer Gruppe von Jugendli<strong>ch</strong>en, das neben lebensges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en<br />

Aspekten au<strong>ch</strong> eine differenzierte Darstellung der<br />

Handelnden im historis<strong>ch</strong>en Kontext wiedergibt.<br />

WA N D E R N I N S TA D T U N D Z E I T – E I N R U N D G A N G<br />

Die geplante Route führt dur<strong>ch</strong> das Wohn- und Lebensumfeld<br />

von Baum-Gruppen-Mitgliedern. Wer s<strong>ch</strong>nell läuft und wenig anguckt,<br />

benötigt ungefähr eine Stunde. Es wird allerdings empfohlen,<br />

den einen oder anderen Ort genauer anzusehen. Der Wanderweg<br />

startet am S-Bahnhof Hackes<strong>ch</strong>er Markt auf der Seite, wo si<strong>ch</strong> die<br />

Rosenthaler Strasse befindet. Über einem Eckhaus prangt unübersehbar<br />

die Bezei<strong>ch</strong>nung «Die Hackes<strong>ch</strong>en Höfe». Dieser Berei<strong>ch</strong> ist<br />

au<strong>ch</strong> als «S<strong>ch</strong>eunenviertel» bekannt und war im Zuge der Industrialisierung<br />

zum Armenviertel Berlins avanciert. Hier lebten viele Juden,<br />

die Ende des 19. Jahrhunderts vor Pogromen aus Russland und Polen<br />

geflü<strong>ch</strong>tet waren. Der Wohnraum war billig und in unmittelbarer<br />

Nähe befand si<strong>ch</strong> die Neue Synagoge. Um die Jahrhundertwende<br />

wurde das Viertel um den Hackes<strong>ch</strong>en Markt vom wirts<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en<br />

Aufs<strong>ch</strong>wung erfasst und zu einer ansehnli<strong>ch</strong>en Adresse. 1905–1907<br />

wurden alte Häuser abgerissen und es entstand ein Gebäudekomplex<br />

mit a<strong>ch</strong>t Hinterhöfen – die Hackes<strong>ch</strong>en Höfe, ar<strong>ch</strong>itektonis<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

Historismus und Jugendstil gestaltet. Der letzte Besitzer war ein jüdis<strong>ch</strong>er<br />

Kaufmann. Im Zuge der Stadtsanierung na<strong>ch</strong> der Wende wurden<br />

die Höfe wieder aufgebaut und beherbergen heute vers<strong>ch</strong>iedene<br />

Galerien, Ateliers, ein Theater, ein Kino und vers<strong>ch</strong>iedene Cafés.<br />

Folgt man re<strong>ch</strong>ts neben den Hackes<strong>ch</strong>en Höfen der Rosenthaler<br />

Strasse, überquert die Sophienstrasse (angebli<strong>ch</strong> die s<strong>ch</strong>önste Strasse<br />

Berlins) bis zur Gipsstrasse, so wird man am Boden ab und zu<br />

einen «Stolperstein» entdecken. Na<strong>ch</strong> dem Prinzip «Ein Stein, ein<br />

Name, ein Mens<strong>ch</strong>» erinnern diese Messingsteine, die im Gehweg<br />

eingelassen sind, an die einstigen Bewohner der Häuser, die von den<br />

Nazis deportiert oder ermordet wurden. Biegt man nun links in die<br />

Gipsstrasse ein, sollte vor dem Haus Nummer 3 eine Gedenktafel für<br />

Sala & Martin Ko<strong>ch</strong>mann hängen. Die beiden gehörten neben dem<br />

Ehepaar Baum zum Kern der Gruppe und beteiligten si<strong>ch</strong> am Brandans<strong>ch</strong>lag.<br />

Sie wurden ebenfalls verhaftet und hingeri<strong>ch</strong>tet. Bleibt<br />

man auf der linken Seite bis zum Ende der Strasse und s<strong>ch</strong>lägt einen<br />

Haken na<strong>ch</strong> links und an der nä<strong>ch</strong>sten Strassenecke wieder einen<br />

na<strong>ch</strong> links, sollte man in der Grossen Hamburger Strasse angekommen<br />

sein. Weiter vorn auf der re<strong>ch</strong>ten Strassenseite befindet si<strong>ch</strong> das<br />

Jüdis<strong>ch</strong>e Krankenhaus, das im Nationalsozialismus als Sammellager<br />

für Juden diente. Ein Stück weiter auf der linken Strassenseite liegt<br />

das Jüdis<strong>ch</strong>e Gymnasium, mit einem hohen Zaun und bewaffneten<br />

Wa<strong>ch</strong>posten bes<strong>ch</strong>ützt. Direkt daneben ist der Alte Jüdis<strong>ch</strong>e Fried-<br />

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BERLIN

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