Frauen - Männer - Gender - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung
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16 | INTERVIEW MIT CHRISTINE BERGMANN<br />
Unterscheiden sich Ostund<br />
West-<strong>Frauen</strong> nach wie vor<br />
voneinan<strong>der</strong>?<br />
Sind die Erwartungen an ein<br />
gelungenes Leben im Osten<br />
an<strong>der</strong>s als im Westen?<br />
tragisch, so lange ich mich nicht als „Dazugekommene“ fühle und<br />
weniger als „Dazugehörige“. Gerade bei frauenpolitischen Runden muss<br />
ich gelegentlich intervenieren, wenn Erfahrungen verallgemeinert<br />
werden, die mit meiner Biografi e nichts zu tun haben.<br />
In meiner, also <strong>der</strong> älteren Generation, sehe ich das schon noch, weniger<br />
bei den Jüngeren. Für Ost-<strong>Frauen</strong> ist die Erwerbsarbeit, und zwar<br />
eine, die volle ökonomische Unabhängigkeit schafft, enorm wichtig.<br />
Sie fühlen sich nicht als Rabenmütter, wenn sie ihre Kin<strong>der</strong> nicht rund<br />
um die Uhr selbst betreuen. Es ist die Normalität, in <strong>der</strong> sie ihre Kin<strong>der</strong><br />
groß gezogen haben o<strong>der</strong> selbst erwachsen geworden sind. Bei den<br />
West-<strong>Frauen</strong> ist volle Erwerbstätigkeit nach wie vor nicht <strong>der</strong> Normalfall.<br />
Das liegt vor allem am Fehlen entsprechen<strong>der</strong> Rahmenbedingungen,<br />
aber auch – regional unterschiedlich – an mangeln<strong>der</strong> gesellschaftlicher<br />
Akzeptanz. In <strong>der</strong> jüngeren Generation gibt es bei den Erwerbswünschen<br />
eine große Annäherung. Die Realisierung hängt von den<br />
jeweiligen Rahmenbedingungen und <strong>der</strong> Situation auf dem Arbeitsmarkt<br />
ab. An<strong>der</strong>erseits haben die frauenpolitischen Kämpfe und<br />
Debatten bei West-<strong>Frauen</strong> ein schärferes Bewusstsein für offene und<br />
versteckte Diskriminierung geschaffen, das Ost-<strong>Frauen</strong> erst erwerben<br />
mussten.<br />
Menschen in Ostdeutschland tun sich schwerer mit dem Auseinan<strong>der</strong>driften<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft, da die DDR eine sehr konformistische Gesellschaft<br />
war. Je<strong>der</strong> hatte so ziemlich das Gleiche. Es gab nur wenige,<br />
die gleicher waren und mit denen wollte man sowieso nichts zu tun<br />
haben. Aber im Großen und Ganzen sind die Erwartungen wohl vergleichbar.<br />
Der Wunsch nach Anerkennung, vor allem über Erwerbsarbeit,<br />
nach gesellschaftlicher Teilhabe, ist gleich. In Ost und West<br />
wollen die <strong>Frauen</strong> sich nicht entscheiden müssen zwischen Beruf und<br />
Familie, sie wollen beides gut unter einen Hut bringen. Sie erwarten<br />
dabei zunehmend mehr Mitverantwortung ihrer Partner.