TITELTHEMA: INTERMODALER TRANSPORT IN EUROPA – CHANCEN FÜR HÄFEN, SCHIFF & BAHN DER STANDPUNKT*: EuroCombi – Mediz<strong>in</strong> oder Gift für den Verkehr? Die Dosis macht’s EuroCombi oder Monstertrucks? Schon die verschiedenen Namen für LKW mit bis zu 25 m Länge <strong>und</strong> 60 t Gewicht zeigen den Spalt zwischen Kritikern <strong>und</strong> Befürwortern. Die e<strong>in</strong>en sehen im Euro - Combi (oft auch Gigal<strong>in</strong>er genannt) das All - heilmittel gegen überlastete Straßen <strong>und</strong> den drohenden Güterverkehrs<strong>in</strong>farkt. Aus Sicht der Kritiker überwiegen h<strong>in</strong>gegen die Nach - teile der Monstertrucks: die Sicherheit auf den Straßen nimmt ab, Brücken <strong>und</strong> Straßen werden massiv verschlissen <strong>und</strong> wegen der Kostenvorteile könnten Transporte von Bahn <strong>und</strong> Schiff zurück auf die Straße gehen. Angesichts dauerverstopfter Autobahnen liegt es nahe, pro Fahrzeug mehr Volumen <strong>und</strong> mehr Tonnen zu transportieren. Die Straßen effizienter zu nutzen, kl<strong>in</strong>gt zunächst s<strong>in</strong>nvoll. Ob aber noch größere, längere <strong>und</strong> schwerere LKW die richtige Lösung s<strong>in</strong>d, ersche<strong>in</strong>t zweifelhaft. Denn weder die vor - han denen Straßen noch die Umschlagsan - lagen bei Speditionen, Handel <strong>und</strong> Industrie s<strong>in</strong>d dafür ausgelegt. Besonders problema - tisch s<strong>in</strong>d die Brücken, die den hohen Ge - wichten auf Dauer nicht ausreichend <strong>Stand</strong> halten dürften. Das Argument, die Straßen - ober flächen würden durch den EuroCombi schneller ru<strong>in</strong>iert, sche<strong>in</strong>t h<strong>in</strong>gegen vom Tisch. Da das Gesamtgewicht bei diesen Fahrzeugen auf mehr Achsen verteilt wird, s<strong>in</strong>kt die e<strong>in</strong>zelne Achslast, wodurch die Punkt belastung auf dem Asphalt sogar ge - r<strong>in</strong>ger se<strong>in</strong> dürfte als bei heutigen Fahr zeugen. 48 4/2007 MAGAZIN FUR INTERMODALEN TRANSPORT UND LOGISTIK Derzeit laufen e<strong>in</strong>ige Praxisversuche, <strong>in</strong> de - nen untersucht werden soll, ob der Euro - Combi e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Alternative ist, oder eben doch e<strong>in</strong> Straßenverkehrsmonster. Der große Nachteil dieser Feldversuche: sie können ke<strong>in</strong>e aussagekräftige Antwort auf die Frage geben, ob der EuroCombi für die anderen Verkehrsträger e<strong>in</strong>e Chance oder e<strong>in</strong>e Bedrohung darstellt. Die Kritiker sehen die Gefahr, dass der Effizienzgew<strong>in</strong>n der großen Trucks vor allem zu Lasten von Schiene <strong>und</strong> B<strong>in</strong>nenschiff geht. Weil der Preis noch immer das entscheidende Kriterium ist, könnten Güter, die heute umweltfre<strong>und</strong>lich transportiert werden, wieder auf der Straße landen. Die Folge: der Verkehrsraum Straße würde zwar effizienter, aber leider auch deutlich <strong>in</strong>tensiver genutzt. Durch diese Überkompensation blieben die Straßen wei - terh<strong>in</strong> – im schlimmsten Fall bis zum totalen Stillstand – verstopft. Dennoch sieht der B<strong>und</strong>esverband der deutschen B<strong>in</strong>nenschifffahrt ke<strong>in</strong>e akute Be - drohung. Der weit überwiegende Teil der mit dem B<strong>in</strong>nenschiff transportierten Güter sei Massengut <strong>und</strong> Conta<strong>in</strong>ertransporte machten nur knapp 10 % der Transportmengen aus. Gemessen an der Größe <strong>und</strong> dem Transport - volumen moderner B<strong>in</strong>nenschiffe sei es nicht vorstellbar, dass diese Güter auf die Straße verlagert werden könnten. Auch bei den Conta<strong>in</strong>ertransporten seien wegen der stark überlasteten Straßennetze r<strong>und</strong> um die See - hafenterm<strong>in</strong>als Rückverlagerungen auf die Die 25 m langen EuroCombi-LKW mit bis zu 60 t Gesamtgewicht – <strong>in</strong> Schweden, F<strong>in</strong>nland <strong>und</strong> Norwegen bereits <strong>Stand</strong>ard – werden derzeit <strong>in</strong> verschiedenen europäischen Ländern getestet Bild: IAA Nutzfahrzeuge Hannover Straße <strong>in</strong> großem Stil äußerst un - wahr sche<strong>in</strong> lich. Anders sieht die Po sition des Bun - desver bandes öf - fentlicher B<strong>in</strong>nen - häfen aus. Der sieht das Verkehrs - system „B<strong>in</strong>nen - schiff-Wasser - Axel Götze-Rohen straße-B<strong>in</strong>nen - hafen“ <strong>in</strong> gro ßem Um fang von e<strong>in</strong>er Ver - kehrs verlagerung bedroht. Der Verband stützt sich dabei auch auf e<strong>in</strong>e Studie des Umweltb<strong>und</strong>esamtes, nach der die B<strong>in</strong>nen - schifffahrt bis zu 16 % ihrer Transport menge verlieren könnte. Zudem seien die überdi - men sionierten Lkw nicht systemkom pa tibel, da sie nicht an die Abfertigungster m<strong>in</strong>als <strong>in</strong> den B<strong>in</strong>nenhäfen passten. Nach Abwägung der Argumente ersche<strong>in</strong>t es derzeit kaum ratsam, den EuroCombi flä - chen deckend zuzulassen. Auch das EU-Parla - ment (EP) sieht das so. Im „Freight Logistics Action Plan“, den das EP im Herbst verab - schie den will, sollen die 25-m-Trucks nicht generell zugelassen werden. Zunächst müsse weiter <strong>in</strong>tensiv analysiert werden, wie sich der E<strong>in</strong>satz des EuroCombi auf die Infrastruk - tur <strong>und</strong> die anderen Verkehrsträger auswirke. Auch die deutschen Verkehrsm<strong>in</strong>ister haben e<strong>in</strong>en Beschluss über den EuroCombi vertagt. In der Verkehrsm<strong>in</strong>isterkonferenz am 19. April <strong>in</strong> Wernigerode haben B<strong>und</strong>esverkehrs - m<strong>in</strong>ister Wolfgang Tiefensee <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Län - derkollegen entschieden, zunächst nichts zu entscheiden. Stattdessen sollen die Ergeb - nisse der laufenden Versuche abgewartet werden. E<strong>in</strong>e wichtige Entscheidungsgr<strong>und</strong> - lage ist unter anderem die Studie der Bun - desanstalt für Straßenwesen (BASt), nach der Brücken, Tunnel <strong>und</strong> Leitplanken nicht für den EuroCombi ausgelegt s<strong>in</strong>d. Verkehrs - m<strong>in</strong>ister Tiefensee schätzt, dass ältere Auto - bahnbauwerke <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esstraßen für e<strong>in</strong>e flächendeckende Freigabe für ca. vier bis acht Milliarden Euro ertüchtigt werden müssten. Ist der EuroCombi nun also e<strong>in</strong> gutes Mittel gegen den Verkehrs<strong>in</strong>farkt oder verschlim - mert er ihn nur? Die Antwort: Wie <strong>in</strong> der Phar mazie bestimmt die Dosis, was Mediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> was Gift ist. Bei zu viel (also flächen - deckend) dürfte der EuroCombi schnell zum Milliarden verschl<strong>in</strong>genden Monstertruck werden. Dosiert e<strong>in</strong>gesetzt (also mit Sonder - genehmigung auf def<strong>in</strong>ierten Strecken) kann der EuroCombi e<strong>in</strong>ige Verkehrsprobleme lösen. Axel Götze-Rohen ❑ * Im <strong>Stand</strong>punkt äußern die Autoren ihre persönliche Me<strong>in</strong>ung, die nicht unbed<strong>in</strong>gt der Auffassung der Redaktion entspricht.
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