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Seele aus der Balance - BMBF

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EINFÜHRUNG12Hirngespinste – Vorurteile über psychisch Kranke„Bewaffnet, hochgradig aggressiv undgeisteskrank.“ So fing Anfang April 2009ein Artikel in <strong>der</strong> Hamburger Morgenpostan. Darin wird berichtet, wie die Polizei mitHubschrauber, Streifenwagen, Hundeführernund Zivilfahn<strong>der</strong>n im Stadtteil Altonaeinen Räuber jagte. Der an Schizophrenieleidende Mann war elf Tage zuvor <strong>aus</strong> <strong>der</strong>Psychiatrischen Klinik Ochsenzoll – nachAnsicht vieler Hamburger <strong>der</strong> Inbegriff fürein Irrenh<strong>aus</strong> – geflohen und hatte seitdemsechs Supermärkte und ein Sonnenstudioüberfallen.Artikel wie dieser lassen sich in vielenMedien finden. Sie prägen das Bild von psychischKranken. Der Realität <strong>der</strong> Betroffenenentspricht dies fast nie: Wie Statistiken zeigen,sind psychisch Kranke im Allgemeinenund an Schizophrenie Erkrankte im Beson<strong>der</strong>enwe<strong>der</strong> außergewöhnlich gewalttätignoch unberechenbar. Schizophreniehat auch nichts mit einer gespaltenen Persönlichkeitzu tun wie bei <strong>der</strong> RomanfigurDr. Jekyll und Mr. Hyde. Das soziale Umfeldo<strong>der</strong> <strong>der</strong> gesellschaftliche Status habenebenfalls keinen Einfluss auf die Krankheit.Schizophrenie kann jeden treffen. Bei an<strong>der</strong>enpsychischen Störungen ist es ähnlich:Depressive sind tatsächlich krank, sie hängennicht einfach durch, weil es ihnen anWillenskraft o<strong>der</strong> Disziplin fehlt. PsychischeStörungen sind zum Teil erbliche Erkrankungendes Gehirnstoffwechsels – vergleichbarmit Stoffwechsel erkrankungen des Körpers,beispielsweise Diabetes. Menschenmit einem seelischen Leiden zu stigmatisieren,sie als irre, unzurechnungsfähig, geisteskranko<strong>der</strong> dumm abzustempeln, verkenntdie Realität: Viele sind trotz seelischerKrankheit zu geistigen Höchstleistungenfähig. Dennoch halten sich althergebrachteVorurteile hartnäckig.Psychisch Kranke haben es daher doppeltschwer. Sie kämpfen nicht nur wie an<strong>der</strong>eKranke – beispielsweise Krebs- o<strong>der</strong> Herzpatienten– mit ihrer eigentlichen Krankheit:An<strong>der</strong>s als diesen wird ihnen kaumMitgefühl entgegengebracht. Bei einerrepräsentativen Umfrage <strong>der</strong> DeutschenGesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapieund Nervenheilkunde (DGPPN) <strong>aus</strong> dem Jahr2004 gab etwa je<strong>der</strong> fünfte Befragte (19 Prozent)an, eine Freundschaft mit jemandem,<strong>der</strong> an Schizo phrenie erkrankt ist, nicht fortführenzu wollen. Die soziale Ausgrenzungwird so zu einer zweiten Krankheit – für sieselbst und auch für ihre Angehörigen. Letztereleiden aber nicht nur unter den Vorurteilen<strong>der</strong> Umwelt: Sie werden häufig aufgeriebenzwischen verständnisvoller Fürsorgeund den störungsbedingten Wesensverän<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong> Betroffenen. Denn auch wennes falsch ist, psychisch Kranke als „verrückt“abzustempeln, das Zusammenleben mitihnen kann extrem anstrengend sein. Greifenpsychische Störungen doch das an, wasdie Grundlage für zwischenmenschlicheBeziehungen bildet: die Persönlichkeit einesMenschen.

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