53 THERAPIENVerhaltenstherapieDie Verhaltenstherapie (VT) lässt sich schwerals einzelne, klar umrissene Therapiemethodebeschreiben, da sie je nach Störung verschiedeneErklärungsansätze und Än<strong>der</strong>ungsmodelle verwendet.Die gemeinsame Klammer bildet dieOrien tierung an wissenschaftlichen Erkenntnissen,die auf systematischer Beobachtung beruhen.Zu den zentralen Prinzipien gehören überdieseine problem- und zielorientierte Vorgehensweise,Transparenz im therapeutischen Prozess und dasBemühen, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Verhaltenstherapeutengehen davon <strong>aus</strong>, dass die meistenVerhaltensweisen eines Menschen Ergebnis seinerpersönlichen Lerngeschichte sind. So betrachtet,lassen sich viele psychische Störungen alsErgebnisse ungünstiger Lernprozesse verstehen,die prinzipiell auch durch neue Lernerfahrungenverän<strong>der</strong>bar sind. So kann jemand mit übermäßiggroßer Angst vor dem Sprechen in <strong>der</strong> Öffentlichkeitin <strong>der</strong> geschützten Atmosphäre einer Therapieneue Erfahrungen machen, die beim Aufbau desneuen Selbstvertrauens helfen können.Verhaltenstherapeuten erarbeiten in <strong>der</strong> Regelzu Anfang mit dem Patienten ein individuellesStörungsmodell, das auch die persönliche Lebensgeschichteberücksichtigt. In vielen Fällen wird<strong>der</strong> Patient anschließend ermutigt, neue Lernerfahrungenzu sammeln und allmählich angemessenereund mehr zufriedenstellende Verhaltensmusterzu entwickeln und sich zusätzlich – etwadurch strukturierte Selbstbeobachtung – intensivmit seinen bisherigen Überzeugungen und Bewertungen<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>zusetzen. Zum Repertoiregehören außerdem unter an<strong>der</strong>em die Konfrontationmit angst<strong>aus</strong>lösenden Situationen, Entspannungstechniken,Rollenspiele sowie Biofeedbackund achtsamkeitsbasierte Therapieansätze,bei denen Wahrnehmungs- und Konzentrationsübungeneine zentrale Rolle spielen. Laut Maerckerist die Verhaltenstherapie gut geeignet, um Angst-,sexuelle Funktions- und somatoforme Störungenzu behandeln. In Verbindung mit kognitiven Strategienbeziehungsweise in modifizierter Formwird sie auch zur Therapie von Depressionen,Traumafolgestörungen und antisozialen sowieBor<strong>der</strong>line-Persönlichkeits störungen eingesetzt.GesprächspsychotherapieDie Gesprächspsychotherapie gehört zu den sogenanntenHumanistischen Verfahren und wurdein den 1940er-Jahren von dem US-amerikanischenPsychologen Carl Ransom Rogers entwickelt.Rogers nannte das Verfahren „personenbezogene“o<strong>der</strong> „nicht-direktive“ Therapie. Damit wollte erbetonen, dass nicht <strong>der</strong> Therapeut, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>Patient Tempo und Themen vorgibt. Begründetwird die Bereitschaft, dem Patienten das Ru<strong>der</strong> zuüberlassen, mit dem Vertrauen in die jedem Menscheninnewohnende Kraft, konstruktive Verän<strong>der</strong>ungsprozessein Gang zu setzen. Allerdingskann dies in Konflikt geraten mit <strong>der</strong> Tendenz zumErhalt des Bestehenden: Ein Mensch, <strong>der</strong> beispielsweisevon sich selbst das Bild hat, er müsse sich füran<strong>der</strong>e klaglos aufopfern, wird Gefühle <strong>der</strong> Überfor<strong>der</strong>ungo<strong>der</strong> Wut nur ungern zugeben.Drei Aufgaben hätte ein Gesprächspsychotherapeutin diesem Fall: Erstens auch den unangenehmenGefühlen des Patienten positive Aufmerksamkeitzu schenken (bedingungslosepositive Beachtung), zweitens beim Zuhörenwirklich in die Welt des Patienten einzutauchenund möglichst sogar das Ungesagte her<strong>aus</strong>zuhörenund wie<strong>der</strong>zugeben (empathisches Verstehen).Damit dies gelingt, sollte er drittens ingutem Kontakt zu den eigenen Gefühlen stehen,sich also auch selbst möglichst wenig Denko<strong>der</strong>Gefühlsverbote auferlegen (Kongruenz). Zielist es, den Patienten zu ermutigen, auch unangenehmeErfahrungen, Gedanken und Gefühlein sein Selbstbild einzubauen und so die unterUmständen krank machende Spannung zwischen„erlaubten“ und „unerlaubten“ Gefühlen undGedanken abzumil<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> ganz aufzulösen.„Die Gesprächspsycho therapie ist gut geeignet fürMenschen, denen es zusagt, dass hier die Beziehungzwischen Patient und Therapeut im Zentrumsteht“, sagt Kriz. Erfolgreich eingesetzt wirddie Gesprächstherapie bei Depressionen, Phobienund Angstneurosen, schwieriger ist die Behandlungvon Zwangs- und Suchterkrankungen sowiePersönlichkeitsstörungen.Systemische TherapieDie Systemische Therapie hat sich in den Siebzigerjahren<strong>aus</strong> <strong>der</strong> klassischen Familientherapieher<strong>aus</strong> entwickelt. Sie stellt das soziale Umfeld
THERAPIEN54Prägende Persönlichkeit <strong>der</strong> Psychologie: Carl Ransom Rogers„Keiner weiß besser, was ihm gut tut undfür ihn notwendig ist, als <strong>der</strong> Betroffeneselbst ...“ So lautet die These des AmerikanersCarl Ransom Rogers (1902–1987), einem<strong>der</strong> bedeutendsten Psychologen des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts.Er begründete die nicht-direktive,personenbezogene Gesprächspsychotherapieund prägte damit wie kein an<strong>der</strong>er die Psychotherapieund die pädagogische Beratung bisheute.Rogers zeichnete als erster Therapiegesprächeauf. Seine Schallplattenaufnahmenermöglichten exakte Analysen <strong>der</strong> Beziehungzwischen Therapeut und Klient. Aus seinerArbeit zog Rogers den Schluss, dass <strong>der</strong> Therapeutden Klienten Themen und Tempo vorgebenlassen sollte, um Erfolge zu erzielen.Im Mittelpunkt <strong>der</strong> nicht-direktiven Psychotherapiestehen daher die Gefühle, Wünsche,Wertvorstellungen und Ziele des Klienten.Mit seiner Meinung sollte <strong>der</strong> Therapeut sichzurückhalten und es vermeiden, Ratschlägezu erteilen o<strong>der</strong> das Gesagte zu bewerten(nicht-direktives Verhalten). Vielmehr sollte erein Spiegel für die hilfesuchende Person sein.Rogers studierte zunächst Agrarwissenschaft,später Geschichte. Mit 20 Jahren unternahmer eine sechsmonatige Studienreisenach China, die bei ihm zu einer grundsätzlichenWende führte: Er beschäftigte sichzunehmend mit fernöstlicher Philosophie undemanzipierte sich von seinem puritanischprotestantischenElternh<strong>aus</strong>. Sein Wunschwar es jetzt, Menschen zu helfen, ohne dabeieiner bestimmten religiösen Richtung folgenzu müssen. Rogers begann Theologie zu studieren,sattelte dann aber zur Psychologie undPädagogik um. 1928 wurde er Doktor in klinischerPsychologie und arbeitete anschließendzehn Jahre als Psychologe und Erziehungsberateran einer heilpädagogischenBeratungsstelle.Aufgrund seines ersten 1937 veröffentlichtenBuchs über therapeutische Möglichkeitenbei <strong>der</strong> Behandlung von Kin<strong>der</strong>n, wurde er1940 zum Professor am Psychologischen Institut<strong>der</strong> Ohio State University berufen. Hierentwickelte er sein Konzept <strong>der</strong> nicht-direktivenBeratung. Im gleichen Jahr hielt er einenVortrag über die Ziele <strong>der</strong> von ihm noch sogenanntenneueren Therapien. Seine Redewurde kritisiert und gelobt, verwirrte aberauch viele Zuhörer. Erst durch diese Reaktionenwurde ihm klar, wie neu seine Ansichtenwaren. Später bezeichnete er diesen Zeitraumals die Geburtsstunde <strong>der</strong> personenbezogenenTherapie. In den letzten 15 Jahrenseines Lebens setzte sich Rogers für sozialeFragen und Friedenspolitik ein. Er leitete mehrereWorkshops mit verfeindeten politischenParteien, zum Beispiel mit irischen Katholikenund Protestanten, und gab Seminare inSüdafrika, um die Rassendiskriminierung zuüberwinden.
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1INHALTInhaltEinführungMit anderen
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