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Seele aus der Balance - BMBF

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37MECHANISMEN, URSACHEN UND AUSLÖSERBlutdruck und Körpertemperatur steigen, das Herzschlägt schneller, die Muskeln bekommen mehrSauerstoff, die Atmung beschleunigt sich und dasGehirn ist hellwach. Die Verdauungs- und Fortpflanzungsorganeschalten hingegen auf Sparflamme,hinzu kommt eine Vielzahl weiterer Verän<strong>der</strong>ungen.Wenn sich diese Stressfolgen nichtwie<strong>der</strong> abbauen können, beispielsweise, weil dieStress <strong>aus</strong>löser bestehen bleiben, gerät <strong>der</strong> Körperin Dauer alarm und damit in gesundheitlicheGefahr. Die mo<strong>der</strong>nen Auslöser für diesen uraltenphysiologischen Alarm-Mechanismus, <strong>der</strong> schonunseren Vorfahren beim Überleben in <strong>der</strong> Wildnishalf, lauern heute im Beruf, im sozialen Umfeldo<strong>der</strong> in <strong>der</strong> technisierten Umwelt. Dazu zählenunter an<strong>der</strong>em Konflikte, finanzielle Sorgen,Überfor<strong>der</strong>ung am Arbeitsplatz o<strong>der</strong> Reizüberflutungenwie Lärm. Im Gegensatz zu den Jägern undSammlern früherer Zeiten kann <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Büromenschaber nicht einfach Reiß<strong>aus</strong> nehmen undden Stress direkt abbauen, wenn sich auf seinemTisch die Akten stapeln.Traumastress und seine FolgenGanz an<strong>der</strong>s sieht es <strong>aus</strong> beim sogenannten „traumatischenStress“, betont <strong>der</strong> PsychotraumatologeProfessor Günter H. Seidler von <strong>der</strong> PsychosomatischenUniversitätsklinik Heidelberg. DieseStressform entsteht durch Situationen, in denen dieBetroffenen mit Lebensgefahr o<strong>der</strong> Tod in Berührunggekommen sind o<strong>der</strong> Zeuge davon wurden.Typische Beispiele: Betroffene und Zeugen <strong>der</strong>Tsunami-Katastrophe von 2004 o<strong>der</strong> Soldaten inAfghanistan.Das Erleben eines potenziell traumatisie rendenEreignisses – ob unmittelbar o<strong>der</strong> indirekt alsZeuge – kann verschiedene Folgen nach sich ziehen.Dies können Herz-Kreislauf-Krankheiten,somatoforme Störungen – Beschwerden ohne organischfassbaren Befund –, Angsterkrankungen,Depressionen, Persönlichkeitsverän<strong>der</strong>ungen,die sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung(PTBS) o<strong>der</strong> in Folge dessen die Entwicklungvon Süchten sein. Patienten mit einer Belastungsstörungerleben das katastrophale Ereignis beispielsweisein lückenhaften Erinnerungen o<strong>der</strong>sich wie<strong>der</strong>holenden Träumen immer wie<strong>der</strong>, datraumatisierende Situationen nur als bruchstückhafteErinnerungsfetzen im Gehirn abgespeichertwerden. Beim Erleben eines traumatisierendenEreignisses wird die normale Informationsverarbeitungalso unterbrochen. Das Zusammenspielwichtiger Funktionsweisen <strong>der</strong> beiden Gehirnhälftenwird sozusagen „entkoppelt“, was einige<strong>der</strong> typischen Symptome zur Folge hat. Im Gegensatzzu herkömmlichen Stresserfahrungen, dieBestandteil des normalen Gedächtnisses werden,schüttet <strong>der</strong> Körper beim traumatischen Stresserlebenunter an<strong>der</strong>em das Stresshormon Cortisolin einer sehr hohen Dosis <strong>aus</strong>. Zudem wird dastraumatische Erlebnis nicht wie eine herkömmlicheErinnerung mit Beteiligung vieler verschiedenerGehirnregionen, die für das Abspeichernund kontextuelle Einordnen in das Gedächtnis verantwortlichsind, verarbeitet. Vielmehr nimmt dieangst<strong>aus</strong>lösende Situation einen „verkürzten“ Verarbeitungswegim Nervensystem. Dadurch wirddie Wahrnehmung nur schemen- und bruchstückhaftabgespeichert, sodass keine Einbettung in dasautobiografische (explizite) Gedächtnis erfolgen

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