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Seele aus der Balance - BMBF

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AUSBLICK84Lei<strong>der</strong> tragen aber oft Organmediziner dazubei, dass psychische Störungen chronisch verlaufen.Bei den somatoformen Störungen, die mannicht auf eine organische Erkrankung zurückführenkann, ist es jedenfalls so. Unser gesamtesGesundheitssystem trägt im Grunde zur Chronifizierungsomatoformer Störungen bei. Denn Patienten,die mit den gleichen Beschwerden zu vielenunterschiedlichen Ärzten gehen, werden nichtgebremst. Für die wäre die Chipkarte ganz gut.Denn dann hätte man einen Überblick. Es ist nichtselten, dass solche Patienten mit 100 EEGs o<strong>der</strong>einem dicken Sack Röntgenbil<strong>der</strong> zu uns kommen,weil ein Arzt nicht wusste, was <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e gemachthat.Ich finde diese wahnsinnige Technisierung <strong>der</strong>Medizin toll, weil man vieles in <strong>der</strong> Organmedizinfrüher diagnostizieren kann. Ohne Kontrolle istdies aber für manche Patienten mit einer somatoformenStörung Gift.Hegerl: Bei Depressionen haben wir auch großeDefizite im rechtzeitigen Erkennen. Diejenigen, diezum H<strong>aus</strong>arzt gehen, kommen mit körperlichenBeschwerden. Und <strong>der</strong> H<strong>aus</strong>arzt hat es nicht einfach,eine psychische Störung zu erkennen, weil erauch nichts Körperliches übersehen möchte. Washinzu kommt: Viele Betroffene gehen gar nicht erstzum Arzt, weil sie nicht die Kraft haben und denken,sie sind selber schuld. Das Behandlungsdefizitwird weiter dadurch verschärft, dass selbst beirichtiger Diagnose oft nicht konsequent und nachneuestem Kenntnisstand behandelt wird und diePatienten, insbeson<strong>der</strong>e wenn kein Krankheitskonzeptvermittelt wurde, die Medikamente nichtnehmen o<strong>der</strong> die Psychotherapieangebote nichtannehmen.Wenn man etwas verbessern will, genügt esaber nicht, nur die H<strong>aus</strong>ärzte zu schulen. Erfolgreichsind gemeindebasierte Interventionen, indie auch Multiplikatoren wie Pfarrer, Lehrer, dieMedien, die Apotheker o<strong>der</strong> die Polizei eingebundensind, kombiniert mit einer professionellenÖffentlichkeitsarbeit.Sie sprechen die Öffentlichkeitsarbeit an. Warum istes eigentlich so schwer, mit falschen Vorstellungenüber psychische Störungen, mit <strong>der</strong> Stigmatisierungpsychisch Kranker aufzuräumen?Hegerl: Die Vorurteile werden wir nie ganzabbauen. Zum Teil ist es Unkenntnis o<strong>der</strong> Fehlinformation,aber nicht nur. Wichtig ist, immer wie<strong>der</strong>zu vermitteln, dass psychische ErkrankungenErkrankungen wie an<strong>der</strong>e auch sind. Auch <strong>der</strong>Diabetes mellitus geht sowohl mit körperlichenBeschwerden als auch psychischen Belastungenund Symptomen einher. Und die Behandlungbesteht einerseits in Verhaltensmodifikationen wieDiät und Sport aber an<strong>der</strong>erseits auch oft in einerPharmakotherapie, <strong>der</strong> Insulingabe.Die Stigmatisierung hat vor allem damit zutun, dass psychische Erkrankungen unser Selbst,das was uns <strong>aus</strong>macht, sozusagen unser Allerheiligstes,verän<strong>der</strong>n – und das auch noch voninnen her<strong>aus</strong>. Wir können uns nicht mehr auf unsselbst verlassen, es fehlt Distanz zu den Verän<strong>der</strong>ungenund dies ist für den Betroffenen aber auchfür an<strong>der</strong>e unheimlich. Der Stigmatisierung kannman durch sachliche Information entgegentretenund dadurch, dass man die Betroffenen immerwie<strong>der</strong> motiviert, sich professionelle Hilfe zu holen.de Zwaan: Dasist, glaube ich,das Wichtigste.Wir erleben beiEssstörungenauch immer, dasssich die Vorstellunghält, dieFamilie, die Mutter,die Erziehungseien schuld,wenn die Tochtermagersüchtigist. Die ofteinseitigen Vorstellungen über die Entstehungpsychischer Störungen basieren auf dem Bedürfnisdes Menschen, etwas zu verstehen. Bei psychischenErkrankungen hat man aber oft keinewirklich guten Erklärungen. Also werden dann vonden Betroffenen und ihrem Umfeld Erklärungenge bastelt. Und das macht die Öffentlichkeit auch.Sehr geehrte Frau Professor de Zwaan, sehr geehrterHerr Professor Hegerl, wir danken Ihnen für dasGespräch.

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