Lebenshilfe Aktuell 1/2010 - Lebenshilfe Bad Tölz-Wolfratshausen
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12 | 1/<strong>2010</strong> | <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Aktuell</strong> <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Aktuell</strong> | 1/<strong>2010</strong> | 13<br />
Erinnerungen an die Gründerjahre der <strong>Lebenshilfe</strong><br />
Von Gregor Dorfmeister<br />
Vierzig Jahre <strong>Tölz</strong>er <strong>Lebenshilfe</strong>, dazu müsse mir, als ehemaligem<br />
langjährigen Kreisvorsitzenden doch gewiß etwas<br />
einfallen, meinte mein oftmaliger Griechenland-Bergführer<br />
und Freund Rainer Bannier. „Vielleicht auch ein bißerl ’was<br />
Anekdotisches?“ Indessen, während der mehr als 25 Jahre,<br />
in denen ich mit der <strong>Lebenshilfe</strong> „verbandelt“ war, blieben<br />
Vorkommnisse, die man nachträglich zur Anekdote aufstufen<br />
konnte, äußerst „rar“. Was aber unauslöschlich in mein Gedächtnis<br />
eingeprägt ist, das ist die Erinnerung an Menschen,<br />
von denen freilich nicht wenige den Weg ins andere, „ewige“<br />
Leben schon vorausgegangen sind.<br />
Trauer um verdienstvolle Helferinnen und Helfer<br />
Ich denke dabei vor allem an Reinhold Hüttl, Mitbegründer<br />
der <strong>Tölz</strong>er <strong>Lebenshilfe</strong>, für mich ein Freund und treuer Wegbegleiter<br />
über viele Jahre. Den für ihn als Leiter des Sozialamtes<br />
im <strong>Tölz</strong>er Landratsamt oft schwierigen Spagat zwischen<br />
dienstlichen Vorgaben und Hilfsbereitschaft hat er stets zum<br />
Wohl der <strong>Lebenshilfe</strong> gemeistert. Sein früher Tod hat mich<br />
sehr traurig gemacht. Nicht minder betroffen war ich durch<br />
das jähe Ableben meines Freundes Joachim Scholz, mit dem<br />
ich problemlos die Fusion der von ihm geleiteten Wolfratshauser<br />
mit „meiner“ <strong>Tölz</strong>er <strong>Lebenshilfe</strong> erarbeiten und zur<br />
Gesamt-Kreisvereinigung verwirklichen konnte. Tiefe Trauer<br />
löste auch der plötzliche Tod unseres geschätzten Vorstandsmitglieds<br />
Horst Bräuer aus.<br />
Zum caritativen Konzern gewachsen<br />
Nicht vergessen habe ich die immer zur ehrenamtlichen Mitarbeit,<br />
sei es im Vorstand oder als Spendensammlerinnen,<br />
bereiten Behinderten-Mütter Kuni Zwick, Fanny Dehn und<br />
Anni Schropp. Deren Hauptsorge, „mei was macht der Bua<br />
bloß, bal’s mi’ nimmer gibt?“ konnten wir durch den Bau<br />
unseres ersten Wohnheimes an der <strong>Tölz</strong>er Bairawieser Stra-<br />
ße zumindest beschwichtigen.<br />
Wer<br />
den heute mit mehr<br />
als 200 hauptamtlich<br />
Beschäftigten und<br />
Millionen-Umsätzen<br />
längst zu einem<br />
bedeutenden Wirtschaftsunternehmen<br />
und Arbeitgeber<br />
herangewachsenen<br />
„Konzern <strong>Lebenshilfe</strong>“<br />
vor Augen hat,<br />
der kann sich nicht<br />
vorstellen, wie mühsam und schwierig die Anfänge waren,<br />
damals vor 40 Jahren. Und hier steht einzig ein Name im<br />
Mittelpunkt, nämlich der, der eigentlichen „Mutter“ unserer<br />
<strong>Lebenshilfe</strong>: Maria Schnitzer!<br />
Maria Schnitzer „Mutter <strong>Lebenshilfe</strong>“<br />
Schon anno 1966 hatte sie mit weiteren Müttern behinderter<br />
Kinder einen von den Mammis abwechselnd betreuten<br />
Kinderhort geschaffen. Mit dieser eigentlichen „Geburtsstunde“<br />
nicht zufrieden, schaffte Maria Schnitzer zusammen<br />
mit Reinhold Hüttl die offizielle Gründung des Vereins <strong>Lebenshilfe</strong><br />
<strong>Bad</strong> <strong>Tölz</strong>. Zwei Jahre später, die Pläne eine Werkstätte<br />
für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, hatten<br />
inzwischen auch die Redaktion des <strong>Tölz</strong>er Kurier erreicht<br />
und mich veranlaßt, die üblichen Weihnachtsaktionen diesem<br />
Ziel zu widmen: Runde 200 000 D-Mark kamen zusammen,<br />
und wenig später saß Maria Schnitzer bei mir im<br />
Büro und fragte mich, ob ich in einem neu zu wählenden<br />
Vorstand mitmachen würde. Meinem Ja-Wort folgten der damalige<br />
Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Max Aigner, der für<br />
die EDV zuständige Fachmann im <strong>Tölz</strong>er Rathaus Gerhard<br />
Grasberger, die Behinderten-Mama Kuni Zwick, Sozialamtsleiter<br />
Reinhold Hüttl und – als geistiger Beistand – der damalige<br />
Guardian des <strong>Tölz</strong>er Franziskanerklosters und heute<br />
als Seelsorger in St. Anton in Garmisch-Partenkirchen tätige<br />
Pater Winfried Prummer. Er bot uns nicht nur das Refektorium<br />
als Sitzungsraum, gab uns geistlichen Zuspruch, wenn<br />
uns die Köpfe rauchten, sondern kletterte zu vorgerückter<br />
Stunde auch noch in den klösterlichen Weinkeller, um durch<br />
eine süffige Spende die Stimmung aufzulockern. Ein Glück,<br />
daß wir damals alle zu Fuß unterwegs waren!<br />
Pater Winfried im Nikolausgewand<br />
Nicht vergessen habe ich bis heute Pater Winfrieds Auftritte<br />
als Heiliger Nikolaus in unserer damals kleinen, provisorischen<br />
Behindertenwerkstätte am <strong>Tölz</strong>er Scharfeiterweg.<br />
Während die Mehrzahl der dort Tätigen in Ehrfurcht vor<br />
dem heiligen Mann in Mitra, Rauschebart und Bischofsstab<br />
erstarrte, wollte der Bauer Schorschi unbedingt die wahre<br />
Identität des seiner Meinung nach nur „verkleideten“ Nikolaus<br />
lüften. Es gelang ihm nicht: Pater Winfried zog sich nach<br />
seinem Werkstatt-Auftritt jeweils schleunigst aus dem Saal<br />
ins angrenzende Material-Kammerl zurück und flüchtete von<br />
dort durchs Fenster ins Freie. Der Bauer Schorsch verfolgte<br />
ihn, war aber nicht schnell genug und staunte angesichts des<br />
leeren Material-Kammerls: „Der Nikolaus is’ pfeilgrad echt!“<br />
Wie ich mit Ämtern, Bezirksregierung und Kultusministerium<br />
zurecht gekommen sei, werde ich mitunter gefragt. Bis hinauf<br />
zur Regierung von Oberbayern gab es nie Probleme.<br />
Dafür sorgte oft mein – inzwischen auch schon verstorbener<br />
– Freund, <strong>Tölz</strong>er Stimmkreisabgeordneter für den bayerischen<br />
Landtag und nachmaliger Finanzminister Max Streibl.<br />
Scharmützel mit Kultusministerium<br />
Als wir endlich beim Kultusministerium die Gründung unserer<br />
privaten Förderschule für Kinder mit Behinderungen durchgesetzt<br />
hatten, wartete ich lange vergebens auf die uns vom<br />
Finanzminister zugesagten staatlichen Fördermittel. Meine<br />
mehrfachen Vorsprachen beim zuständigen Ministerialrat B.<br />
im Kultusministerium fruchteten nicht. Das Geld, von dem<br />
ich wußte, daß es uns Max Streibl zugedacht hatte, landete<br />
nie bei uns, sondern stets in irgendwelchen Gymnasien.<br />
Bei meinen mehrmaligen Besuchen im Büro des Herrn Ministerialrats<br />
verschwand dieser hinter den meterhoch auf seinem<br />
Schreibtisch gestapelten Aktenbergen so daß ich das<br />
Gespräch oft mit dem Satz begann: „Sind Sie überhaupt<br />
da?“ Dann kam sein atemlos Gekrächztes: „Ach Sie schon<br />
wieder!“ Finanzminister Streibl erklärte mir: „Wenn das angewiesene<br />
Geld mein Haus in Richtung Kultusministerium<br />
verlassen hat, habe ich keinen Einfluß mehr darauf!“<br />
Dr. Stoibers Machtwort ebnete den Weg<br />
In meiner Verzweiflung wandte ich mich ans Büro des Bayerischen<br />
Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Dort verwies<br />
man mich an einen alten Bekannten, der inzwischen sozusagen<br />
zur „rechten Hand“ von FJS aufgestiegen war, Dr.<br />
Edmund Stoiber. Ich erklärte ihm meine erfolglosen Bemühungen<br />
und verließ ihn ohne große Hoffnung. Doch siehe da,<br />
am nächsten Mittag rief mich ein aufgebrachter Ministerialrat<br />
B. an und klagte auf kernbayerisch: „Dös hätt’s jetzt aa net<br />
braucht, dass Sie mi’ a so absaufen laßn!“ Drei Tage später<br />
war das benötigte Geld auf unserem Konto, das Unternehmen<br />
„Von-Rothmund-Schule“ konnte verwirklicht werden.<br />
Dr. Stoiber habe ich seinen damaligen Einsatz für unsere<br />
Schule nie vergessen. Mit dem bayerischen Kultusministerium<br />
leben wir längst in bestem Einvernehmen – danke!