Spielzeit 12 13 - Niedersächsische Staatstheater Hannover
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eugen Onegin<br />
Den jungen Aristokraten Eugen Onegin, wohlhabend und<br />
tadellos ausgebildet, führt es aufs Land. Seine Verachtung<br />
gegenüber der Landbevölkerung schlägt in Neugierde um,<br />
als ihn sein Freund Lenski in den Kreis der Familie Larin<br />
mitnimmt. Zwischen den Töchtern Olga und Tatjana und<br />
den zwei Männern entspinnt sich ein Spiel aus Liebe und<br />
Abweisung. Lenskis Zuneigung zu Olga kränkt Onegin, der<br />
gleichsam zu Tatjanas Liebesidol wird. Doppelt harsch ist<br />
seine Reaktion: Er weist das Mädchen ab, seinen Freund<br />
erschießt er wie einen Verräter im Duell. Die emotionale<br />
Kehrtwende bringt ihm schließlich nur Unglück: Zu spät<br />
entflammt er bei einem Wiedersehen für Tatjana, die,<br />
längst selbst verheiratet, ihrer Liebe entsagt.<br />
Für die kleine Bühne habe Tschaikowsky nach eigener<br />
Aussage seine Oper Eugen Onegin nach dem Versepos<br />
Alexander Puschkins konzipiert, für die bescheidenen Mittel<br />
eines Konservatoriums, so wie es bei der Uraufführung<br />
1879 mit Graduierten des Moskauer Konservatoriums am<br />
MalyTheater geschah. Sie laufe Gefahr, in Größe, Wucht<br />
und Pathos dargestellt und damit missverstanden zu werden.<br />
In der Tat ist die Geschichte der Oper in Russland von<br />
einem monumentalen Kompositions und Aufführungsstil<br />
geprägt und war seit ihren Anfängen im 18. Jahrhundert<br />
eng mit dem Kalkül und dem Repräsentationsbedürfnis<br />
der Herrscher verknüpft. Ironischerweise wurde auch<br />
Eugen Onegin wenige Jahre nach der ersten Aufführung<br />
zur großen russischen Oper stilisiert. Durch Dirigenten wie<br />
Mahler und Toscanini wurde sie auch im Ausland zur beliebtesten<br />
russischen Oper neben Boris Godunow von<br />
Mussorgsky. Dabei ist die zwischen 1825 und 1833 erschienene<br />
Vorlage von Alexander Puschkin ein Meisterwerk<br />
des feinen, subtilen Tons, verhält sich der Erzähler<br />
dort doch teils in vorsichtiger, teils deftigironischer Distanz<br />
zu seinem gelangweilten, dandyhaften Helden aus<br />
der Aristokratie. Tschaikowskys lyrische Szenen variieren<br />
diesen Blickwinkel: die Figuren erscheinen hier zurückgenommener<br />
und es obliegt vor allem dem Orchesterpart,<br />
tiefergehende Einsichten in ihr Seelenleben freizulegen.<br />
So reicht die Wiederaufnahme des Motivs aus Tatjanas<br />
BriefArie, um Eugens plötzlich aufflammende Liebe für sie<br />
aus einer Erinnerung an die junge Frau heraus zu erklären –<br />
gleich dem Geschmack der Madeleine in Marcel Prousts<br />
Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Tatjanas<br />
Entschluss, sich Onegin zu versagen, wird musikalisch mit<br />
demselben VerhängnisMotiv verknüpft, das zuvor Lenski<br />
anhaftete: Wie bei diesem ist der Untergang der jungen<br />
Frau von ihrer Beziehung zum Titelhelden ausgelöst, denn<br />
selbst im Moment der selbstbestimmten Entscheidung –<br />
nämlich sich nicht Onegins sprunghafter Liebe hinzugeben<br />
– ist die junge Frau paradoxerweise Opfer Onegins.<br />
Sie wählt ein Leben ohne Liebe, und so vollzieht sich die<br />
Tragödie in dieser Oper lautlos, im Verzicht. Es ist die leise<br />
Grausamkeit des Alltags, des Privatlebens, die in diesem<br />
Kammerspiel portraitiert wird.<br />
Ingo Kerkhof ist inzwischen als Regisseur für Schauspiel<br />
wie Oper gleichermaßen bekannt und an der Staatsoper<br />
<strong>Hannover</strong> ein regelmäßig eingeladener Gast. In der <strong>Spielzeit</strong><br />
2011/20<strong>12</strong> inszenierte er hier Strauss' und Hofmannsthals<br />
Ariadne auf Naxos, dem gingen die Mozart<br />
Produktionen Die Hochzeit des Figaro und Die Entführung<br />
aus dem Serail sowie Rossinis Italienerin in Algier, Cavallis<br />
La Calisto und Monteverdis L'Orfeo voraus. Er inszenierte<br />
unter anderem am Düsseldorfer Schauspielhaus, am<br />
Deutschen Schauspielhaus Hamburg, am Landestheater Linz,<br />
der Oper Köln sowie am Theater am Neumarkt in Zürich.