Spielzeit 12 13 - Niedersächsische Staatstheater Hannover
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sissi<br />
Mit Sissi macht Jörg Mannes eine Ikone zum Zentrum sei<br />
nes Balletts. Doch die Traumfrau ist in Wirklichkeit keine:<br />
Unzufriedenheit mit ihrer Rolle als Kaiserin gestaltet das<br />
Leben Elisabeths von Österreich als ewige Flucht. Die<br />
Formung ihres Selbst wird zum eigentlichen Inhalt ihres<br />
Daseins. Ruhelosigkeit, Beziehungsunfähigkeit, Magersucht<br />
und Depression sind die Folge.<br />
Der junge Kaiser Franz Joseph verliebt sich bei einem<br />
Besuch in Bad Ischl in seine süße und ungezwungene<br />
15jährige Cousine Elisabeth, genannt Sisi. Bei der Hochzeit<br />
im darauf folgenden Jahr ist aus dem freien und ungestümen<br />
Mädchen eine anmutige aber schüchterne Braut<br />
geworden, die leicht in Tränen ausbricht. Das strenge<br />
Zeremoniell überfordert sie, ihre Pflichten und die Repräsentation<br />
sind ihr ebenso zuwider wie die Hofgesellschaft,<br />
von der sie sich bespitzelt fühlt. Sie leidet unter dem Verlust<br />
ihrer persönlichen Freiheit, Schlaf, Appetitlosigkeit<br />
und chronischer Husten sind die Folge. Das Kaiserpaar ist<br />
sechs Jahre verheiratet, als Elisabeth auf Anraten ihrer<br />
Ärzte auf Madeira eine Kur beginnt. Ihre Kinder, die vierjährige<br />
Gisela und der zweijährige Kronprinz Rudolf, bleiben<br />
in Wien zurück. Wie befreit erlebt Elisabeth ungezwungene<br />
Tage, und zögert das Ende des Aufenthaltes<br />
immer wieder hinaus. Als sie nach zwei Jahren Abwesenheit<br />
schließlich nach Wien zurückkehrt, ist aus der hübschen<br />
Unglücklichen eine stolze Schönheit geworden.<br />
Die Kaiserin beeindruckt durch Anmut und eine geheim<br />
nisvolle Ausstrahlung, aber das genügt ihr nicht: Sie will<br />
Perfektion, arbeitet unerbittlich an der Vollkommenheit<br />
ihres Körpers und macht ihre Schönheitspflege zum Kult,<br />
der den Hauptteil des Tages beansprucht. Sie betont ihre<br />
Individualität und stellt sich bewusst in Widerspruch zum<br />
gängigen Schönheitsideal ihrer Zeit. Gleichzeitig hasst Elisabeth<br />
öffentliche Aufmerksamkeit und entzieht sich ihren<br />
Repräsentationspflichten in einem Maß, dass es dem Ansehen<br />
des Kaiserhauses schadet. Unter Hinweis auf ihre<br />
angegriffene Gesundheit unternimmt Elisabeth immer wieder<br />
ausgedehnte Reisen, doch unterwegs mit Bahn und<br />
Schiff oder auf langen Fußmärschen erweist sich die<br />
Kaiserin als außerordentlich belastbar. Aber die Melancholie<br />
liegt wie ein Schatten über ihr, sie ist oft gereizt und<br />
menschenscheu. Elisabeth hat panische Angst vor dem<br />
Altwerden und dem Verlust ihrer Schönheit. Wohl deshalb<br />
entsteht nach 1868/69 kein offizielles Foto mehr von ihr –<br />
so bleibt sie für immer 32. Ihr gewaltsamer Tod überhöht<br />
ihr außergewöhnliches Leben: Am 10. September 1898<br />
wird Elisabeth, Kaiserin von Österreich und Königin von<br />
Ungarn, in Genf von einem Anarchisten ermordet. Noch<br />
weinen der »seltsamen« Kaiserin nur wenige Menschen<br />
nach, aber schon bald beginnt ihr Nachleben als Ikone Sissi.<br />
Aus retuschierten Fotos wird das Image einer unglücklichen,<br />
schönen Kaiserin kreiert und auf Gedenkbildern,<br />
münzen und anderen Erinnerungsstücken vermarktet. In<br />
den 1920er Jahren rühren Fortsetzungsromane über ihr<br />
Leben die Nachwelt, und in den 1950ern gelingt Ernst<br />
Marischka mit der Filmtrilogie Sissi ein Welterfolg. Er kreiert<br />
das Bild des süßen Mädels, das durch Liebesheirat zur<br />
schönen, guten und verehrten Märchenkaiserin wird. Die<br />
junge Romy Schneider ist die kongeniale Verkörperung<br />
der Figur und macht sie glaubwürdiger als das Original.