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Spielzeit 12 13 - Niedersächsische Staatstheater Hannover

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die meistersinger<br />

VOn nÜrnBerg<br />

Die Meistersinger von Nürnberg gelten bis heute als Fest­<br />

oper schlechthin, an der sich aber auch von Anfang an die<br />

Geister schieden. Für den Musikkritiker Eduard Hanslick,<br />

im allgemeinen ein Wagner­Gegner mit der Fähigkeit zu<br />

einem differenzierten Urteil, gehörte die Oper »zu den interessantesten<br />

musikalischen Abnormitäten«, die als Regel<br />

»das Ende der Musik bedeuten« würden. Und Friedrich<br />

Nietzsche sah darin das widersprüchliche Spiegelbild der<br />

Deutschen: »Sie sind von vorgestern und von übermorgen –<br />

sie haben noch kein Heute.« Die weitere Rezeption des<br />

Werkes in Deutschland, speziell die Vereinnahmung als<br />

»Inkarnation unseres Volkstums« durch die Nazis, hat ein<br />

Übriges getan, um kontroverse Reaktionen herauszufordern.<br />

Aus heutiger Sicht liegt die Faszination der Meistersinger<br />

gerade in der Dialektik des Werkes. Dabei entspricht dem<br />

Widersprüchlichen und Gespaltenen der Personen die<br />

Ambivalenz einer Gesellschaft, deren biedermeierliche<br />

Gemütlichkeit von einer unterschwelligen Aggression<br />

durchzogen wird, die jederzeit in offene Gewalt umschlagen<br />

kann. Die Irritation, die der junge Stürmer und Dränger<br />

Walther von Stolzing auslöst und die vor allem seinen<br />

Gegenspieler Beckmesser zur Verzweiflung, wenn nicht in<br />

den Wahnsinn treibt, wird in der Figur des Hans Sachs<br />

aufgefangen, denn in ihm vereinigen sich alle Widersprüche:<br />

Er ist Außenseiter und anerkannte Autorität, Hüter der<br />

Tradition und Förderer des Neuen, derb zuschlagender<br />

Bollerkopf und sensibler Lenker der Geschichte, schlauer<br />

Taktiker und mitfühlender Freund, sich nach Liebe sehnender<br />

Mann und entsagende Vaterfigur. Er weiß, dass die<br />

Gesellschaft, in der er lebt, gewisse Regeln braucht, um<br />

nicht im Chaos zu versinken. Er weiß aber auch, dass diese<br />

Gesellschaft in Chaos versinkt, wenn die Regeln nicht<br />

dynamisch angewandt werden und keine Ausnahmen<br />

mehr zulassen.<br />

Dass Sachs dennoch kein hehrer Übervater ist, zeigt sich<br />

in seiner Schlussansprache. Sein Versuch, die Dialektik<br />

von Ordnung und Störung, das Spannungsverhältnis zwischen<br />

Regelkanon und Regelverletzung, die Reibung von<br />

Tradition und Traditionsbruch, von Nietzsches »Vor gestern«<br />

und »Übermorgen« durch eine gegenweltliche Utopie von<br />

der »heil'gen deutschen Kunst« aufzulösen, bestätigt seine<br />

innere Zerrissenheit. Mit schonungsloser Offenheit und<br />

feiner Ironie legen Die Meistersinger von Nürnberg, die<br />

man entgegen Wagners ursprünglichem Plan nur bedingt<br />

als Komödie bezeichnen kann, dieses Dilemma bloß.<br />

Regie führt Benedikt von Peter, der in den vergangenen<br />

<strong>Spielzeit</strong>en die beiden gefeierten Produktionen von Nonos<br />

Intolleranza 1960 und von Verdis La traviata an der<br />

Staatsoper <strong>Hannover</strong> inszenierte. Für Intolleranza 1960<br />

erhielt er 2011 den Deutschen Theaterpreis DER FAUST<br />

in der Kategorie »Beste Regie Musiktheater«.

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