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Familienfüchse im Abo

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Plötzlich zu Dritt<br />

Über das „Elternwerden“ haben wir <strong>im</strong><br />

Vorfeld wenig erfahren. „Ein Kind zu<br />

bekommen, ist das Größte“ - da waren<br />

sich alle einig. Selten allerdings hörten<br />

wir ungeschminkte Details und so<br />

schlitterten wir recht unbedarft in<br />

unsere neue Wirklichkeit. Daher nun für<br />

alle in ähnlicher Situation unsere<br />

individuelle, etwas überspitze Darstellung<br />

des Lebens nach: „Hurra, wir<br />

haben ein Baby!“ Falls es in der<br />

folgenden Schilderung einmal nicht so<br />

scheinen mag: wir sind unendlich<br />

glücklich und lieben jede Sekunde mit<br />

unserem kleinen Wunder!<br />

Wir sind jung, dynamisch, lieben uns<br />

und wünschten uns zur Krönung ein<br />

Baby. Schwangerschaft wird nachhaltig<br />

versehen mit dem Prädikat großartig,<br />

wollen wir unbedingt noch einmal! Zur<br />

Geburt muss ich sagen: es gab durchaus<br />

lustige und komische Momente<br />

neben der erlebten einzigartigen Naturgewalt.<br />

Fazit: Kann man hin und wieder<br />

mal mitmachen! Im Krankenhaus lebten<br />

wir unseren rosa Traum: alles war<br />

wunderbar, harmonisch und wir waren<br />

in Sicherheit. Dann aber durften und<br />

wollten wir nach Hause und da waren<br />

wir dann mit unserem Baby allein. Das<br />

aufmerksame Kind registriert den<br />

Atmosphärenwechsel prompt und<br />

schreit. Pr<strong>im</strong>a, die Hebamme kommt<br />

erst morgen. Was nun? Hilflose Blicke<br />

zwischen meinem Mann und mir,<br />

meinem Mann und unserem Baby und<br />

unserem Baby und mir. Ab diesem<br />

Moment verliert sich meine Spur als<br />

eigenständige Person <strong>im</strong> ewigen Zyklus<br />

zwischen Weinen, Stillen, Kuscheln,<br />

Wickeln, Blähungen und Schreien. Im<br />

ersten Monat bleibt wenig Platz für<br />

Illusionen und wenig Zeit, selbst zu<br />

schlafen. Am Anfang ist man noch<br />

euphorisch und dem Schlafmangel<br />

gegenüber gleichgültig. Dann kommt<br />

man aber dahinter: es wird geweint, es<br />

wird gestillt, es wird gedrückt, es wird<br />

geweint, es wird weiter gedrückt, es<br />

wird gepupst, es wird wieder gedrückt,<br />

dann wird die Windel gewechselt und<br />

es wird eine halbe Stunde geschlummert.<br />

So sind wieder zwei bis<br />

drei Stunden vergangen und alles<br />

beginnt von vorn. Dazu kommt dieses<br />

Gefühlschaos zwischen Glück und<br />

Angst, Euphorie und Wahnsinn, Kraft<br />

und Erschöpfung. Nach sechs Wochen<br />

bin ich am Ende, physisch und<br />

Leserpost<br />

Vom Glück Eltern zu sein - nicht nur mit verklärtem Blick<br />

<strong>Familienfüchse</strong> 1/2010 – 11<br />

Eine glückliche Familie be<strong>im</strong> ersten Weihnachtsfest des Nachwuchses. Foto: privat<br />

psychisch ein Wrack. Mein Mann kennt<br />

mich nur noch <strong>im</strong> Schlabberlook und<br />

muss meinen St<strong>im</strong>mungsentladungen<br />

rechtzeitig ausweichen. Das Bad wird<br />

am Abend für eine halbe Stunde mein<br />

liebster Ort - hier bin ich nur für mich.<br />

Dennoch verfolgen mich unter der<br />

Dusche Halluzinationen vom Schreien<br />

meines Sohnes. Wasser aus - Ruhe,<br />

Wasser wieder an. Als Mutter schnürt<br />

es mir die Kehle zu, ich bekomme<br />

einen Kloß <strong>im</strong> Bauch und Hitzewallungen,<br />

wenn das eigene Kind<br />

weint. Diese große Liebe hat einen<br />

Preis und der nennt sich Sorge. Aber<br />

die Natur ist geschickt: gerade jetzt<br />

taucht plötzlich das erste Lächeln auf<br />

und jegliche Qual ist vergessen, wie<br />

weggeblasen!<br />

Im zweiten Monat möchte ich Normalität<br />

für unsere kleine Familie samt<br />

Haushalt. Ich schmiede viele Pläne -<br />

und scheitere. Es ist zu früh. Unvorhersehbare<br />

Irritationen überall. Mal macht<br />

der Kleine einen Entwicklungssprung.<br />

Mal ist meine Brust verhärtet. Stillen ist<br />

am Anfang eine sehr harte Aufgabe.<br />

Die Frau muss es wirklich wollen und<br />

langsam Vertrauen in sich bekommen.<br />

Dann ist es praktisch, gesund und ein<br />

inniger Moment zwischen Mutter und<br />

Kind. Oft ist das Baby abends überreizt<br />

und weint. Mittlerweile bin ich Meisterin<br />

für Erklärungen, wenn unser Sohn<br />

weint. Am häufigsten hört mein Mann<br />

das Wort Blähungen. Nie wieder wird<br />

der Verdauungstrakt ein so best<strong>im</strong>mendes<br />

Thema werden.<br />

Im dritten Monat gibt es bereits viel<br />

Licht und Zuversicht, aber auch Rückschläge<br />

und noch <strong>im</strong>mer wenig Schlaf.<br />

Die erste Erkältung erschöpft uns alle<br />

drei, denn wir durchleben sie alle etwas<br />

Zeit versetzt. Ich wünsche mir mal<br />

wieder etwas Zeit für mich und bin<br />

bereit ein wenig los zu lassen. Ein<br />

Segen ist später die elektrische Milchpumpe.<br />

Meinen Mann nehme ich nun<br />

auch wieder als Partner wahr. Ich bin<br />

ihm dankbar für sein Verständnis.<br />

Hilfreich waren stets die Tipps der Hebamme<br />

und Gespräche mit anderen<br />

jungen Müttern. Heute gibt es Krabbelgruppen,<br />

Babymassage, Babyschw<strong>im</strong>men,<br />

Pädagogisches Spielen<br />

und Stillcafes, so besteht genug Gelegenheit<br />

zum Austausch. Zweifel,<br />

Irrungen und Wirrungen gehören in die<br />

Zeit des Kennenlernens und auf den<br />

Weg in die Elternrolle. Das ist normal.<br />

Unser Sohn ist niedlich, sehr fidel,<br />

gesund und wie ich heute weiß, war er<br />

relativ unkompliziert. Er hat die Drei-<br />

Monats-Schranke passiert und ist damit<br />

aus dem Gröbsten heraus. Was soll<br />

uns als Eltern nun noch erschüttern?<br />

Anne Holtfreter

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