Familienfüchse im Abo
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Ist mein Kind hochbegabt?<br />
Fachbeitrag<br />
Das ist eine Frage, die sich Eltern <strong>im</strong> Zusammenhang mit<br />
der Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder <strong>im</strong>mer dann<br />
stellen, wenn ihr Kind Verhaltensweisen zeigt, die mehr<br />
oder weniger auffällig sind.<br />
Nämlich <strong>im</strong>mer dann, wenn ihr Kind außergewöhnliche<br />
Leistungen in der Schule oder Freizeit zeigt und/oder über<br />
Langeweile in der Schule klagt, wenn es sehr wissbegierig ist<br />
und Fragen stellt, die von ihnen nicht oder nur unzureichend<br />
beantwortet werden können, wenn es eigenständig <strong>im</strong> Vorschulalter<br />
damit beginnt Lesen und Schreiben zu erlernen, sich<br />
Bücher selbst zu erschließen und recht frühzeitig erstaunliche<br />
Fertigkeiten <strong>im</strong> Umgang mit dem Computer äußert. Aber auch<br />
dann, wenn sich das Kind auffällig <strong>im</strong> Umgang in der Familie<br />
bzw. <strong>im</strong> Freundes- und Bekanntenkreis verhält, es aggressiv<br />
bzw. häufig verst<strong>im</strong>mt, sogar depressiv erscheint, wenn den<br />
Eltern auffällt, dass das Kind recht kreativ ist und wissbegierig,<br />
aber in der Schule Minderleistungen erbringt.<br />
Hier handelt es sich um Verhaltensauffälligkeiten, die am<br />
häufigsten angegeben werden, wenn Eltern ihre Kinder für eine<br />
psychologische Diagnostik und Beratung bei der Begabungspsychologischen<br />
Beratungsstelle <strong>im</strong> Institut für Pädagogische<br />
Psychologie an der Universität Rostock „Odysseus-Projekt“ vorstellen.<br />
Es zeigt sich in Gesprächen dann, dass Eltern unsicher<br />
sind bei der Bewertung des Verhaltens ihrer Kinder. Sie merken,<br />
dass viele ihrer erzieherischen Bemühungen, die sich bei<br />
anderen Kindern - Geschwistern und Freunden und Freundinnen<br />
des Kindes - bewährt haben, sich bei ihrem Kind als nicht angemessen<br />
erweisen. Eltern möchten nun wissen, wie sie selbst,<br />
die Kindertagesstätte oder die Schule ihrem Kind besser gerecht<br />
werden können und ob das ungewöhnliche Verhalten tatsächlich<br />
seine Begründung in einer vorliegenden besonderen Begabung<br />
findet. Bei der Suche nach Antworten kann man davon ausgehen,<br />
dass Begabungen zunächst als Dispositionen bzw.<br />
Potentiale individuell angelegt sind. Damit sich das Begabungspotential<br />
aber bis zur Höchstleistung entwickeln kann, sind in<br />
den verschiedenen Begabungsbereichen fast <strong>im</strong>mer lange Lern-<br />
und Übungsphasen nötig. Dabei ist das sich entwickelnde Kind<br />
auf die Förderung durch die Umwelt angewiesen.<br />
<strong>Familienfüchse</strong> 1/2010 - 19<br />
Foto: ©Rainer Sturm/PIXELIO<br />
Die auch vertretende Auffassung,<br />
dass sich besonders<br />
Begabte allein,<br />
ohne externe Hilfe und<br />
gegen widrige Umstände<br />
aufgrund ihrer außergewöhnlichen<br />
Fähigkeiten<br />
durchsetzen, ist ein Trugschluss.<br />
Vielmehr ist unstrittig,<br />
dass z. B. Spitzenleistungen<br />
in Musik und<br />
Sport nur durch langfristiges<br />
intensives Üben<br />
und Trainieren unter Anleitung<br />
von Experten erbracht<br />
werden können.<br />
Eine Studie an Violinspielern<br />
ergab diesbezüglich,<br />
dass die Besten ihres<br />
Faches <strong>im</strong> Alter von 21<br />
Jahren bereits mehr als<br />
10000 Übungsstunden<br />
hinter sich hatten. Bei der<br />
intellektuellen Leistungsfähigkeit<br />
verhält es sich<br />
ebenso. Auch diese muss<br />
dauerhaft durch Wissens- Foto: ©Rainer Sturm/PIXELIO<br />
vermittlung gefördert<br />
werden, durch Aufgabenstellungen herausgefordert, durch<br />
Anerkennung und Lob bekräftigt und durch fähige Pädagogen<br />
und Vorbilder in konstruktive und produktive Bahnen gelenkt<br />
werden. Fähigkeiten, die nicht in Anspruch genommen<br />
werden, entwickeln sich nur unvollkommen und können verkümmern.<br />
Dabei gilt, dass Hochbegabte nicht gleich Hochbegabte<br />
sind. Die Hochbegabten gibt es nicht. Sie unterscheiden<br />
sich in ihrer Persönlichkeit ebenso voneinander wie<br />
normal Begabte. Es gibt Hochbegabte, denen alles geschenkt<br />
zu werden scheint, es gibt Spätentwickler und es gibt Begabte,<br />
die nie eine Chance hatten, ihr Potential zu entfalten.<br />
Manche entwickeln sich zum Experten oder zum außergewöhnlich<br />
kreativen Erwachsenen. Andere unterscheiden<br />
sich in ihrem Beruf nicht von durchschnittlich begabten Erwachsenen.<br />
Zu den Faktoren, die einen positiven Einfluss<br />
auf die Entwicklung Hochbegabter haben, zählen z.B. eine<br />
liebevolle, herausfordernde Umwelt <strong>im</strong> Kleinkind- und Vorschulalter,<br />
eine frühzeitige angemessene und gezielte<br />
Förderung, Rollenvorbilder (können Eltern sein), persönliche<br />
und/oder durch die Umwelt (Elternhaus, Schule) vermittelte<br />
Zielsetzungen, das Vertrauen in die eigenen Leistungen und<br />
Fähigkeiten (positives Selbstkonzept) oder der Erwerb von<br />
Wissen und Fachkenntnissen für die berufliche Entwicklung.<br />
Hochbegabte sind in ihrer Entwicklung emotional normal und<br />
nicht wie manchmal angenommen allgemein störanfälliger als<br />
durchschnittlich Begabte.<br />
Es sollten jedoch einige Besonderheiten, mit denen sie sich<br />
u.U. auseinandersetzen müssen, beachtet werden: Die<br />
Persönlichkeitsentwicklung kann asynchron verlaufen, d.h.<br />
die intellektuelle Entwicklung verläuft schneller als die<br />
emotionale und körperliche. Es besteht dann die Gefahr, dass<br />
Eltern und Lehrer falsche Verallgemeinerungen von der