20 W. M. Weinreich: <strong>Integrale</strong> <strong>Psychotherapie</strong>________________________________________________________________________________werden hier die Wörter »Linien« und »Ebenen« verwendet, da sie in derdeutschsprachigen Diskussion die meistverwendeten sind. 7• Vielfach verwendet Wilber mehrere Worte für einen Gegenstand (z.B.Bewußtseinsebene, -stufe, -welle), je nachdem, welchen Aspekt desselbener besonders betonen möchte. Um Verwirrung zu vermeiden, habeich versucht, mich für das Wort zu entscheiden, das meines Erachtensden Gegenstand am besten charakterisiert und bleibe dann konsequentdabei. Die Wörter »Entwicklungsebene« und »Bewußtseinsebene« werdensynonym verwendet, gleichfalls die Wörter »Entwicklungslinie« und»Bewußtseinslinie«.• Wilber verwendet sowohl das Wort »Höhe« als auch das Wort »Tiefe«für den gleichen Gegenstand: zunehmende Komplexität im Sinne einervertikalen Ausdehnung. So geht also eine Höherentwicklung immer mitmehr Tiefe einher. Das Pendant dazu ist »flach«, verbunden mit einer»größeren Spanne« im Sinne einer horizontalen Ausdehnung.• Auch wenn Wilber in den letzten Jahren bevorzugt die Farben des SpiralDynamics-Systems von Graves und Beck zur Bezeichnung seinerBewußtseinsebenen verwendet, benutze ich aus folgenden Gründenseine alte Nomenklatur der Drehpunkte:a) Es erscheint mir einfacher, sich die frühen, niedrigen, präpersonalenDrehpunkte als D-0 bis D-3, die mittleren, personalen als D-4 bisD-6 und die höheren, transpersonalen als D-7 bis nondual zu merken,anstatt ein Farbsystem auswendig zu lernen.b) D a s Fa r bs ys t e m is t m onol i ne a r und von da her gut ge e i g ne t , de nd ur chs c hni t t l i c he n Bew ußt s e i ns s t a nd ei ner G es el l s c ha ft bz w. di eS el bs t i d ent i f i k a t i on ei ne s Indi v i d uum s mi t ei ner Be wußt s ei ns e be ne zubes chr e i be n. Doch g enüg t es ni c ht , wenn z us ä t zl i ch w ei t e r e Ent -w i c k l ung s l i ni en, S ubpe r s önl i c hk e i t en, e t c . bet r a c ht et we r d en sol l en.c) Durch die ungenügende Differenzierung der transpersonalen Entwicklungsebenenist das Farbsystem der Spiral Dynamics für die Beschreibungdieser Bereiche ungeeignet.TEIL 1Die <strong>Integrale</strong> Psychologie Ken Wilbers7vgl. www.ak-kenwilber.de, www.worldofkenwilber.com, 3. 8. 2003
gekürzte Onlineversion 23________________________________________________________________________________Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,die sich über die Dinge ziehn.Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,aber versuchen will ich ihn.Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,und ich kreise jahrtausendelang;und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturmoder ein großer Gesang.(Rainer Maria Rilke)Da Ken Wilbers Gedanken zur Psychologie in seinem umfangreichen Werkweit verstreut sind, erachte ich es als notwendig, die wesentlichen Inhalteaus seinen Schriften zusammenzufassen, soweit sie mir für das Verständniseiner vorläufigen Theorie einer <strong>Integrale</strong>n <strong>Psychotherapie</strong> notwendig erscheinen.Dies sind insbesondere Erkenntnisse aus seinen Phasen 1-4. Dabeierlaube ich mir, Sachverhalte zu betonen, die implizit in seinen Schriftenvorhanden sind, die er aber nicht besonders herausstellt, da er nicht ausder Sicht eines Psychologen schreibt. Auch wenn ich seine Aspekte der Typen,Zustände und Perspektiven, auf die er besonders im Rahmen seineraktuellen Phase 5 eingeht, als sehr wichtig erachte, halte ich Ihre Vorstellungin diesem Rahmen für nicht unbedingt wichtig, weshalb sie lediglich amRande erwähnt werden. Ergänzt werden Wilbers Ansichten durch meineeigenen Erfahrungen und Überlegungen aus der Sicht der Klinischen Psychologie,so daß es hier also nicht um eine originalgetreue Wiedergabe Wilbersgeht – dafür ist die Originalliteratur zuständig – sondern um eine kreativeWeiterentwicklung seiner Gedanken.D er A uf ba u di es es 1. Tei l es i s t be wußt so g e wä hl t , da ß m i t ei ne r um f a s s end enG es a m t s c ha u beg onne n wi r d , von der a us in ei ne r s pi r a l f ör m i g e n Be we g ungi m m er fe i ner e Det a i l s er s chl os s e n we r de n. Di es es Vor g ehe n is t m .E . nöt i g , das i c h ei ni g e S a c hv er ha l t e ge g e ns e i t i g zum Ve r s t ä nd ni s be d i ng en. Außer de mw i r d da d ur ch si cht ba r , w o e i nze l ne K onz ep t e ihr e n U r s pr ung ha be n.Meine subjektive Zusammenfassung der Wilberschen Gedanken kann dasLesen der Originalliteratur nicht ersetzten. Deshalb sollen vorab die wichtigstenPublikationen Ken Wilbers in Bezug auf das hier behandelte Themaerwähnt werden. Da wäre als erstes »Eros, Kosmos, Logos – eine Vision ander Schwelle zum neuen Jahrtausend« (1995) zu nennen, wo er einen erstenSchritt unternimmt, aus dem vorhandenen Wissen über die bisherigeEntwicklung des Universums und der menschlichen Gesellschaft eine»Theory of Everything« zu destillieren und besonders die Bereiche Psychologie,Ökologie und Soziologie berücksichtigt. Den gleichen Inhalt stellt erverkürzt und gut lesbar in »Eine kurze Geschichte des Kosmos« (1996) dar,weshalb sich dieses <strong>Buch</strong> besonders als Einstiegslektüre empfiehlt. »DasWahre, Schöne, Gute« (1997) beschäftigt sich vorrangig mit speziellen äs-