theoretisch-didaktische grundlagen - Sir Peter Ustinov Institut
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Vorurteile auf individueller Ebene<br />
20<br />
Heimliches Motto<br />
Allgemein<br />
menschliche<br />
Grundausstattung<br />
Wunden, die die<br />
Zeit nicht heilt<br />
Wesentliche<br />
Langzeitwirkungen<br />
Das heimliche Motto hinter dieser Phantasie ausufernder Bedrohlichkeit der vorurteilshaft<br />
Wahrgenommenen könnte also lauten: Um von der in mir lauernden Ohnmachtspanik<br />
nicht überschwemmt zu werden, brauche ich andere, die sich noch viel<br />
hilfloser fühlen müssen als ich, und durch deren Verfolgung ich mir ein zumindest vorübergehendes<br />
Gefühl von Stärke, Überlegenheit und Souveränität verschaffen kann.<br />
Zentrale Elemente von Vorurteilen<br />
> Verachtung aufgrund der Unsicherheiten und Bruchstellen des Selbstwertempfindens.<br />
> Schwarz-Weiß-Denken aufgrund der Schwierigkeit, sich gegensätzliche Gefühle<br />
einzugestehen und in eine tragfähige Balance zu bringen.<br />
> Angst vor Bedrohung aufgrund der Unfähigkeit, sich von den unvermeidlichen<br />
Lebenserfahrungen von Hilflosigkeit weder in Allmachtswahn noch in Ohnmachtspanik<br />
treiben zu lassen.<br />
Die grundlegenden psychologischen Notlagen, die hinter den drei eben erörterten Motiven<br />
erkennbar werden (siehe zusammenfassenden Kasten), dürften nun, wie bereits<br />
angedeutet, zu unserer allgemeinen menschlichen Grundausstattung gehören. Das<br />
diesen Notlagen innewohnende Gefahrenpotenzial, das zu schweren Vorurteilen und<br />
entsprechend diskriminierenden Einstellungen und Handlungen führen kann, kommt<br />
aber (wie ebenfalls bereits angedeutet) im Wesentlichen erst dann und insofern zum<br />
Tragen, als sie einer offenen und selbstkritischen Auseinandersetzung entzogen sind<br />
und sich dadurch zu zwanghaften – d.h. von nicht eingestandenen und nicht durchschauten<br />
Ängsten beherrschten – Reaktionsweisen verhärten.<br />
Traumatische Ursprünge<br />
Von Ängsten beherrscht zu werden, deren Existenz oder Beweggründe nicht (oder nur<br />
sehr ungenügend) anerkannt werden können, verweist nun letzten Endes auf traumatische<br />
Ursprünge, d.h. auf Erlebnisse von Hilflosigkeit und Kränkung, in einem so<br />
überwältigenden Ausmaß, dass die betreffenden Menschen keine Chance haben, angemessen<br />
darauf zu reagieren, und sie daher nachhaltig abspalten (aus ihrem Bewusstsein<br />
„wegsperren“) müssen. Solange traumatisches Erleben in diesem abgespaltenen<br />
Zustand „feststeckt“, bleibt ihm auch der normale Weg psychischer<br />
Verarbeitung versperrt, über den Verletzungen, Belastungen, Schicksalsschläge usw.<br />
ansonsten nach und nach überwunden werden können. Psychische Traumen kann<br />
man daher als Wunden verstehen, für die die Regel „Die Zeit heilt Wunden“ nicht (oder<br />
nur sehr eingeschränkt) gilt. Die traumatische Abspaltung liefert nicht zuletzt auch einen<br />
maßgeblichen Hintergrund für die drei erörterten zentralen Vorurteilsmotive der<br />
Verächtlichkeit (eines brüchigen Selbstwertempfindens), eines „Schwarz-Weiß“-<br />
Denkens (unüberbrückbarer Gefühlsambivalenzen) und überschießender Bedrohlichkeit<br />
(einer Unfähigkeit, mit unserer relativen Hilflosigkeit konstruktiv umzugehen).<br />
Anhand eines viele Menschen in ihrer frühen Lebensgeschichte prägenden Traumas –<br />
als Kind mit seinen echten Wünschen, Neigungen und Gefühlen von den elterlichen<br />
Bezugspersonen grundlegend abgelehnt zu werden – beschreibt der Psychoanalytiker<br />
Arno Gruen einige wesentliche Langzeitwirkungen, die einen tief verankerten Zwang zu<br />
Vorurteilen nachvollziehbar machen. „Als Kinder waren wir ausgeliefert und hilflos“,<br />
erläutert er. „Unser Überleben hing von einer Übereinstimmung mit den Eltern ab.“<br />
(Gruen, 2000, 23) „Ein Kind ist nicht in der Lage, sich gegen die drohende Kälte elterlicher<br />
Autorität zur Wehr zu setzen.“ (ebd., 39) In noch höherem Maße als bei Erwachsenen<br />
kommt beim Kind die für traumatisches Erleben charakteristische Reaktion zum