03.12.2012 Aufrufe

theoretisch-didaktische grundlagen - Sir Peter Ustinov Institut

theoretisch-didaktische grundlagen - Sir Peter Ustinov Institut

theoretisch-didaktische grundlagen - Sir Peter Ustinov Institut

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vorurteile auf individueller Ebene<br />

20<br />

Heimliches Motto<br />

Allgemein<br />

menschliche<br />

Grundausstattung<br />

Wunden, die die<br />

Zeit nicht heilt<br />

Wesentliche<br />

Langzeitwirkungen<br />

Das heimliche Motto hinter dieser Phantasie ausufernder Bedrohlichkeit der vorurteilshaft<br />

Wahrgenommenen könnte also lauten: Um von der in mir lauernden Ohnmachtspanik<br />

nicht überschwemmt zu werden, brauche ich andere, die sich noch viel<br />

hilfloser fühlen müssen als ich, und durch deren Verfolgung ich mir ein zumindest vorübergehendes<br />

Gefühl von Stärke, Überlegenheit und Souveränität verschaffen kann.<br />

Zentrale Elemente von Vorurteilen<br />

> Verachtung aufgrund der Unsicherheiten und Bruchstellen des Selbstwertempfindens.<br />

> Schwarz-Weiß-Denken aufgrund der Schwierigkeit, sich gegensätzliche Gefühle<br />

einzugestehen und in eine tragfähige Balance zu bringen.<br />

> Angst vor Bedrohung aufgrund der Unfähigkeit, sich von den unvermeidlichen<br />

Lebenserfahrungen von Hilflosigkeit weder in Allmachtswahn noch in Ohnmachtspanik<br />

treiben zu lassen.<br />

Die grundlegenden psychologischen Notlagen, die hinter den drei eben erörterten Motiven<br />

erkennbar werden (siehe zusammenfassenden Kasten), dürften nun, wie bereits<br />

angedeutet, zu unserer allgemeinen menschlichen Grundausstattung gehören. Das<br />

diesen Notlagen innewohnende Gefahrenpotenzial, das zu schweren Vorurteilen und<br />

entsprechend diskriminierenden Einstellungen und Handlungen führen kann, kommt<br />

aber (wie ebenfalls bereits angedeutet) im Wesentlichen erst dann und insofern zum<br />

Tragen, als sie einer offenen und selbstkritischen Auseinandersetzung entzogen sind<br />

und sich dadurch zu zwanghaften – d.h. von nicht eingestandenen und nicht durchschauten<br />

Ängsten beherrschten – Reaktionsweisen verhärten.<br />

Traumatische Ursprünge<br />

Von Ängsten beherrscht zu werden, deren Existenz oder Beweggründe nicht (oder nur<br />

sehr ungenügend) anerkannt werden können, verweist nun letzten Endes auf traumatische<br />

Ursprünge, d.h. auf Erlebnisse von Hilflosigkeit und Kränkung, in einem so<br />

überwältigenden Ausmaß, dass die betreffenden Menschen keine Chance haben, angemessen<br />

darauf zu reagieren, und sie daher nachhaltig abspalten (aus ihrem Bewusstsein<br />

„wegsperren“) müssen. Solange traumatisches Erleben in diesem abgespaltenen<br />

Zustand „feststeckt“, bleibt ihm auch der normale Weg psychischer<br />

Verarbeitung versperrt, über den Verletzungen, Belastungen, Schicksalsschläge usw.<br />

ansonsten nach und nach überwunden werden können. Psychische Traumen kann<br />

man daher als Wunden verstehen, für die die Regel „Die Zeit heilt Wunden“ nicht (oder<br />

nur sehr eingeschränkt) gilt. Die traumatische Abspaltung liefert nicht zuletzt auch einen<br />

maßgeblichen Hintergrund für die drei erörterten zentralen Vorurteilsmotive der<br />

Verächtlichkeit (eines brüchigen Selbstwertempfindens), eines „Schwarz-Weiß“-<br />

Denkens (unüberbrückbarer Gefühlsambivalenzen) und überschießender Bedrohlichkeit<br />

(einer Unfähigkeit, mit unserer relativen Hilflosigkeit konstruktiv umzugehen).<br />

Anhand eines viele Menschen in ihrer frühen Lebensgeschichte prägenden Traumas –<br />

als Kind mit seinen echten Wünschen, Neigungen und Gefühlen von den elterlichen<br />

Bezugspersonen grundlegend abgelehnt zu werden – beschreibt der Psychoanalytiker<br />

Arno Gruen einige wesentliche Langzeitwirkungen, die einen tief verankerten Zwang zu<br />

Vorurteilen nachvollziehbar machen. „Als Kinder waren wir ausgeliefert und hilflos“,<br />

erläutert er. „Unser Überleben hing von einer Übereinstimmung mit den Eltern ab.“<br />

(Gruen, 2000, 23) „Ein Kind ist nicht in der Lage, sich gegen die drohende Kälte elterlicher<br />

Autorität zur Wehr zu setzen.“ (ebd., 39) In noch höherem Maße als bei Erwachsenen<br />

kommt beim Kind die für traumatisches Erleben charakteristische Reaktion zum

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!