theoretisch-didaktische grundlagen - Sir Peter Ustinov Institut
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Vorurteile in der Altersgruppe der Zehn- bis Vierzehnjährigen<br />
28<br />
10–14: homogene<br />
Gruppe?<br />
Hypothese der<br />
Entwicklungspsychologie<br />
Psychosoziale<br />
Ich-Entwicklung<br />
Entwicklung in Stufen<br />
Jugendliche brauchen Vorurteile<br />
Vor der Begründung dieser reichlich provokanten These gilt es zunächst zu klären, ob<br />
es die Zehn- bis Vierzehnjährigen als homogene Altersgruppe denn überhaupt gibt.<br />
Ja, sagt die traditionelle Entwicklungspsychologie. Das bis heute einflussreichste Paradigma<br />
gründet auf der Annahme, dass sich Entwicklung in Schüben ereignet, die in<br />
deutlich voneinander abgrenzbaren Phasen verläuft. Dass es in der postmodernen<br />
Gesellschaft der Gegenwart weiter ausdifferenziert werden muss, davon soll noch die<br />
Rede sein. Hier geht es zunächst um klassische Basissätze einer Theorie.<br />
Das Fundament dieses Paradigmas steckt in der Hypothese, dass Entwicklung nach<br />
einem inneren Plan verlaufe, der biologisch vorgezeichnet sei und sich in der Auseinandersetzung<br />
mit der jeweiligen Umwelt entfalte. Sobald eine bestimmte Entwicklungsstufe<br />
erreicht werde, bleibe der jeweils aktuelle psycho-soziale Entwicklungsgrad für<br />
einige Jahre konstant, verändere sich nur quantitativ. Der qualitative Sprung zu einer<br />
neuen, reiferen Lebensphase erfolge erst, wenn die nächste Stufe der körperlichen<br />
Reifung vollzogen sei. Es gebe freilich Abweichungen von diesem Normalverlauf, sogar<br />
Rückschritte, aber im Allgemeinen lasse sich eine annähernd genaue, für alle Menschen<br />
gültige Abfolge der einzelnen Phasen benennen. Sie verlaufe „altersgemäß“. Es gebe<br />
also Stufen der Entwicklung, die bestimmten Jahrgängen entsprächen. Allerdings, so<br />
wird eingeräumt, könne es individuelle oder gruppenspezifische Ausnahmen geben.<br />
Faktum sei jedoch, dass jeder und jede alle Stufen durchlaufen müsse.<br />
Es war Charlotte Bühler, die als Erste diese schon seit langer Zeit als Erzieherwissen<br />
gehandelten Beobachtungen und Annahmen systematisierte, theoretisierte und zur<br />
Teildisziplin der Psychologie adelte (Bühler 1922). Der bekannteste, bis heute oft zitierte<br />
Versuch, Lebensalter in Entwicklungsschritte mit jeweils ganz bestimmter Charakteristik<br />
und ganz bestimmten Aufgaben einzuteilen, stammt vom Psychoanalytiker Erik H.<br />
Erikson. Er bezieht sich, im Unterschied zu Bühler, auf Freud und seine Lehre von der<br />
Entwicklung der Triebe. Im Unterschied zu Freud, demzufolge der Sexualität im<br />
Pubertätsalter besondere Bedeutung zukommt, weil sie zum Motor der Auseinandersetzung<br />
mit gesellschaftlichen Normen wird, wird in Eriksons Theorie die psychosoziale<br />
Ich-Entwicklung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. In jeder ihrer Entwicklungsstufen<br />
müsse der Mensch eine neue Einstellung zu sich selbst und zu seiner<br />
Umwelt finden. Jede dieser Stufen habe eine ganz besondere Thematik, die sich<br />
gegen Ende einer Phase krisenhaft zuspitze. Die Krise jedoch leite einen weiteren Entwicklungsschritt<br />
ein: „Ego growth through crisis resolution“ (Erikson 1966, 107 und 211)<br />
heißt Eriksons Formel. Da sein Entwurf besonders großen Einfluss auf das Denken<br />
und Handeln von Menschen in pädagogischen Berufen hat, sei hier der für uns relevante<br />
Abschnitt aus Eriksons berühmter Tabelle zitiert:<br />
Identität und Lebenszyklen: Adoleszenz<br />
Phase der Psychosoziale Umkreis der Elemente der Psychosoziale Psychosexuelle<br />
Entwicklung Krisen Bezugspersonen Sozialordnung Modalitäten Phase<br />
Adoleszenz Identität und „Eigene“ , Ideologische Wer bin ich Pubertät<br />
(Übergangs- Ablehnung gg. Gruppen „die Perspektiven (wer bin ich<br />
stadium von der Identitäts- anderen“. nicht)?<br />
Kindheit zum diffusion Führer-Vorbilder Das Ich in der<br />
Erwachsensein) Gemeinschaft<br />
Erikson 1971, 214–215