theoretisch-didaktische grundlagen - Sir Peter Ustinov Institut
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Didaktische Leitprinzipien vorurteilssensiblen Unterrichtens<br />
36<br />
Stabilisierungsfaktor<br />
Werte<br />
Normative Grundelemente<br />
von Kulturen<br />
Kein verbindlicher<br />
Konsens (mehr)<br />
Wert des Pluralismus<br />
Vermittlung<br />
Leitprinzip A: Werteerziehung<br />
Brauchen wir Werte?<br />
„Ach, die Werte!“ – so lautet der Titel einer kleinen Streitschrift von Hartmut von Hentig<br />
(1999). Doch wie ist dieser mehrdeutige Ausruf zu verstehen? Ist damit die selbstgefällige<br />
Abwehr von etwas Antiquiertem, gar eine mit der gelangweilten Geste des<br />
Abwinkens verbundene Haltung gemeint? Oder kennzeichnet der Ausruf eher das<br />
Seufzen derjenigen, von denen ein Mehr an pädagogischen Anforderungen im Hinblick<br />
auf Werteerziehung erwartet wird? Werte – so der Grundtenor vieler Redebeiträge,<br />
unzähliger Zeitungsartikel und Kommentare – sollen unsere „Verhältnisse“ stabilisieren<br />
und das ins Gleichgewicht bringen, was in der Gesellschaft als ungeordnet<br />
erscheint. Offenbar geht die letztgenannte Forderung davon aus, dass es im Blick auf<br />
gemeinsame Werte in unserer Gesellschaft Defizite gibt.<br />
Werte, Wertewandel und Grundwerte<br />
Was sind eigentlich Werte? Werte sind Vorstellungen von gesellschaftlich Wünschenswertem<br />
und damit normative Grundelemente von Kulturen, die im Plural zu<br />
denken sind (Greiffenhagen/Greiffenhagen 2000, 19). Aufgrund ihrer kollektiven Verbindlichkeit<br />
bieten sie eine Orientierung für individuelles Handeln. Durch ihre Verinnerlichung<br />
werden Werte zu Werteorientierungen und handlungsleitenden Normen,<br />
die individuell durchaus verschieden ausgeprägt sein können (vgl. Klages 2002).<br />
Zweifelsohne muss man konstatieren, dass sich im Zuge des Wertewandels, der<br />
spätestens seit Mitte der 1970er-Jahre ins Zentrum des akademischen Interesses<br />
gerückt ist, Prozesse und Veränderungen vollzogen haben, die als Pluralisierung<br />
und Individualisierung, als Entstrukturierung der Lebensverhältnisse bei gleichzeitiger<br />
Zunahme unterschiedlicher Lebensstile bezeichnet werden (ebd.). Damit<br />
haben sich Werte, Normen und deren Anspruch auf Gültigkeit verändert. In pluralistischen<br />
Gesellschaften kann über bestimmte Grundfragen der Lebensführung und<br />
-gestaltung kein verbindlicher Konsens (mehr) erzielt werden. Vielmehr liegen den<br />
unterschiedlichen Lebensstilen und Milieus häufig Werte zu Grunde, die miteinander<br />
konkurrieren. Dieser Tatbestand verdeutlicht, dass schulische und außerschulische<br />
Bildung Kinder und Jugendliche dazu befähigen muss, (Werte-)Pluralität zu<br />
ertragen.<br />
Wenn auch ein demokratisches Gemeinwesen keinen für alle verbindlichen Wertehorizont<br />
vorschreiben kann, sind demokratisch verfasste Systeme dennoch auf bestimmte<br />
förderliche Werthaltungen angewiesen. Sie brauchen die Orientierung der Bürgerinnen<br />
und Bürger an denjenigen Grundwerten, auf denen unsere Demokratie fußt (vgl. Breit<br />
2000). Gleichzeitig hat der Staat zu garantieren, dass es einen friedlichen Wettbewerb<br />
unterschiedlicher Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft geben kann. Freiheitlich<br />
verfasste Staaten müssen sich bewusst sein, dass sie ein erhebliches Maß an Wertekonflikten<br />
auszuhalten haben (vgl. Sutor 1997, 81ff.). Somit ist der demokratisch verfasste<br />
Staat an sich schon werthaltig.<br />
Werteerziehung in der Schule<br />
Obwohl der Staat keine Werte zu produzieren vermag, muss er sicherstellen, dass<br />
„Werteagenturen“ in unserer Gesellschaft tätig sein, Werte vermitteln und vor allem<br />
erfahrbar machen können. Eine demokratische politische Kultur entwickelt sich nicht<br />
ohne Weiteres von selbst (vgl. Goll 2010). Demokratiebildung wird wesentlich „durch<br />
Werterziehung ergänzt und fundiert“ (Gugel, 2010, 368).