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theoretisch-didaktische grundlagen - Sir Peter Ustinov Institut

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Vorurteile in der Altersgruppe der Zehn- bis Vierzehnjährigen<br />

32<br />

Inhalte sekundär<br />

Tradition als<br />

Belastung<br />

Gespiegelte<br />

Zurückweisung<br />

Pseudolösung<br />

innerpsychischer<br />

Konflikte<br />

Suche nach<br />

Angstabwehr und<br />

Selbstständigkeit<br />

nie so zutreffend war wie heute. Das Medium hat keine inhaltliche Botschaft. Aber es<br />

zwingt dem Nutzer, der Nutzerin eine Form der Botschaft auf, die den Inhalt sekundär<br />

macht. Seine eigene Struktur ist diese Botschaft. Und diese Struktur ist in ihrer<br />

Syntax der Struktur von Vorurteilen sehr ähnlich. Noch umfassender gedacht: Die<br />

Sprache der Postmoderne ist das Medium, das es zu untersuchen gälte. Denn Heideggers<br />

Dictum „Die Sprache spricht, nicht der Mensch“ (Heidegger 1957, 161) gilt<br />

vor allem für eine Gesellschaft, deren öffentlicher Sprachgebrauch, von Massenmedien<br />

bis zu Social Netwerks à la Facebook, von kommunikativem Minimalismus ohne<br />

Argumentation bis hin zur Favorisierung dichotomer Weltwahrnehmung geprägt ist.<br />

Die Sprache der Vorurteile ist hinreichend untersucht. Eine Untersuchung, inwiefern<br />

der aktuelle Sprachgebrauch bzw. dessen innere Struktur die Bildung von Vorurteilen<br />

begünstigt, wäre noch zu leisten.<br />

Vorurteile bei Jugendlichen mit migrantischem Hintergrund<br />

Eine andere Genese und Funktion haben Vorurteile bei Jugendlichen mit migrantischem<br />

Hintergrund. Bei ihnen sind stabile Familienstrukturen zumindest als<br />

Wunschbilder, wenn auch längst nicht immer in der Realität, sehr präsent. Dort, wo<br />

sie tatsächlich bestehen, werden diese Strukturen wegen der marginalisierten Position<br />

von Migranten in der Gesellschaft oft sogar noch verfestigt, um das Überleben in<br />

der Aufnahmegesellschaft zu sichern, die ihnen weitgehend die Anerkennung verweigert.<br />

Sie sind die bevorzugte Zielscheibe der ausgrenzenden Vorurteile. Darauf<br />

reagieren sie häufig mit Abwertung der Mehrheitskultur. Doch die Situation ist zweischneidig.<br />

Oft wird das, was abgelehnt wird, insgeheim und unbewusst bewundert,<br />

zugleich wird der Druck der eigenen Familientradition als Belastung erlebt. Jugendliche<br />

aus solchen Familien haben dann das Gefühl, sie seien in einem Käfig gefangen.<br />

Das spüren insbesondere Mädchen, die sich dem Lebensstil ihrer gleichaltrigen<br />

Mitschülerinnen aus der Mehrheitsbevölkerung annähern wollen. Um sich gefährliche<br />

Konflikte mit der Familie zu ersparen, brauchen Jugendliche mit migrantischem<br />

Hintergrund die abwertenden Vorurteile gegenüber dem Lebensstil dieser Mehrheit,<br />

die sie sich vom Leibe halten müssen, obwohl sie in ihrem Innersten das vielleicht gar<br />

nicht wollen. Die Verweigerung der Anerkennung, weil ihre Anpassung nach der vorurteilsbeladenen<br />

Meinung dieser Mehrheit zu enge Grenzen hat, wird beantwortet mit<br />

einem Wall von Vorurteilen gegenüber den Ausgrenzern. 6 Damit versuchen sie letztlich<br />

jene innere Würde zu bewahren, die ihnen abgesprochen wird.<br />

Vorurteile als Schiefheilungen – Eine psychoanalytisch inspirierte<br />

Interpretation<br />

Vorurteile der Zehn- bis Vierzehnjährigen sind Schiefheilungen im psychoanalytischen<br />

Sinn. Unter Schiefheilung versteht Freud die Pseudolösung innerpsychischer<br />

Konflikte. 7 Wendet man den Begriff sinngemäß auf unsere Frage nach der<br />

Vorurteilsneigung der Zehn- bis Vierzehnjährigen an, ist Schiefheilung das Ausagieren<br />

eines inneren Konflikts. Bei westlich sozialisierten Jugendlichen ist es der Angst erzeugende<br />

Konflikt zwischen der schmerzhaften Trennung von der engen Bindung an<br />

die Familie bzw. die eigene Primärgruppe und dem Wunsch nach Autonomie und<br />

Selbstständigkeit, der zur bereits angesprochenen Identitätsproblematik führt. Bei<br />

Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist es die verletzende Erfahrung, dass<br />

ihnen die Anerkennung versagt bleibt. Die Hinwendung der einen zur Gruppe der<br />

Gleichaltrigen, die nun statt der Eltern als relevant others wahrgenommen werden,<br />

ist ein Schritt auf der Suche nach Angstabwehr und Selbstständigkeit. Die Vorurteilsbereitschaft<br />

der Migranten hat eher die Funktion, sich gegenseitig darin zu

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