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theoretisch-didaktische grundlagen - Sir Peter Ustinov Institut

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Siegfried Frech und Elfriede Windischbauer<br />

44<br />

Schlüsselkategorien<br />

„Dissenskultur“<br />

wichtig<br />

Beziehungsorientierung<br />

Rationalität wird<br />

individuell empfunden<br />

„Immunisierung“<br />

tionsagentur mehr denn je gefragt. Unzureichende Erfahrungsräume, abnehmende<br />

Eigenständigkeit und immer weniger Gelegenheiten, selbstständig und eigenverantwortlich<br />

soziale Erfahrungen machen zu können, sind ein Kennzeichen heutiger Kindheit<br />

(vgl. Zeiher 1994)<br />

Vorurteilssensibler Unterricht – Beziehungsorientierung anstatt Belehrung<br />

„Heterogenität“ und „Diversität“ sind im aktuellen pädagogischen Diskurs häufig verwendete<br />

Begrifflichkeiten. Eine solche Konjunktur lässt die Schlussfolgerung zu, dass<br />

die Akzeptanz von Heterogenität und Diversität eine zentrale Herausforderung für<br />

Schule und Unterricht darstellt (vgl. Holzbrecher 2009). Ein angemessener Umgang<br />

mit Unterschiedlichkeit(en) und mit (kultureller) Vielfalt sind Schlüsselkategorien<br />

schulischen Lernens geworden. Eine solche Bildungs- und Erziehungsarbeit beinhaltet<br />

notwendigerweise diskursive Elemente. Gefordert sind das Aushalten von Konflikten<br />

sowie das Zulassen von dissonanten Perspektiven und der konstruktive Umgang<br />

damit. Begegnungen zwischen unterschiedlichen Ethnien und Kulturen produzieren<br />

häufig Situationen und Konfliktfelder, die eine „Dissenskultur“ voraussetzen. Gefordert<br />

sind Grundqualifikationen, die den eigentlichen Kern sozialen Lernens ausmachen:<br />

Empathie, Rollendistanz und Ambiguitätstoleranz, d.h. die Fähigkeit, unterschiedliche<br />

Interessen, Erwartungen und Bedürfnisse aushalten zu können und bei<br />

der Herstellung einer möglichen Übereinkunft zu berücksichtigen (s. Kasten „Ziel des<br />

sozialen Lernens“) (vgl. Krappmann 1975).<br />

Ein alle sozialen Grundqualifikationen übergreifendes Prinzip vorurteilssensiblen<br />

Lernens ist die Beziehungsorientierung. Beziehungsarbeit ist deshalb so wichtig,<br />

weil intensive soziale Beziehungen immer untypischer im Lebensalltag und Lebenszusammenhang<br />

von Kindern und Jugendlichen geworden sind. Besteht eine<br />

tragfähige pädagogische Beziehung, dann können Schülerinnen und Schüler ihre<br />

Meinung frei artikulieren, ohne dass sie Sanktionen befürchten müssen oder gar<br />

Abwehr bei den Lehrenden hervorrufen. Wenn Schülerinnen und Schüler vorurteilsbehaftete,<br />

fremdenfeindliche oder (rechts-)populistische Sprüche äußern,<br />

handelt es sich aus der Sicht des aufgeklärten Beobachters, der aufgeklärten Beobachterin<br />

um irrationale und falsche Vorurteile, die ethisch verwerflich sind und<br />

einer rationalen Überprüfung nicht standhalten. Dies ist zunächst richtig, blendet<br />

aber aus, dass es für diejenigen, die diese Denkmuster von sich geben, subjektiv<br />

plausibel ist. Wenn Kinder und Jugendliche solche Formeln und Sprüche verwenden,<br />

sagt dies doch aus, dass sie auf Deutungs- und Bewertungsmuster zurückgreifen,<br />

die ihnen zur Erklärung der politischen und sozialen Wirklichkeit angeboten<br />

werden. Jeder nunmehr gut gemeinte Versuch, Vorurteile durch Informationen<br />

und Argumente widerlegen zu wollen, muss deshalb mit erheblichen Widerständen<br />

rechnen. Neue und gegensätzliche Informationen fordern dazu auf, subjektiv bislang<br />

als glaubwürdig betrachtetes Wissen aufzugeben. Dies produziert in aller Regel<br />

Abwehr und Lernbarrieren. Die Entwicklung und Verfestigung von Lernbarrieren<br />

wird dann umso wahrscheinlicher, wenn auf vorurteilsbehaftete Äußerungen<br />

moralisierend reagiert wird. Problematisch ist, dass bei Belehrungen von oben<br />

herab Ausgrenzung praktiziert wird: Betroffenheitsrhetorik ersetzt Analyse und argumentatives<br />

Vorgehen.<br />

Soziale Grundqualifikationen<br />

Eine Leitidee vorurteilssensibler Bildungsarbeit ist die Förderung von Grundqualifikationen<br />

sozialen Handelns. Die Vermittlung immunisierender Erfahrungen und Einsichten,<br />

welche auf die nachfolgenden sozialen Grundqualifikationen abheben,<br />

scheint – vor allem dann, wenn soziales Lernen als Querschnittsaufgabe betrachtet<br />

wird und ein Bestandteil der Schulentwicklung ist – vielversprechend.

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