Journal - Jänner 2007 - Zentralverein der Wiener Lehrerschaft

LESEERZIEHUNG - WERTEERZIEHUNGKinderfreunde in 75 Jahre Kinderfreunde 1982,S. 390).Dies formulierte bereits Max Adler (1873 – 1937),der große sozialistische Denker, Philosoph desAustromarxismus, bedeutender Wiener Soziologeund Kinderfreund der 20er Jahre, indem erforderte: „Jede Erziehung muss darauf aus gehen,den Zögling mit dem Geist der freiesten Selbständigkeitim Denken und Fühlen zu erfüllen, sodassjedes Kind nicht nur ein physisch neuer Menschsondern auch ein seelisch neuer Mensch wird ( … )nur so kommt die Welt weiter.“ (Adler 1924, S.23).In den Leitvorstellungen für eine sozialistischeErziehung werden daher im St. Pöltner Programmfolgende Erziehungsziele formuliert:Ziel der Erziehung ist der· stets lernende,· zur Leistung bereite,· den Schwachen helfende,· sich selbst bestimmende,· den anderen gleiches Recht zuerkennende,· auf demokratischer Basis zusammenarbeitende,· verantwortungsbewusste,· Herrschaft über Menschen nicht duldende,· für den Frieden eintretende Mensch (vgl.Grundsatzprogramm der ÖsterreichischenKinderfreunde in 75 Jahre Kinderfreunde1982, S. 390).Weihnachtsbuchaktion derKinderfreundeVier Buchbeispiele aus der Weihnachtsbuchaktionder Kinderfreunde möchte ich vorstellen.Zwei Bücher stammen aus dem Jahr 1948, zweiBuchbeispiele sind der aktuellen Buchaktion2004 entnommen. Bei den Buchvorstellungenwird der Versuch einer kurz angedachten Werteanalyseunternommen.Die ersten beiden Bücher sind aus der Weihnachtsbuchaktion2004.Das erste Buch heißt „Die Busfahrerin“, geschriebenwurde es von einem jungen Franzosennamens Vincent Cuvellier.Die Busfahrerin von VincentCuvellierZum Inhalt:Tagtäglich fährt Benjamin mit dem Bus zurSchule in die Stadt. Am Steuer sitzt eine Frau.Diese findet Benjamin eklig, stinkend, großnasigund nicht nett. Auch die anderen Kinder spottenüber sie, man munkelt sogar, sie wäre keineechte Frau, sondern ein Mann.Eines Morgens schläft Benjamin unterwegs einund wird erst am Ende der Busfahrt von Yvette,der Busfahrerin, geweckt. Benjamins Elternkönnen ihn nicht abholen, so muss der Bub denTag über bei Yvette verbleiben. Er ist zunächstdarüber gar nicht erfreut und Yvette schon garnicht. Trotzdem wird es ein besonderer Tag. Diebeiden fahren zuerst ans Meer, dann zu einemalten Mann, dem sie ein Mittagessen kochen,danach müssen sie unbedingt noch einmal ansMeer, weil Benjamindort niemit seinen Elternist. Sie fahrenmit einem Bootaufs Meer hinausund holenReusen ein. Bevorsie zurück indie Stadt fahren,kehren sie nochin einer Bar ein.Sie trinken dortKaffee und Pfef-ferminzsirup-Whisky auf Eisund spielen Flipper.Bis zumAbend, als Yvette Benjamin wieder zurück nachHause bringt, ist eine wunderbare Freundschaftentstanden. Benjamin hat vor allem viel Neuesgelernt: Wie man Erbsen auslöst, wie man richtigrudert, wie man Fische fängt, wie man alteMenschen pflegt und auch, dass Menschen oftganz anders sind als sie aussehen.Das Äußere eines Menschen täuscht, hat oftnichts mit dem zu tun, wie er ist. Dies erlebtauch Benjamin. Ursprünglich ist auch er, derskeptische Junge, vom Aussehen der Busfahrerinvoreingenommen.„Sie stinkt, sie ist eklig, und sie hat eine großeNase. Ich sehe sie jeden Tag, und jeden habe ichLust, ihr zu sagen: „Du stinkst, du bist eklig,und du hast eine große Nase.“Doch jeden Tag sage ich: „Guten Tag, Madame“, und zeige ihr den Fahrausweis mit meinemFoto. Sie ist mein Fahrer, nein, meine Fahrerin.Journal /:13