JOURNAL /: PERSPEKTIVE DES ZENTRALVEREINS DER WIENER LEHRERINNEN - WWW.ZV-WIEN.AT JÄNNER <strong>2007</strong>Auf das Fundament kommt es an -Überlegungen zu einer gezielt aufgebautenFör<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lesekompetenz auf <strong>der</strong>Sekundarstufe I.ZukunftsinvestitionLeseför<strong>der</strong>ung„Schiefe“ Sicht auf das Lesen?Umfangreiche Diskussionen haben die Ergebnisse <strong>der</strong> PISA-Studie2003 ausgelöst. Konsequenzen, Folgerungen für die Schulpraxiswerden gezogen, Empfehlungen für die Bildungspolitik abgegeben.Zentrales Anliegen ist Unterrichtsqualität zu sichern,weiterzuentwickeln und zu steigern, eine allgemeine Kultur <strong>der</strong>Wertschätzung und Anstrengung des Lernens zu verankern.Strukturelle Än<strong>der</strong>ungen sind unausweichlich, aber auch je<strong>der</strong>einzelne Schulstandort soll und muss sich mit <strong>der</strong> Thematikauseinan<strong>der</strong>setzen, denn „Leseför<strong>der</strong>ung ist die preiswertesteZukunftsinvestition für Individuen, Wirtschaft und Gesellschaft“(RING, K. (1997), S. 155).von Gabriele Wehlend.Mag. Dr. Gabriele Wehlend istAbteilungsleiterin für dieschulpraktischen Studien an <strong>der</strong>Pädagogischen Akademie desBundes in Wien 10.Foto: OtratowitzSchlüsselqualifikation LesenEs ist ein unbestrittenes Faktum: Unsere Gesellschaftbraucht Leser. Menschen mit ausgeprägtenLeseinteressen sind aktiver, vielseitiger undweltoffener. Grund genug auch auf <strong>der</strong> SekundarstufeI – nicht nur seit den Ergebnissen <strong>der</strong>letzten PISA-Studie - <strong>der</strong> Entwicklung und För<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Lesekompetenz beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeitzu schenken. Die Fähigkeit, demGelesenen Sinn zu entnehmen, es zu interpretierenund sich mit dem Inhalt kritisch auseinan<strong>der</strong>zusetzenist eine Schlüsselkompetenzbeson<strong>der</strong>s für den mündigen Umgang mit Medien.„Leser treffen ununterbrochen aktive Entscheidungenüber die Annahme von abstraktenund konkreten Botschaften, sie filtern, selektieren,ordnen, verknüpfen, verbalisieren, decodieren,speichern/ löschen. Einen Text aufmerksamzu lesen ist immer eine bewusste, aktive Entscheidungund kognitive Handlung, niemals ein mechanischerVorgang“ (FALSCHLEHNER, G.32 <strong>Journal</strong> /:
ZUKUNFTSINVESTITION LESEFÖRDERUNG(1999), S. 177). Allein hoch entwickelte Sprachbeherrschungund Lesekompetenz schaffen dieVoraussetzung für den Erwerb von Medienkompetenz.Zentrale Ansatzpunkte für eine effiziente Leseför<strong>der</strong>ungauf <strong>der</strong> Sekundarstufe I sind die Verbesserung<strong>der</strong> Texterschließungskompetenzund die Weiterentwicklung einer grundsätzlichpositiven Grundeinstellung zum Lesen. „Schüler,die Interesse am Lesen zeigen, haben durchgängigbessere Leistungen im verstehendenUmgang mit Texten wie auch beim Lernen ausTexten“ (Dt. PISA-KONSORTIUM (2001), S.131). Lesen ist nicht mehr nur Entschlüsselungvon linear aneinan<strong>der</strong> gereihten Buchstaben,son<strong>der</strong>n auch das Aneignen von Informationendurch die Kombination einer Vielzahl von Sinneseindrücken.Die traditionelle KulturtechnikLesen wird um multisensorische Elemente ausgedehntzu einer neuen, an<strong>der</strong>en KulturtechnikLesen. „Lesen ist mehr denn je erfor<strong>der</strong>lich,um die notwendigen Grundlagenkompetenzenfür eine selbstbestimmte, bedürfnisgerechte undbedächtige Nutzung des gesamten Medienensembleszu schaffen. Schule bleibt die wichtigsteSicherungsagentur dafür“ (Dt. PISA-KON-SORTIUM (2001), S. 133).Leseför<strong>der</strong>ung alsfächerverbinden<strong>der</strong> und –übergreifen<strong>der</strong> SchwerpunktEine nationale PISA-Zusatzstudie mit denSchwerpunkten Lesegewohnheiten, Leseför<strong>der</strong>ungund Lesesozialisationuntersuchte auch die Rahmenbedingungen<strong>der</strong> Leseför<strong>der</strong>ungan den Schulen.„Die Aufgabe <strong>der</strong>Schule, Schüler/innen andas Lesen heranzuführenund ihnen Freude am Lesenzu vermitteln, ist beson<strong>der</strong>sfür jene von Bedeutung,die in buchfernenFamilien aufwachsen“(BÖCK, M (2001), S.70). 11% gaben jedoch an,dass ihnen die Schule denSpaß am Lesen verdorbenhätte, zumindest 14%stimmen dieser Aussageeher zu. Im Vergleich mitRote über Bücher:Wäre die intolerante, fremdenfeindlicheWelt, die ich in meinerKindheit erlebt habe, die einzigegewesen, ich wäre an ihr und inihr zugrunde gegangen. Aber dawar noch eine an<strong>der</strong>e Welt: Die<strong>der</strong> Bücher. Diese Welt und meinnaiver und inniger Wunsch, sieWirklichkeit werden zu lassen, hatmir Mut und Optimismus bis heutegegeben. (TURRINI, Peter. In:Die Schönbrunner. Vision ErfüllungAusklang. Wien-München1990. S. 100.)<strong>der</strong> Volksschule geben die Schüler <strong>der</strong> SekundarstufeI seltener leseför<strong>der</strong>nde Aktivitäten wie Mitbestimmungbei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Lektüre, handlungszentrierterUmgang mit dem Gelesenenund freie Lesestunden an. Die Maßnahmen, diean den Schulen für Leseschwache geboten werden,sind: För<strong>der</strong>unterricht, Einzelför<strong>der</strong>ung, spezielleComputersoftware und Programme zurVerbesserung des Schreibens. Lesen als Schwerpunktbereichim Rahmen <strong>der</strong> individuellenSchulentwicklung spielt kaum eine Rolle, „in je<strong>der</strong>dritten Schule ist Lesen bzw. Leseför<strong>der</strong>ungnicht als Schwerpunkt geplant, 40% haben diesbezüglichnoch keine Überlegungen angestellt“(BÖCK, M (2001), S. 76). Diese Ergebnisse beziehensich auf die von den 15-/16-Jährigen besuchtenSchulen bzw. auf die Erinnerungen <strong>der</strong> Schüleran das Lesen in <strong>der</strong> Volksschule sowie Hauptschuleund AHS-Unterstufe.Lesen ist ein Unterrichtsprinzip. Im Schulalltagist dafür eine Koordination <strong>der</strong> einzelnen Unterrichtsfächernötig. Die Realisierung scheintauf den ersten Blick einfach, ist doch das Lesen1) sowohl in allen Unterrichtsfächern als auchfür fächerübergreifenden und projektorientiertenUnterricht und für die Umsetzung an<strong>der</strong>erUnterrichtsprinzipien ein nicht zu entbehren<strong>der</strong>Vorgang, 2) eine wichtige Grundlage fürselbstständigen Wissenserwerb und 3) hilft, dieverschiedenen Lebenswelten im Kontext <strong>der</strong>Informations- und Kommunikationsgesellschaftzu vernetzen.Auf <strong>der</strong> Sekundarstufe I wird jedoch Lesefähigkeitund eine altersadäquate Lesekompetenz vonden Lehrern aller Unterrichtsfächerin <strong>der</strong> Regel vorausgesetzt.Die Realisierungdes Unterrichtsprinzips liegtdaher zumeist ausschließlichin <strong>der</strong> Hand des Deutschlehrers/<strong>der</strong> Deutschlehrerin, allean<strong>der</strong>en sehen die Lesefähigkeitals Selbstverständlichkeitan und kommentieren dieschlechte Lesekompetenz ihrerSchüler/innen lediglichlautstark im Lehrerzimmer.Doch: Umdenken ist - nichtnur seit PISA - angesagt!Dieser Grundsatzerlass richtetsich an Lehrer/ Lehrerinnenaller Schularten und Un-<strong>Journal</strong> /:33