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Journal - Jänner 2007 - Zentralverein der Wiener Lehrerschaft

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ERZIEHUNG OHNE GEWÄHR ?<strong>der</strong> Terminus außerdem im Bereich des Sportszulässig und berechtigt, nur in <strong>der</strong> Pädagogik,wo es ebenso <strong>der</strong> Disziplin zum Erreichen bestimmterZiele bedarf, auf einmal verpönt? Nichtzuletzt soll uns auch durch die folgenden Zeilenbewusst werden, dass die Disziplinproblematikals Folge gesellschaftlicher wie auch pädagogischerEntwicklungen zu betrachten ist. Goethe sprächehier wohl von unbedacht herbeigerufenenGeistern, <strong>der</strong>er man sich nicht mehr so leicht befreienkönne.Reformpädagogische Ambitionen gingen bzw.gehen mit gesellschaftlichen Umbrüchen einher.Schon die klassischen Reformpädagogiken warenvon <strong>der</strong> Intention getrieben, eine neue gesellschaftlicheOrdnung etablieren zu wollen,welche sich nicht von <strong>der</strong> fortschreitenden Industrialisierungund <strong>der</strong> emotionslosen Kopflastigkeitdes Establishments dominieren ließ. 2Die Geburtsstunde <strong>der</strong> heutigen Spaßpädagogikhat damit geschlagen, obgleich sich die klassischenreformpädagogischen Entwürfekeineswegs in die Nähe unseres heutigen Zeitgeistphänomensbegaben. Ein Zitat Montessoris,„die diszipliniertesten Menschen sind die vollkommensten“(1987, S. 127), und die Vision Freinets,dass seine Schule <strong>der</strong> Zukunft „die diszipliniertestesein“ (1965, S. 17) werde spricht wohlBände. 3 Disziplin war demnach ebenso ein Anliegen<strong>der</strong> Reformpädagogiken. Lediglich dieErscheinungsformen, wie Disziplin erwirktwerden sollte, variierten in den unterschiedlichenAnsätzen. Der Stellenwert von Disziplinund die Strukturen des reformpädagogisch geführtenUnterrichts, welche die Kin<strong>der</strong> durchimmerwährende manuelle Aktivität in Schachhalten, gelten nur nebenbei erwähnt als dieWegbereiter <strong>der</strong> nationalsozialistischen Pädagogik.4Gerade nach dem zweitenWeltkrieg und den zahlreichengrößeren Konfliktherden,die noch bis zu denSiebziger Jahren (und länger)an <strong>der</strong> weltpolitischenTagesordnung standen,zeigte man sich wie<strong>der</strong> verstärktbemüht, dem vermeintlichenDrill in <strong>der</strong> Erziehungden Garaus zu machen.Als „antiautoritäreErziehung“ bzw. als „sozialintegrativerErziehungsstil“ aRote über Bücher:là Tausch und Tausch charakterisierte sich <strong>der</strong>nächste Feldzug gegen die Notwendigkeit vonDisziplin in <strong>der</strong> Erziehung. Jedoch half diese neueIdeologie nicht wirklich, <strong>der</strong> Erziehungsunsicherheitein Ende zu bereiten, welche sich in diesemZeitraum zunehmend in <strong>der</strong> Gesellschaft breitmachte. Ganz im Gegenteil, aus <strong>der</strong> Intentionheraus, den eigenen Kin<strong>der</strong>n eine an<strong>der</strong>e Kindheitzu bieten, als die eigenen Erfahrungen zeigten,intensivierte sich diese Unsicherheit und driftetegleichsam in eine Art pädagogische Lethargieab. 5Es gibt Pflichtübungen in mo<strong>der</strong>nerLiteratur Lesebücher als demonstrativunlustbetonte Sammelsurienmit gleichviel Textfetzen vonBruno Brehm bis Bert Brecht undwie<strong>der</strong> zurück. (NENNING, Günther:Rot und realistisch. Wien1973. S. 93.)Die pädagogischen Enkelkin<strong>der</strong> von Montessoriund Co. ließen nicht lange auf sich warten. DieKonzepte des Offenen Unterrichts betratengleichsam als eine Art Revival <strong>der</strong> klassischenVorläufer das Parkett <strong>der</strong> Schulpädagogik. SeitMitte <strong>der</strong> Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>tsstieg die Zahl an Publikationen zu dieser„Melange“ an Methoden, Konzeptentwürfenund Ideen, wie sich Schule doch lebenswerterrespektive „lebensnäher“ gestalten solle.Schließlich hielt dieses pseudodidaktischeBlendwerk auch in bildungspolitischen PapierenEinzug und war bestimmt, bald zum schulischenAlltag zu avancieren. Auf die Problematisierung<strong>der</strong> Fragwürdigkeit dieses Surrogatseiner ausgereiften didaktischen Theorie und despädagogisch zweifelhaften ideologischen Backgroundssoll an dieser Stelle verzichtet werden. 6Nichtsdestotrotz scheinen, wie die Gegenwartin diversen internationalen Vergleichsstudienunter Beweis stellt, auch diese Entwicklungenunseren Kin<strong>der</strong>n nichts Gutes getan zu haben.Die Offenheitsideologie trägt lediglich dazu bei,dass nun auch die professionellsten Pädagogennicht mehr wissen, nach welchen Kriterien sieunterrichten dürfen, müssen, sollen … . Darf ichden Kin<strong>der</strong>n noch den jeweiligen Gegenstanddidaktisch korrekt näher bringen, o<strong>der</strong> muss ichnoch auf die Schnelle gesellschaftlicherwünschteKompetenzen entfalten,lautet heutzutage die Frage,welche sich Lehrer imZuge ihrer Unterrichtsplanungstellen müssen.Auch die persönliche Erfahrungzeigt, dass dasKlima in Schulen bzw.Klassen, die in transparenten,aber wohl geordnetenStrukturen geführt<strong>Journal</strong> /:41

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