Sibirischer Tiger und SchneeleopardHoffnung fürdie GrosskatzenMenschliche Gier und Aberglauben haben sie an den Rand derAusrottung gebracht. Mittlerweile haben sich die Bestände desSibirischen Tigers und des Schneeleoparden wieder etwas erholt.Doch es bleibt noch sehr viel zu tun.VON HANS PETER ROTHGrosse Raubkatzen – dakommt schnell ein inneresBild von heissen Steppen,Savannen und Dschungel auf. Oftgeht dabei vergessen, dass diemajestätischen Jäger auch die kältestenLebensräume unseres Planetenerobert haben. Die Namen sprechenfür sich: Sibirischer Tiger undSchneeleopard. Der Sibirische Tiger,die grösste aller Raubkatzenüberhaupt, bewohnte einst weiteGebiete Sibiriens. Regionen, in denenes kälter als minus 60 Gradwerden kann.Der Schneeleopard, ebenfallseine Grosskatze, lebt in den HochgebirgenZentralasiens. Im Himalajaist er ebenso zu Hause wieim Hindukusch, im Pamir, im TianShan und in benachbarten Gebirgszügen.Im Sommer hält er sichdabei bevorzugt oberhalb derBaumgrenze auf Bergwiesen undin felsigen Regionen auf. In Höhenlagenbis 6000 Meter dringt er vor.Im Winter sucht er Schutz in tiefergelegenen Wäldern. Vor allem inder kalten Jahreszeit ist er auf seinlanghaariges Fell mit dichter Unterwolleund die speziell breiten Pfotengegen das Einsinken im Tiefschneeangewiesen. Da in seinemLebensraum relativ wenige Beutetiereleben, kann sein Revier weitüber 100 Quadratkilometer grosssein.Gnadenlos dezimiertWie könnte es anders sein. Geradeihre Anmut und Stärke sind auchden Katzen aus der Kälte zum Verhängnisgeworden. Wegen desschönen Fells und der nachgesagtenHeilkräfte ihrer Knochen habengeldgierige Jäger dem «König derBerge» und dem «König der Taiga»gnadenlos nachgestellt. Auch alsexotische Haustiere oder Zirkus-Attraktionsind die Grosskatzen begehrt.Zwischenhändler zahlen anWilderer auch heute noch 5-stelligeDollarsummen, um die <strong>Tier</strong>enach China zu verkaufen.In den 1960er Jahren war derBestand der Schneeleoparden aufgerade noch rund 1000 <strong>Tier</strong>e geschrumpft.Heute steht der Schneeleopardin allen Ländern seines Verbreitungsgebietsunter Schutz.Trotzdem bleibt die Wilderei ein <strong>Pro</strong>blem,das ihn weiter bedroht. Dazukommen heute der Bevölkerungsdruckund der Schwund seines Lebensraums,vor allem durch Abholzungund Erschliessungsprojekte.Ähnlich bedrohlich sieht es beimTiger aus. Streiften vor 100 Jahrennoch etwa 100␣ 000 Tiger durch dieWälder zwischen Anatolien unddem russischen Fernen Osten, sindes heute gerade noch 5000 bis 7500<strong>Tier</strong>e. Seit rund 70 Jahren ausgerottetist der Bali-Tiger, der KaspischeTiger seit rund 40 Jahren undder Java Tiger seit rund 30 Jahren.Dramatisch ist die Situation für denSibirischen Tiger, auch Amur-Tigergenannt. Die erbarmungslose Jagdhat diese Tiger-Unterart im russischenFernen Osten auf einige HundertExemplare dezimiert. Zunehmendverliert er aber auch seinenLebensraum durch ausländischeHolzkonzerne, welche die Wälderder Amur-Region rücksichtslosroden.Von 40 auf 600Doch es gibt Hoffnung für den einstvom Aussterben bedrohten «Königder Grosskatzen». Immerhin hatseine Zahl wieder deutlich zugenommen.Der Bestand ist laut demWWF so hoch wie seit 100 Jahrennicht mehr. Eine russische Zählunghabe im Jahr 2006 ergeben, dassin den abgelegenen Gebieten Sibiriens480 bis 520 Exemplare dergrössten Wildkatze der Welt lebten.Neue Hoffnung auch für den Iberischen LuchsIn Spanien ist eine neue Population des vom Aussterben bedrohten IberischenLuchses entdeckt worden. Spanische Behörden bestätigten den Fund, schwiegensich jedoch über den Ort und die Grösse der Gruppe zunächst aus. Esscheint, dass die auch als «europäischer Tiger» bezeichneten <strong>Tier</strong>e im dünnbesiedelten zentralspanischen La Mancha aufgetaucht sind. Der Iberische Luchsgilt als die am stärksten bedrohte Raubkatze der Welt. Wissenschaftlich bestätigtsind derzeit rund 110 ausgewachsene <strong>Tier</strong>e, die in zwei getrennten Populationenin Südspanien leben. Das Überleben des Iberischen Luchses steht aufder Kippe. Viele der <strong>Tier</strong>e sterben, weil sie in ihren schrumpfenden Lebensräumennicht mehr genug Beute machen können. «Ein grosses <strong>Pro</strong>blem ist der vonder Europäischen Union subventionierte Strassenbau, welcher die Reviere zerschneidet»,sagt WWF-Experte Volker Homes. «Immer wieder werden Luchsevon Autos angefahren und schwer verletzt oder getötet.» (mgt/hpr)16 <strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 4/07
Foto: ©Tom Walker SUTTERZusammen mit den in Nordchinaund Nordkorea existierenden <strong>Tier</strong>enliege die Gesamtzahl dieser Tigerweltweit bei wieder etwa 600.In den 1940er Jahren waren es nurnoch 40 gewesen. In den fünfzigerJahren erliess die sowjetische Führungein JagdverbotAuch für den Schneeleopardendarf man heute wieder etwas optimistischersein. Nachdem sein Bestandvor 50 Jahren auf etwa 1000<strong>Tier</strong>e geschrumpft war, hat er sichgemäss Schätzungen heute wiederauf rund 6000 Individuen erholt. DieSchätzungen gehen allerdings weitauseinander. Je nach Erhebungwerden auch Zahlen zwischen 1700und 3500 <strong>Tier</strong>en angegeben.Schutzprogramme helfenMittlerweile beginnen verschiedeneSchutzprogramme zu greifen. Sohat beispielsweise der DeutscheNaturschutzbund (Nabu) seit 1999gemeinsam mit der kirgisischenRegierung in Kirgistan ein aufwändigesSchneeleoparden-<strong>Pro</strong>jekt aufgebaut.Heute kann der Nabu eineSitzenderSchneeleopard,Hindu Kush,Himalaya.positive Zwischenbilanz ziehen. DieErfolge seien vor allem auf die Arbeiteiner Anti-Wilderer-Gruppe zurückzuführen.Um Wilderei und illegalenHandel einzudämmen, ermittelndie vier Wildhüter der SpezialeinheitSchneeleopard verdeckt,beschlagnahmen Fallen und rettenlebende <strong>Tier</strong>e. «War es früher ander Tagesordnung, dass Schneeleopardenfelleoffen gehandelt wurden,so sind sie heute weitgehendvon den Basaren verschwunden»,sagt Nabu-Geschäftsführer Leif Miller.Seit 1999 konnten fünf lebende<strong>Tier</strong>e, zahlreiche Felle, Waffen undFallen beschlagnahmt werden.Rund 180 Wilderern sei dabei dasHandwerk gelegt worden.Für den Sibirischen Tiger hatnebst anderen Organisationen derWWF ein Überlebenskonzept entwickelt,das unter anderem vorsieht,grossflächige, zusammenhängendeLebensräume für den Tiger durchdie Etablierung von Schutzgebietenzu schaffen. Die Ausbildung undAusrüstung von Anti-Wilderern gehörtebenfalls zu den Massnahmenzum Schutz des Tigers.Engagierte <strong>Tier</strong>gärtenAuch Zoos schliessen sich weltweitzu Arterhaltungsprogrammen fürdie bedrohten Grosskatzen zusammen.So haben sich in den vergangenensechs Jahren mehr als 130Zoos in 24 Ländern an einer Aktionzur Erhaltung der Lebensräume derletzten wilden Tiger beteiligt undrund 1,5 Mio. Franken an Spendengeldernzusammengebracht. DasGeld wird von der britischen Organisation«21 st Century Tiger» verwaltet.Hier liegt heute aus artenschützerischerSicht auch der Sinnvon <strong>Tier</strong>gärten. Denn sie dienenlängst nicht mehr dem blossen Zur-Schau-Stellen von <strong>Tier</strong>en. In vielenZoos laufen Artenschutzprogramme,die von Fördervereinen undZoobesuchern unterstützt werden.China züchtet neuerdings in einemvor kurzem in der Mandschurei eingerichtetenNaturpark SibirischeTiger. Dieses Jahr sollen bis zu 100Junge zur Welt kommen. Mittlerweileleben in Zoos weltweit mehrdieser <strong>Tier</strong>e als in freier Wildbahn.Stark engagiert sind SchweizerZoos bei der Arterhaltung derSchneeleoparden. Seit 1970 hält derBasler Zolli die Grosskatze, die bis16 Meter weit springen kann. DieZucht mit den seltenen <strong>Tier</strong>en gelingtnur in wenigen zoologischenGärten. Eine kleine Erfolgsgeschichtedes Zolli: Schon 30 Schneeleopardenkindersind hier zur Weltgekommen. Und in Kooperationzwischen dem Zoo Zürich und demNabu konnte ein weiteres erfolgreichesZuchtprogramm gestartet werden:Mit der Rettung der schwer verletztenSchneeleopardin Dshamiljavor einem kirgisischen Händlerringvor sieben Jahren. Dshamilja mussteaufgrund der Schwere ihrer Verletzungenaus dem Land gebrachtund in das Europäische Erhaltungszuchtprogramm(EEP) aufgenommenwerden. 2004 brachte sie imZürcher Zoo das erste Jungtier zurWelt und hat seither einen weiterenjungen Schneeleoparden geboren.Bleibt zu hoffen, dass sich dieBestände der grossen Wildkatzenauch in freier Wildbahn bald wiederso erfreulich entwickeln. ■<strong>Pro</strong><strong>Tier</strong> 4/0717