Evangelisch-LutherischePaul-Gerhardt GemeindeHamburg-Winterhudein derE. Felix <strong>Moser</strong><strong>Pastor</strong>Gottesdienst zum 3. Sonntag nach Epiphanias23. Januar <strong>2011</strong>Predigttext: Johannes 4,46-54:Jesus kam abermals nach Kana in Galiläa, wo er das Wasser zu Wein gemacht hatte. Undes war ein Mann im Dienst des Königs; dessen Sohn lag krank in Kapernaum. Dieser hörte,dass Jesus aus Judäa nach Galiläa kam, und ging hin zu ihm und bat ihn, herabzukommenund seinem Sohn zu helfen; denn der war todkrank. Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihrnicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Der Mann sprach zu ihm: Herr, kommherab, ehe mein Kind stirbt! Jesus spricht zu ihm: Geh hin, dein Sohn lebt! Der Menschglaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin. Und während er hinabging, begegnetenihm seine Knechte und sagten: Dein Kind lebt. Da erforschte er von ihnen die Stunde,in der es besser mit ihm geworden war. Und sie antworteten ihm: Gestern um die siebenteStunde verließ ihn das Fieber. Da merkte der Vater, dass es die Stunde war, in der Jesus zuihm gesagt hatte: Dein Sohn lebt. Und er glaubte mit seinem ganzen Hause. Das ist nun daszweite Zeichen, das Jesus tat, als er aus Judäa nach Galiläa kam.Liebe Gemeinde!Wenn wir vom biblischen Ort Kana hören, denken wir sofort ans erste Wunder Jesu, vondem Johannes berichtet: an das Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana. Auch heute Morgengeht es um ein Wunder zu Kana, allerdings in deutlicher Steigerung gegenüber dem ersten.Es geht nicht mehr um leere Wein- und Wasserkrüge und die Rettung eines Festes; hiergeht es um Leben und Tod. Da ist wohl jeder fasziniert, wenn er hört, dass ein todkrankerJunge gerettet wird, zumal in einer Art „Fernheilung“. Aber merkwürdig: Dieses Kind bleibtganz im Hintergrund, selbst die wunderbare Heilung findet erst ganz am Ende und eher nebenbeiErwähnung. Johannes stellt etwas anderes in den Mittelpunkt: Den Vater des Jungenund seine Begegnung mit Jesus. Hier berichtet er genau, lässt kein Detail aus.Als königlicher Beamter wird er uns vorgestellt, freilich in ganz untypischem Gebaren. Der,der sonst Befehle gibt, wird hier selbst zum Bittsteller. Der, der sonst Boten in die Weltschickt, macht sich hier selbst auf den Weg – zudem einen äußerst beschwerlichen (immerhineine Tagesreise vom See Genezareth hinauf ins Gebirge). Was ihn dazu treibt, istschnell klar. Es ist das, was wir „Mut der Verzweiflung“ nennen oder auch die „Kraft der letztenHoffnung“. Alles wird er schon versucht haben, seinen Sohn zu retten, und auch an dennötigen finanziellen Mitteln wird es ihm, dem königlichen Beamten, nicht gemangelt haben.Aber alles ist umsonst! Der Zustand des Sohnes hat sich weiter verschlechtert. Jetzt folgt ereinem letzten Impuls. Er hat vom Ruf Jesu gehört, einem Gottesmann, dem Großes gelingt.Dem will er nachgehen.Ich will an dieser Stelle mal vom „Notglauben“ sprechen; denn genau das ist es, worauf Johannesunser Augenmerk lenken will.Jesus ist davon alles andere als begeistert. Er hat genug von den Menschen, die irgendwelcheZeichen oder gar Wunder von ihm erwarten, bevor sie sich ihm und seiner Botschaft
Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong>Paul-Gerhardt Gemeinde<strong>Pastor</strong>Hamburg-Winterhude Predigt am 23.01.11öffnen. Seine Antwort an den Vater erschreckt uns. Erkennt er denn nicht, in welch großerNot der sich befindet? Wie kann er ihn so rüde und rücksichtslos abfertigen? Ein Satz nur,und schon wendet Jesus sich ab und will weitergehen.Ich glaube, wir müssen sehen, was es ist, das Jesus hier so sehr verärgert. Es ist eine bestimmteArt von Glauben, die ihm immer wieder begegnet. Ich will ihn mal mit „Notglauben“oder auch „Erfolgsglauben“ bezeichnen und meine damit den Glauben, der sich am Außergewöhnlichen,an sensationellen und wunderbaren Effekten festmacht. Wenn etwa einer imFernsehen auftritt und vorgibt, die Zuschauer hypnotisieren und ihre Uhren zum Stehen bringenzu können, sind viele schnell bereit, dem Glauben zu schenken; schon dann, wenn sieein leises Kribbeln in ihren Gliedmaßen spüren. Das mag ausreichen, um sich als „Superstar“zu empfehlen. Aber genau das reicht Jesus nicht; darum lehnt er „Zeichen“ und „Wunder“so entschieden ab. Mit dem Glauben an Gott hat das herzlich wenig zu tun. Der ist eineVertrauenssache. Der kommt von Herzen. Der wird von jedem Wort Gottes genährt und gestärkt.Der verändert das Leben.Eine Tageszeitung hat nach dem bewussten Fernsehabend sehr treffend festgestellt, dasdeutsche Publikum sei „bemerkenswert wundersüchtig“. Ich denke, es sind so viele, weilihnen der echte Glaube fehlt. Die Lücke wird gefüllt mit Ersatzprodukten – mit dem was manbewundert, was einen verwundert. Aber solche Faszination hält immer nur für Momente. Wirkonsumieren sie, wir lasen uns begeistern und berauschen – und brauchen doch schon wenigeTage später etwas Neues, möglichst ganz anderes. Die Abarten des Glaubens kommennicht im Herzen an, sie geben nichts fürs Leben.Zurück zum Vater des Jungen: wir wissen nicht, ob er verletzt ist durch Jesu Zurückweisung.Jedenfalls lässt er es sich nicht anmerken. Stattdessen wiederholt er seine Bitte. Jetzt erkenntJesus die Herzensnot und reagiert entsprechend (knapp, aber wirkungsvoll): „Geh hin,dein Sohn lebt!“An dieser Stelle ereignet sich für Johannes das eigentliche Wunder (mehr zwischen als inden Zeilen). Der Vater fragt nicht ungläubig nach, er fordert auch keinen sichtbaren Beweis,nein, er wendet sich einfach um und geht. „Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihmsagte“, heißt es lapidar im Text.Das ist das eigentliche Wunder: Das, was wir anfangs „Notglauben“ genannt haben, wirdjetzt zum echten Glauben. Hier zeigt sich mehr als der Mut der Verzweiflung, der bereit ist,sich (wenigstens versuchsweise) auf alles einzulassen. Luther nennt dieses Neue in seinerPredigt zum Text „ein herzliches Vertrauen in das rettende Wort Jesu“.Und tatsächlich, dieses Vertrauen macht den Unterschied aus. Der Vater braucht nicht nachzufragenund kann auf alle Beweise verzichten, weil er im Herzen spürt, dass ihm geholfenist. In welcher Form, wird er erst sehr viel später auf dem Rückweg erfahren. Aus dem „Notglauben“ist ein „Heilsglaube“ geworden, der das Leben tatsächlich radikal verändert – dasdes Vaters zuerst, später das von vielen, wie sich am Ende der Geschichte zeigt. DieserHeilsglaube wird für viele zur neuen Lebensgrundlage.Vielleicht ist es irreführend, diese Erzählung unter den Wundergeschichten einzuordnen.Eher sollte man sie als „Vertrauensgeschichte“ bezeichnen, um den Blick stärker auf denVater zu lenken und auf das, was mit ihm in dieser Jesusbegegnung geschieht.Ich glaube auch, dass wir in unserer Situation dem Vater viel näher sind als dem Sohn –etwa auch jetzt in der Situation als Gottesdienstbesucher. Jesus hat für den Vater kein Rezept,keine Wundermedizin, eigentlich gar nichts „Handfestes“. Er gibt ihm „nur“ ein Versprechen,schenkt ihm nur eine hörbare Gabe. Mit diesem Proviant muss der Vater aushalten aufseinem Rückweg. In dieser Hinsicht ist er uns Gottesdienstbesuchern ganz ähnlich. Wennwir vom „Kirchgang“ sprechen, machen wir meist den Fehler, nur an den Hinweg zu denken.Dabei gehört der Rückweg genauso dazu.