Evangelisch-Lutherische Seite 2 E. Felix <strong>Moser</strong>Paul-Gerhardt Gemeinde<strong>Pastor</strong>Hamburg-Winterhude Predigt am 11.12.11mütlich eingerichtet. Wir „feiern“ Advent mit Lichterschmuck und allen erdenklichen Köstlichkeiten.Weihnachten ist nur noch eine Art Höhepunkt einer vierwöchigen Festzeit.Deshalb lohnt es sich, einmal innezuhalten und zurückzuschauen. Was war Johannes ursprünglichwichtig? Und was hat Jesus bewogen, sich derart demonstrativ auf seine Seite zustellen?Das erste ist ein Charaktermerkmal, nämlich die Demut und Bescheidenheit des Johannes.Johannes ist anders als alle modernen Rufer und Prediger. Er tut nicht so, als habe er dieWeisheit „mit Löffeln gefressen“; er sieht sich nicht als der Weisheit letzter Schluss; er drängtsich nicht in die Öffentlichkeit. Sein Ruf kommt aus der Ferne (der Wüste) und erschließt sichnur denen, die sich ihm öffnen. Inhaltlich sagt er: Ich bin gar nicht wichtig. Nach mir kommtdas Entscheidende und der Entscheidende. Ich bin nur ein Vorläufer, entsprechend habe ichnur Vorläufiges zu sagen. Solche Selbstbescheidung ist uns fremd. Wir wissen es zwardurchaus zu schätzen, wenn jemand seine Grenzen kennt. Aber wenn jemand die auch ausspricht,wird er uns allzu menschlich, verwechselbar, austauschbar. In Führungskräften wollenwir Führungsnaturen erkennen, Leitbilder, Leitwölfe womöglich. Jesus dagegen sagt: DieGröße eines Menschen zeigt sich darin, dass er seine Grenzen erkennt und diese auch annimmt.Wichtiger aber ist das Zweite, der Inhalt dessen, was Johannes zu sagen hat. Der Rufer inder Wüste nimmt kein Blatt vor den Mund. Er nennt das Unrecht beim Namen – und das imdoppelten Sinne des Wortes. Johannes deckt Unrecht auf, jedem einzelnen sagt er die Verstößegegen Gottes Gebot auf den Kopf zu, und er nennt die Verantwortlichen beim Namen.Für ihn gibt es keine Trennung zwischen Predigt und Politik, keine nur geistlichen oder nurpolitischen Themen. Wie soll man, fragt er, von den Bürgern erwarten, dass sie sich an GottesGebote halten, wenn die Obersten, die Verantwortlichen in der Politik sich darum nichtscheren?! Damit eckt er gewaltig an, und das weiß er. Er weiß, dass er sich in Lebensgefahrbegibt, wenn er einen Despoten wie Herodes derart frontal angreift. Schließlich wird es ihntatsächlich (im wahrsten Sinne des Wortes) seinen Kopf kosten.Das muss in einer funktionierenden Demokratie heute keiner mehr fürchten. Und doch brauchenwir Rufer von der Art des Johannes nötiger als je. Hinter der Berichterstattung über dieRettung des Euros droht in diesen Tagen die über die Weltklimakonferenz völlig zu verschwinden.Es mag wohl so sein, dass im Advent kaum noch einer an die Wiederkunft Christiund den jüngsten Tag denkt. Aber eine andere, sehr weltliche und durchaus reale Bedrohungdes Ganzen muss laut gesagt und endlich auch gehört werden. „Umkehr“ ist längstnicht mehr nur religiös, bloße Glaubenssache; Umkehr ist globale Notwendigkeit.Gleiches gilt für den Bereich des Zwischenmenschlichen. Nahezu ungehört ist diese Wocheder Tag der internationalen Menschenrechte verstrichen. Wir haben uns daran gewöhnt,dass nahezu jeder Tag ein Gedenktag für irgendetwas ist. Da hört keiner mehr so genau hin.Wir müssen uns aber bewusst machen, dass noch immer in über achtzig Staaten der WeltFolter an der Tagesordnung ist, in vierundzwanzig Staaten sogar die Todesstrafe noch vollzogenwird. Wer vom globalen Bewusstsein spricht, darf daran nicht vorbeigehen.Ihr vier Täuflinge setzt da deutlich andere Akzente. Ihr habt euch eure Taufsprüche selberausgesucht, und ohne dass ihr es miteinander abgesprochen habt, gehen sie in dieselbeRichtung. Joana und Hendrik haben sich ein Wort aus dem so genannten „Hohenlied derLiebe“ ausgesucht. Paulus nennt darin Glaube, Liebe und Hoffnung die drei Kräfte, die dasLeben tragen; die Liebe aber, betont er, ist die größte unter ihnen. Angela ist im Buch Ruthfündig geworden. Das schildert in einzigartiger Weise, wie zwei Frauen (Naomi und Ruth)nach dem Tod ihrer Männer gemeinsam das Leben meistern. Ruth gibt ihrer Schwiegermutterein Treueversprechen: „Wo du hingehst, da will auch ich hingehen; wo du bleibst, da bleibeauch ich; dein Gott ist mein Gott.“Corinnas Taufspruch steht in der einzigen großen Predigt, die uns von Jesus überliefert ist,in der Bergpredigt. Da spricht Jesus unter anderem vom Auge als der Leuchte des Leibes:
Evangelisch-Lutherische Seite 3 E. Felix <strong>Moser</strong>Paul-Gerhardt Gemeinde<strong>Pastor</strong>Hamburg-Winterhude Predigt am 11.12.11„Wenn dein Auge lauter ist, so wird dein ganzer Leib licht sein. Wenn aber dein Auge böseist, so wird dein ganzer Leib finster sein.“ Das ist nicht leicht zu verstehen (allein dazu ließesich eine ganz eigene Predigt halten). Wichtig ist: Du verstehst es als Aufforderung zur Toleranz.Dem anderen offen und ohne Vorurteile begegnen – wenn mir das gelingt, bleibt es inmir hell und freundlich. Auch das also ein Plädoyer für die Liebe!Ihr habt damit den Kern der Botschaft Jesu getroffen. Aber diese Liebe fällt nicht einfach vomHimmel, sie steht auf keinem Wunschzettel und liegt auch nicht hübsch verpackt untermWeihnachtsbaum. Gottes Liebe ist immer aus Fleisch und Blut („seit je her“, das heißt: vonJesus an). Gott spricht zu uns Menschen durch Menschen. Mag sein, dass einer flüstert: Du,ich hab dich lieb! oder: Ich helfe dir weiter; ich nehme dich an die Hand; ich gebe dir, was dubrauchst, du musst keine Angst haben … Einfach ein gutes Wort oder ein Händedruck oderein anderes liebes Zeichen. So macht Gott das, von Menschen für Menschen.Ich denke, gerade Menschen in helfenden Berufen wissen, wie sehr jedes Wort und jedeGeste zählt. Und sie wissen genauso, dass das alles keineswegs leicht und selbstverständlichist. Oft genug kommt man selbst an den Rand seiner Kräfte und bewegt mächtige Zweifelim Herzen.Aber keine Bange, damit steht ihr nicht allein. Selbst unserem großen Vorbild heute Morgen,Johannes dem Täufer, ist das zuweilen so ergangen. Jesu spricht einmal von ihm als einem„Rohr im Winde“. Tatsächlich war Johannes hin- und hergerissen zwischen Hoffnung undFurcht, Engagement und Resignation.Das, was er erwartet hatte, der sichtbare Beginn des Gottesreichs, traf so nicht ein. Er selbstim Gefängnis (in der Todeszelle), Jesus geächtet und verfolgt … bedeutete das das Endealler Hoffnung?!Offensichtlich nicht. Die Geschichte hat seiner Hoffnung immer neue Kraft gegeben. Immerwieder sind Menschen bereit zur Umkehr; bereit, den Mainstream zu verlassen, der Geld,Macht und Erfolg als die höchsten Werte preist, und dafür den steinigen Weg der Liebe zugehen. Die Taufe ist der erste Schritt darauf; Gott gebe euch seinen Segen für alle weiterenSchritte!Amen.