Die Profitabilität wird nachhaltig gesteigert - KSPG AG
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Seite 10 Wirtschaft/Messen/Märkte<br />
Das Profil 3/2002<br />
Seit Anfang der achtziger Jahre <strong>wird</strong> in Aschau der Geschäftsbereich „Chemie“<br />
zielstrebig zum zweiten Standbein der Nitrochemie-Gruppe ausgebaut.<br />
Eines der Chemie-Hauptprodukte: Kalottenmodell des „Wasox“-Silikonvernetzers.<br />
Facts & Figures: Nitrochemie <strong>AG</strong><br />
Nitrochemie <strong>AG</strong> (Managementholding)<br />
Sitz: Wimmis (Berner Oberland/CH)<br />
Gründung: 1.1.1998 als deutsch-schweizerisches<br />
Gemeinschaftsunternehmen<br />
Beteiligungen: 49% RU<strong>AG</strong> Schweiz <strong>AG</strong>,<br />
51% Rheinmetall DeTec <strong>AG</strong><br />
Mitarbeiter: 700<br />
Betriebsgesellschaften: Nitrochemie Aschau GmbH, Aschau/D<br />
Nitrochemie Wimmis <strong>AG</strong>, Wimmis/CH<br />
Nitrochemie Aschau GmbH<br />
Sitz: Aschau am Inn (Oberbayern)<br />
Gründung: 1953; seit 1992 Mitglied der Rheinmetall-Gruppe<br />
Mitarbeiter: 473 (31.12.2001)<br />
Umsatz: 59 Mio. € (2001),<br />
davon Chemie: 27,6 Mio €<br />
Produktspektrum: Wehrtechnik: Ladungen, mehrbasige<br />
Treibladungspulver und Formteile<br />
Chemie: Silikonhärter (76%), Säurechloride (10%),<br />
Oxidationsprodukte (4%), Organische Zwischenprodukte<br />
und Sonstige (10%)<br />
Zertifizierungen: ISO 9001, ISO 14001<br />
Akkreditierte Prüflabors<br />
Nitrochemie Wimmis <strong>AG</strong><br />
Sitz: Wimmis (Berner Oberland/CH)<br />
Gründung: 1917; seit 1998 über das JV Mitglied<br />
der Rheinmetall-DeTec-Gruppe<br />
Mitarbeiter: 205 (31.12.2001)<br />
Umsatz: 34 Mio € (2001)<br />
Produktspektrum: Wehrtechnik: Ladungen, einbasige<br />
Treibladungspulver, Nitrocellulose und Rohstoffe<br />
Zivil: Papierentsäuerung,<br />
Pulver für Autosicherheitssysteme<br />
Zertifizierungen: ISO 9001, ISO 14001<br />
Nitrochemie Aschau GmbH: Konsequenter Ausbau der zivilen Chemie<br />
Verstärkte Vermarktung in Übersee<br />
Aschau. Das zur Rheinmetall Detec<br />
<strong>AG</strong> gehörende deutsch-schweizerische<br />
Gemeinschaftsunternehmen<br />
Nitrochemie <strong>AG</strong> mit seinen beiden<br />
Standorten in Wimmis/Schweiz und<br />
Aschau am Inn ist in der Wehrtechnik<br />
bekannt als wichtiger europäischer<br />
Anbieter von Treibladungen, Ladungssystemen<br />
und Munitionskomponenten.<br />
Weit weniger bekannt, aber gerade<br />
in jüngster Zeit äußerst erfolgreich<br />
ist der zivile Geschäftsbereich Chemie,<br />
der sich am Standort Aschau zu einem<br />
Spezialanbieter von chemischen Zwischenprodukten<br />
und <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
für die chemische Industrie entwickelt<br />
hat. <strong>Die</strong> im Bereich Chemie bereits<br />
überdurchschnittlich guten Ergebnisse<br />
der Jahre 2000/2001 (Umsatzwachstum<br />
14 bzw. acht Prozent) sollen<br />
weiterhin kontinuierlich <strong>gesteigert</strong><br />
werden. <strong>Die</strong> Strategie: Ausbau des<br />
Produkt-Portfolios in der Chemie und<br />
der Wehrtechnik bei gleichzeitiger Internationalisierung<br />
des Geschäftes.<br />
Es dürfte wohl kaum einen Haushalt<br />
geben, in dem nicht mindestens ein<br />
Produkt der Nitrochemie steckt. Ob in<br />
Parfüms oder Waschmitteln, Arzneiund<br />
Körperpflegemitteln oder in Silikondichtungsmaterialien,<br />
Autoreifen<br />
und Feuerwerkskörpern – die chemischen<br />
Komponenten der Spezialisten<br />
aus Aschau am Inn finden Eingang in<br />
zahlreiche Massenprodukte der chemischen<br />
und pharmazeutischen Industrie.<br />
Was 1964 als Nebenentwicklung<br />
aus den chemischen Prozessen für die<br />
Pulverherstellung entstand und<br />
zunächst vor allem den Zukauf von Additiven<br />
durch Eigenfertigung reduzieren<br />
sollte, wurde sehr bald zu einem<br />
„zweiten Standbein“ des Unternehmens.<br />
Eine frühzeitige strategische<br />
Entscheidung, die sich spätestens Ende<br />
der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts<br />
mit dem starken Rückgang des<br />
wehrtechnischen Bedarfs als echter<br />
Glücksgriff erweisen sollte.<br />
Gefertigt <strong>wird</strong> in Aschau eine breite<br />
Palette von chemischen und pharmazeutischen<br />
Komponenten. <strong>Die</strong> stärkste<br />
Produktgruppe bilden dabei – mit<br />
fast drei Viertel vom Chemie-Umsatz<br />
(2001: 27,6 Mio. €) – die ‚Silane‘; das<br />
sind die Zusatzstoffe für Dichtstoffe<br />
auf Silikonbasis, wie sie für Fenster,<br />
Türen oder im Sanitärbereich verwendet<br />
werden. Silikone sind Produkte<br />
aus Silizium, Sauerstoff, Wasserstoff<br />
und Kohlenstoff, die für sich allein<br />
flüssig sind und daher zum „aushärten“<br />
sogenannte „Vernetzer“ benötigen.<br />
<strong>Die</strong>se Zusatzstoffe sorgen dafür,<br />
daß die Silikonketten untereinander<br />
verknüpft werden („härten“). Der<br />
Heimwerker bemerkt dabei vor allem<br />
die „Essighärter“, die als preisgünstige<br />
Vernetzer vielen Silikondichtstoffen<br />
aus dem Baumarkt beigefügt sind.<br />
<strong>Die</strong> ebenfalls zur Produktgruppe der<br />
Silikone zählenden Silikonöle werden<br />
als Emulsionen vor allem in der Textilindustrie<br />
zur Imprägnierung und Lederveredelung,<br />
aber auch als Trafoöle<br />
oder als Zusatzstoffe für Oberflächenpolituren<br />
und Haarpflegemittel eingesetzt.<br />
Im Bereich der Silikonvernetzer hat<br />
sich die Nitrochemie in den letzten<br />
Jahren zum eindeutigen Marktführer in<br />
Europa und Asien entwickelt. Mit General<br />
Electric (GE), Wacker Chemie,<br />
Rhodia Silicones und Dow Corning stehen<br />
vier der insgesamt fünf Global<br />
Player in diesem Markt auf der Kundenliste<br />
der Nitrochemie. Der Einstieg<br />
in den US-amerikanischen Markt <strong>wird</strong><br />
gerade vorbereitet. Im Februar diesen<br />
Jahres hat sich der Bereich „Chemie“<br />
beispielsweise erfolgreich auf der<br />
„Informex“ präsentiert, der größten<br />
Messe für die chemische Industrie in<br />
den USA.<br />
Das Erfolgsgeheimnis des oberbayrischen<br />
Spezialisten erklärt sich für Geschäftsführer<br />
Bodo Garbe aus den<br />
spezifischen Produktionskostenstrukturen<br />
seines Unternehmens: „Im Vergleich<br />
zur Großchemie sind wir im Bereich<br />
kleiner und mittlerer Mengen in<br />
der Regel kostengünstiger. Erst wenn<br />
die Komponenten in großen Mengen<br />
benötigt werden, rechnet sich für den<br />
Kunden eine eigene Anlage. Unterhalb<br />
dieser Grenze können wir mit unseren<br />
Mehrzweckanlagen durch sogenannte<br />
Kampagnenfertigung – das heißt Herstellung<br />
verschiedener, aber verfahrenstechnisch<br />
verwandter Produkte im<br />
Wechsel auf einer Anlage – kosteneffizient<br />
fertigen und somit zu günstigeren<br />
Preisen anbieten. Wir sind insofern<br />
ein klassischer ‚Outsourcing-Betrieb‘.“<br />
Außerdem erarbeiten sich die Mitarbeiter<br />
durch die häufigen Produktwechsel<br />
ein breites Know-how, was<br />
wiederum positiv auf die Herstellparameter<br />
Qualität und Ergebnis wirkt.<br />
„Auch hier liegt,“<br />
so Garbe, „eine<br />
Spezialität der<br />
Nitrochemie, die<br />
sehr gut ankommt.<br />
Wir müssen zwischen<br />
der Fertigung<br />
eines Produkts<br />
im Januar<br />
und der nächsten<br />
im August nicht jedesmal<br />
wieder eine<br />
‚Lernkurve‘ einplanen. Unser Personal<br />
lebt mit wechselnden Produkten.“<br />
Der zweite Schlüssel zum Erfolg liegt<br />
im spezifischen Verfahrens-Know-how<br />
der Nitrochemie, das heißt im genauen<br />
Weg „von der Formel zum Produkt“.<br />
Während die „Formel“, also die gewünschte<br />
chemische Komponente,<br />
vom Kunden in aller Regel vorgegeben<br />
<strong>wird</strong>, liegt in der Vorbereitung der Produktion<br />
eine Entwicklungsarbeit von<br />
manchmal mehreren Monaten. Bodo<br />
Garbe: „Der Unterschied zum Maschinenbau-<br />
und Montagesektor – wie ich<br />
ihn aus meiner Zeit bei Rheinmetall<br />
kenne – ist grundsätzlicher Art. In einem<br />
Chemiebetrieb liegt das Knowhow<br />
nicht in erster Linie in der ‚Konstruktion‘,<br />
sprich: der Formel. In der<br />
Chemie steckt sehr viel Wissen in den<br />
Prozessen. Der Herstellungsprozeß<br />
selber ist ein eigenes Entwicklungsthema.“<br />
So können zum Beispiel unterschiedliche<br />
Rohstoffe auf unterschiedlichen<br />
Anlagen, mit unterschiedlichen<br />
Reihenfolgen, Temperaturen und Verweilzeiten<br />
zwar zum selben Endprodukt<br />
führen. Entscheidend ist jedoch,<br />
Effektivität, Qualität und Preis jeweils<br />
insgesamt zu optimieren. „<strong>Die</strong>ses<br />
Know-how unterscheidet uns von an-<br />
deren. Unsere Flexibilität als kleiner<br />
Anbieter mit einer großen Fertigungspalette<br />
erlaubt es uns immer wieder,<br />
interessante und kostengünstige Herstellverfahren<br />
zu entwickeln.“<br />
<strong>Die</strong>se Fähigkeit des Aschauer Unternehmens<br />
gilt neben den umsatzstarken<br />
‚Silanen‘ auch für eine Vielzahl<br />
von speziellen Komponenten und Zusatzstoffen<br />
für die unterschiedlichsten<br />
Kundengrupen. <strong>Die</strong> mit zehn Prozent<br />
Umsatzanteil zweitstärkste Produktgruppe,<br />
die Säurechloride, werden als<br />
Synthesebausteine für Arznei- und<br />
Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Als<br />
Komponenten für die Herstellung von<br />
Peroxiden bilden die Säurechloride<br />
ein wichtiges Vorprodukt in der Kunststoffproduktion.<br />
Acetylchlorid, das<br />
als Nebenprodukt<br />
bei der Herstellung<br />
von Essighärtern<br />
anfällt, ist mit über<br />
2000 Tonnen/Jahr<br />
das größte Produkt<br />
in Aschau. Es <strong>wird</strong><br />
vor allem bei der<br />
Herstellung des bekanntenSchmerzmittels<br />
„Ibuprofen“ verwendet,<br />
kommt aber auch bei der Synthese<br />
von Duftstoffen zum Einsatz.<br />
Ein Beispiel aus dem Bereich Pharma<br />
ist das Produkt Methylformanilid,<br />
das quasi „über Nacht“ als ein Vorprodukt<br />
für ein cholesterinsenkendes Mittel<br />
benötigt wurde und heute mit fast<br />
40 Jahrestonnen aus Aschau geliefert<br />
<strong>wird</strong>. Weitere Pharmazeutika-Synthesebausteine<br />
aus Aschau sind die<br />
Ester, von denen beispielsweise das<br />
Produkt „BEM“ zur Herstellung des<br />
Schilddrüsentherapeutikums „Propylthiouracil“<br />
verwendet <strong>wird</strong>.<br />
Unter Wachstumsgesichtspunkten<br />
besonders interessant ist schließlich<br />
die (noch) kleine Gruppe der „Oxidationsprodukte“,<br />
worunter vor allem<br />
Epoxide (für die Waschmittelindustrie<br />
und die Schmierstoffindustrie) und<br />
Anorganische Peroxide fallen. Bekannt<br />
ist hier der antibakterielle Wirkstoff<br />
der Zahnpasta, das Magnesiumperoxid;<br />
aber auch Zinkperoxid als Katalysator<br />
in der Reifenherstellung gehört<br />
in diese Gruppe.<br />
<strong>Die</strong>ser auf den ersten Blick verwirrenden<br />
Vielfalt von Produkten liegt<br />
gleichwohl eine eindeutige Fokussie-<br />
(Fortsetzung auf Seite 11)<br />
Akkreditierte Prüflabors Ende 1999 wurde ein neues Produktionsgebäude mit Anlagen zur Synthese und<br />
Destillation von Epoxiden errichtet. <strong>Die</strong>se Aufnahme zeigt den Destillationskessel.