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Lesungen der deutschen + brasiLianischen autoren ...

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[Fernando Galuppo]Cesar Maluco: <strong>der</strong> VolkskaiserSO | 13.10.2013 | 11H30 [ Ausgetanzt [o<strong>der</strong>] Vom Fallen in die Tiefen des Raumes ]Popeye war nicht nur ein Mann <strong>der</strong> Tat, er war auch eingroßer Fußball-Aficionado und erkannte Cal<strong>der</strong>ón auf Anhieb.Der Killer arbeitete für einen gewissen Pablo Escobar,<strong>der</strong> in Medellin gerade dabei war, in den FußballclubAtlético Nacional zu investieren.Noch am selben Tag packte Jesús Lúz seine Sporttascheund stieg mit Popeye und noch ein paar an<strong>der</strong>en dubiosenGestalten in einen Wagen in Richtung Kolumbien.Langsam kam Cal<strong>der</strong>ón wie<strong>der</strong> in Fahrt. Über die zweiteMannschaft von Atlético Nacional empfahl er sich für dieProfis. Ab <strong>der</strong> Saison 84/85 gehörte er dem Stammpersonalan und war fortan <strong>der</strong> Torschütze vom Dienst. Inseiner letzten Saison, das soll hier nicht unerwähnt bleiben,spielte er dort mit dem jungen Torwart René Higuitazusammen. Doch vorher wurde Cal<strong>der</strong>ón zwei Mal hintereinan<strong>der</strong>Torschützenkönig <strong>der</strong> kolumbianischen Liga.Er war wie<strong>der</strong> wer.Seine Schüsse trafen wie Giftpfeile markerschütternd insGehäuse <strong>der</strong> gegnerischen Mannschaften. Sein neuer FerrariTestarossa schnurrrte durch die Straßen Medellinsund auch die Frauenwelt lag ihm wie<strong>der</strong> zu Füßen. SeineLeistungen in Kolumbiens höchster Spielklasse bliebenauch dem paraguayischen Fußballverband nicht verborgen.So trug es sich zu, dass Paraguay sehr gute Chancenhatte, sich für die WM 1986 in Mexico zu qualifizieren.Man durfte nur das entscheidende Spiel gegen Chilenicht verlieren. Da aber die beiden etatmäßigen Stürmerverletzt beziehungsweise gesperrt waren, fehlte es <strong>der</strong>Mannschaft an einem Angreifer mit Format. Bei den Buch -machern galt deshalb Chile als Favorit.In Paraguay war Stroessner immer noch an <strong>der</strong> Macht.Seine Autorität jedoch begann langsam aber sicher zubröckeln. Die Funktionäre im Fußballverband wussten daher,dass eine Amnesty für Cal<strong>der</strong>ón dem Diktator nützlichsein könnte, denn das Volk sehnte sich danach, denVerbannten wie<strong>der</strong> im Nationaltrikot aufspielen zu sehen.Sie schlugen Stroessner also vor, den Fußballer zu begnadigen.Cal<strong>der</strong>ón freute sich enorm über die Anfrage, erzeigte sich reumütig und gelobte, keine politischen Aussagenmehr zu machen.Wenig später war es soweit. Jesús Lúz wurde nachsechs Jahren im Exil wie<strong>der</strong> für ein Län<strong>der</strong>spiel nominiert.Lange Zeit stand es Null zu Null und es sah danachaus, als ob man Cal<strong>der</strong>óns Dienste nicht benötigenwürde, doch dann landete ein harmloser Fernschuss desChilenen Mendoza im paraguayischen Tor. Der Torwarthatte gepatzt, die Elf von Paraguay war plötzlich wie paralysiert.Bei diesem Stand würde Chile zur WM fahren.Tausende Fans for<strong>der</strong>ten nun vehement Cal<strong>der</strong>óns Einwechslung,20 Minuten vor Ende <strong>der</strong> Partie kam er dannschließlich ins Spiel. Seine erste Aktion war ein grobesFoul und er hatte Glück, dass er nicht Rot bekam. Kurzvor Schluss fasste er sich dann ein Herz, er schnapptesich vom eigenen Mitspieler den Ball im Mittelfeld undsetzte zu einem atemberaubenden Solo an, das er miteinem wuchtigen Schuss unter die Latte abschloss. Einszu Eins. Somit hatte sich Paraguay zum ersten Mal seit28 Jahren für eine Fußballweltmeisterschaft qualifiziert.Der Jubel kannte keine Grenzen. Für Stroessner ging <strong>der</strong>Propaganda-Coup auf und für Cal<strong>der</strong>ón war es ein überwältigendesComeback - filmreif, wie nach einem perfektenScript, das selbst Hollywood-Drehbuch<strong>autoren</strong>vor Neid erblassen ließe. Die Feierlichkeiten dauertendrei Tage, auch hierin lief er wie<strong>der</strong> zu Bestform auf.Asunción bebte und Cal<strong>der</strong>ón war das Epizentrum desBebens.Am Ende des dritten Tages, als er mit seiner Entouragein eine gutbesuchte Bar im Centrum Asuncións eintraf,löste sich von irgendwoher ein Schuss und traf Cal<strong>der</strong>ónin die Hüfte. Im großen Getümmel war zunächst keinTäter auszumachen, erst am nächsten Tag konnte manihn fassen.Humberto Costa war Bodyguard und Fahrer mächtigerDrogenbosse. Er handelte möglicherweise als Auftragsmör<strong>der</strong><strong>der</strong> Wettspielmafia, <strong>der</strong>en Pläne Cal<strong>der</strong>ónmit seinem Ausgleichstor durchkreuzt hatte. Vermutetwird aber auch, dass es sich um einen Denkzettel vonEscobar handelte, denn Cal<strong>der</strong>ón hielt es offenbar nichtim geringsten für nötig, Atlético Nacional über seineAbsenz zu informieren. Wie<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Stimmen behaupteten,<strong>der</strong> Schütze hätte im Auftrag <strong>der</strong> Familie vonEnrico Martinez gehandelt, jenem Nachwuchsjournalisten,auf den Cal<strong>der</strong>ón 1980 geschossen hatte und <strong>der</strong> dabeiums Leben kam. Costa selbst äußerte sich nie dazu,seine Haftstrafe war aufgrund guter Kontakte nicht vonnennenswerter Dauer.Cal<strong>der</strong>ón kam indessen nie mehr auf die Beine, er lerntezwar wie<strong>der</strong> laufen, seiner Fußballkarriere hatte <strong>der</strong>Schuss jedoch ein Ende gesetzt. Noch während seinesKrankenhausaufenthalts wurde ihm die fristlose Kündigungvon Atlético Nacional mitgeteilt, sein ungenehmigterUrlaub hatte also ein weitreichendes Nachspiel.Und wenn es Cal<strong>der</strong>ón übel erwischte, erwischte es ihnrichtig übel. Da er in einer Art Liebesbeweis seiner drittenEhefrau, <strong>der</strong> kolumbianischen Telenovela-SchönheitEstefania Rincon, freie Hand auf sein Bankkonto einräumte,war die Dame so frei und räumte das Kontowährend seiner Abwesenheit leer.Depressiv, perspektivlos und wie<strong>der</strong> einmal pleite, verkündeteJesús Lúz Cal<strong>der</strong>ón am 6. Mai 1986 - seinem 32. Geburtstag- das Ende seiner fußballerischen Laufbahn.Immerhin bekam er als Dank für sein Engagement vomparaguayischen Fußballverband eine Invalidenrente zugesprochen,die ihn bis zu seinem Tod mehr o<strong>der</strong> wenigerüber Wasser hielt.Einmal noch kam er in die Schlagzeilen, als er Anfang<strong>der</strong> Neunziger Jahre einer Einladung des Fußballverbandesnach Deutschland folgte, wo sein Land gegendie Mannschaft <strong>der</strong> BRD antrat. Er war vorher noch niein Europa gewesen. Angereist mit einer neuen Flamme,hatte er sich ausbedungen, in einem Luxushotel mit ihrnächtigen zu dürfen. Am Spieltag selbst, es war kalt inDeutschland, wollte Cal<strong>der</strong>ón für sich und seine Begleiterindie passende Gar<strong>der</strong>obe besorgen und wurde promptbeim Pelzdiebstahl in Düsseldorf erwischt.Jesús Lúz Cal<strong>der</strong>ón starb mit 48 Jahren verarmt und vereinsamtan einer Leberzirrhose, verursacht durch seinenjahrelangen Alkoholismus. Beim Begräbnis erwiesen ihmtausende Fans die letzte Ehre. Auf seinem mittlerweileüberwachsenen Grabstein im Friedhof “Cementerio delSur” steht geschrieben: “Hier ruht in Frieden <strong>der</strong>, <strong>der</strong> dieFreude und das Laster war - Jesús Lúz Cal<strong>der</strong>ón”El TóxicoJesús Lúz Cal<strong>der</strong>ón[1954 - 2002]Der aus Rio de Janeiro stammende César Augusto daSilva Lemos, ist eines von so vielen Genies, die <strong>der</strong> brasilianischeFußball hervorgebracht hat, und die mehrwegen ihrer Exzentrik als ihrer Klasse und techni schenQualität bekannt wurden. In Niterói geboren, begannCésar seine Karriere in den Jugendabteilungen des ClubsFlamengo. Gleich bei seinem Debut im Profiteam, mitnur 19 Jahren, schoss er zwei Tore gegen den HeimrivalenVasco da Gama und zeigte so seinen Riecher fürsToremachen. 1966 wechselte er zuerst als Leihgabe zuPalmeiras, aber auf Grund seines Könnens dauerte esnicht lange, bis er dort endgültig einen Vertrag bekam.Und hier begann eine Ehe, die ganze neun Jahre dauernund viele Titel erobern sollte.Er hatte die Ehre, Mitglied von zwei <strong>der</strong> größten Mannschaftenin <strong>der</strong> Geschichte des Palmeiras Fußballclubs,ja, des brasilianischen Fußballs zu sein. César gehörte<strong>der</strong> ersten Mannschaft an, die auch als Academia deFutebol bekannt war, zusammen mit Koryphäen wieDjalma Santos, Djalma Dias und Rinaldo. In den 1970erJahren war er <strong>der</strong> Spielgestalter in einem an<strong>der</strong>en Team,das Brasilien verzauberte. Es war die sogenannte zweite“Fußballakademie” mit Luís Pereira, Leivinha, Dudu undAdemir da Guia.In dieser Zeit bekam er dann auch seinen Namen, César„Maluco“, <strong>der</strong> Verrückte. Und er erzählt: „Als ich zuPalmeiras kam, da waren die Spieler alle recht brav. Ichnicht! Wenn ich ein Tor geschossen hatte, dann habe ichauf alle nur mögliche Art und Weise gefeiert und die Fanssind aus dem Häuschen gewesen“, sagt die Koryphäe und<strong>der</strong> Torschützenkönig <strong>der</strong> Landesmeisterschaft von SãoPaulo des Jahres 1971, mit 18 Treffern. Er war <strong>der</strong> ersteSpieler, <strong>der</strong> die Fans in den Torjubel mit einschloss unddadurch verklärte.Er war ein dynamischer Stürmer und Kämpfer. Bei jedemTor, das er schoss, lief er zum Drahtzaun hin undzeigte auf sein grünes Trikot, um zusammen mit den Fanszu feiern. Seine Geste, die Hände zu heben und das V-Zeichen für „Victory“ – o<strong>der</strong> des Friedens, <strong>der</strong> Hippies– zu machen, das war sein Markenzeichen.Mit langer und wil<strong>der</strong> Haartracht, respektlos und trickreichwie nur wenige, verän<strong>der</strong>te César dann auch gleichdie Persönlichkeit <strong>der</strong> Fans <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Clubs, und somitdie des Fußballs allgemein. Wegen ihm und seines unerwartetenVerhaltens – auf und auch außerhalb desSpielfelds - verän<strong>der</strong>te sich <strong>der</strong> Fußball in São Paulo. Erwurde temperamentvoller.SO | 13.10.2013 | 11H30 [ Ausgetanzt [o<strong>der</strong>] Vom Fallen in die Tiefen des Raumes ]26 27

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