Zielstellung und „Aufbau“ <strong>de</strong>s Leitfa<strong>de</strong>ns4. Basismanagement: Ganzjahresstandwei<strong>de</strong>n mit Megaherbivorenauf ehemaligen militärischen ÜbungsflächenAuf großflächigen ehemaligen militärischen Übungsflächensteht zur Gewährleistung eines günstigen Erhaltungszustan<strong>de</strong>s<strong>de</strong>r relevanten FFH-Lebensraumtypen nur einbegrenztes Spektrum an Maßnahmen zur Verfügung.Infolge <strong>de</strong>r Munitionsbelastung sind bo<strong>de</strong>neingreifen<strong>de</strong>Maßnahmen zur Wie<strong>de</strong>rherstellung von Offenbo<strong>de</strong>nbereichen(z. B. Plaggen, Schoppern) o<strong>de</strong>r auch kontrollierterBrand zur Reduzierung von Rohhumusauflagen bzw. zurVerjüngung <strong>de</strong>r Besenhei<strong>de</strong> kaum durchführbar. DurchEntbuschungsmaßnahmen kann die fortschreiten<strong>de</strong> Ge -hölz sukzession zwar kurzzeitig gestoppt wer<strong>de</strong>n, weiterefür Offenlandlebensraumtypen typische dynamische Prozessewer<strong>de</strong>n damit jedoch nicht initiiert. Durch eineBeschränkung auf Mahd wer<strong>de</strong>n kaum offene Bo<strong>de</strong>nstellenzur För<strong>de</strong>rung konkurrenzschwacher Pflanzenartenbzw. als Voraussetzung für eine generative Verjüngung <strong>de</strong>rüberalterten Besenhei<strong>de</strong> geschaffen. Des Weiteren wirddurch großflächige Mahd eine enge Verzahnung <strong>de</strong>rOffenlandlebensraumtypen mit Gehölzstrukturen ausgeschlossen.Insbeson<strong>de</strong>re auf Grund <strong>de</strong>r im Winter erfor<strong>de</strong>rlichenStallhaltung ist auch eine Hutewei<strong>de</strong> mit Schafenund Ziegen häufig keine langfristig ökonomisch vertretbareVariante. Zu<strong>de</strong>m bleiben bei einer Stallhaltung <strong>de</strong>rWei<strong>de</strong>tiere die landschaftspflegerischen Effekte einerWinterbeweidung ungenutzt. Eine Option, <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nenZielstellungen und Rahmenbedingungen gerechtzu wer<strong>de</strong>n, bietet die Einrichtung einer extensiven Ganzjahresstandwei<strong>de</strong>mit Megaherbivoren.4.1 Auswirkungen von Wei<strong>de</strong>tieren in SandökosystemenZu <strong>de</strong>n Auswirkungen von extensiven Wei<strong>de</strong>systemen, v.a.mit Robustrin<strong>de</strong>rn und -pfer<strong>de</strong>n, liegen zahlreiche Veröffentlichungenvor (z.B. BUNZEL-DRÜKE et al. 1999, 2008, FINCKet al. 2004, GERKEN et al. 2008, SCHWABE & KRATOCHWIL 2004,PAIN 2005, REISINGER & LANGE 2005, ROSENTHAL ET AL. 2012,SCHAICH & BARTHELMES 2012, VERA 2000, VON OHEIMB et al. 2006).Unabhängig von <strong>de</strong>n spezifischen Rahmen- und Standortbedingungenwird übereinstimmend darauf hingewiesen,dass gera<strong>de</strong> durch die Winterbeweidung sowie durch dieKombination von unterschiedlichen Tierarten standort -typische dynamische Prozesse ausgelöst wer<strong>de</strong>n. Beispielhaftkann die Herausbildung o<strong>de</strong>r Vergrößerung von offenenBo<strong>de</strong>nstellen durch artspezifische Verhaltensweisengenannt wer<strong>de</strong>n, wodurch insbeson<strong>de</strong>re konkurrenzschwacheund lichtbedürftige Arten geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. DesWeiteren führt v. a. die Beweidung in <strong>de</strong>n Wintermonatenzu einer Reduzierung <strong>de</strong>r Streuschicht und Verbiss vonüberständigen Gräsern und Stau<strong>de</strong>n sowie von Gehölzenund überalterter Besenhei<strong>de</strong>. Infolge<strong>de</strong>ssen kommt es zurHerausbildung von räumlichen und zeitlichen Übergangsstadienund einem Nebeneinan<strong>de</strong>r von verschie<strong>de</strong>nenSukzessionsstadien. Diese Landschaftsausstattung bietetwie<strong>de</strong>rum geeignete Habitatbedingungen für zahlreiche,auch seltene und gefähr<strong>de</strong>te Pflanzen- und Tier arten.Spezielle Artengruppen, wie z. B. Dungkäfer als wichtigeNahrungsbasis für Vögel und Fle<strong>de</strong>rmäuse, profitierendavon, dass auf extensiven Wei<strong>de</strong>flächen Medikamentenicht vorsorglich verabreicht wer<strong>de</strong>n.4.2 Abschätzung <strong>de</strong>r ErfolgsaussichtenVor Konkretisierung und Etablierung einer Ganzjahresstandwei<strong>de</strong>sollten die Erfolgsaussichten dieser Managementmaßnahmeunter folgen<strong>de</strong>n Aspekten kritischgeprüft wer<strong>de</strong>n:Wenn <strong>de</strong>r Fokus auf <strong>de</strong>m Erhalt und <strong>de</strong>r Entwicklung vonSandökosystemen liegt, sind im Vorfeld die Nährstoffvorrätezu ermitteln o<strong>de</strong>r über Bioindikation einzuschätzen(s. Kap. 2.2). Des Weiteren kann auf <strong>de</strong>r Grundlage einesKartendienstes zu Vorbelastungsdaten von Stickstoff <strong>de</strong>rTA Luft Nr. 4.8 <strong>de</strong>s UMWELTBUNDESAMTES (2010) zunächst überschlägig<strong>de</strong>r atmosphärische Stickstoffeintrag abgeschätztund entsprechend BOBBINK et al. (2003) für das Gebietbewertet wer<strong>de</strong>n. Nur wenn die gebietsspezifischenSchwellenwerte nicht überschritten wer<strong>de</strong>n, bestehen16
Basismanagement: Ganzjahresstandwei<strong>de</strong>n mit Megaherbivorenauf ehemaligen militärischen Übungsflächenauch mittel- bis langfristig günstige Voraussetzungen,dass sich infolge <strong>de</strong>s durch die Wei<strong>de</strong>tiere ausgelöstenStörungsregimes die entsprechen<strong>de</strong>n Zielarten etabliereno<strong>de</strong>r erhalten wer<strong>de</strong>n können. Eine weitere Voraussetzungist dann jedoch, dass geeignete Diasporenquellen in ausreichen<strong>de</strong>rMenge und in räumlicher Nähe vorhan<strong>de</strong>n sindo<strong>de</strong>r die Möglichkeit besteht, die Arten gezielt einzubringen.Des Weiteren müssen die FFH-relevanten Lebensraum -typen mit einer ausreichen<strong>de</strong>n Größe vorhan<strong>de</strong>n sein, sodass sich eine standorttypische Dynamik, einschließlich <strong>de</strong>rInitiierung verschie<strong>de</strong>ner Sukzessionsstadien, herausbil<strong>de</strong>nbzw. auch erlaubt wer<strong>de</strong>n kann. Zum an<strong>de</strong>ren müssenVegetationsbestän<strong>de</strong> mit ausreichen<strong>de</strong>m Futterwert vorhan<strong>de</strong>nsein, um ganzjährig eine ausreichen<strong>de</strong> Versorgung<strong>de</strong>r Wei<strong>de</strong>tiere abzusichern. Demzufolge sollten z.B. auchstärker ru<strong>de</strong>ralisierte o<strong>de</strong>r vergraste Entwicklungsflächenzu FFH-Offenlandlebensraumtypen und Nicht-FFH-Le bens -raumtypen, wie z.B. Gras-Kraut-Fluren- o<strong>de</strong>r Landreitgras-Bestän<strong>de</strong>, in die Wei<strong>de</strong>fläche integriert wer<strong>de</strong>n. Zu<strong>de</strong>mkönnen diese Vegetationsbestän<strong>de</strong> durch Beweidung perspektivischaufgewertet wer<strong>de</strong>n. Ebenso können Gehölzstrukturenund Pionierwäl<strong>de</strong>r in die Wei<strong>de</strong> einbezogenwer<strong>de</strong>n, sie dienen <strong>de</strong>n Wei<strong>de</strong>tieren als Unterstand beiextremen Witterungsbedingungen. Zu<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n sich an<strong>de</strong>n Rän<strong>de</strong>rn dieser Strukturen für viele Tierartengruppenwertvolle Übergangsbereiche zwischen Wald und Offenland(= Ökotone) ausbil<strong>de</strong>n. Die kontinuierliche Betreuung<strong>de</strong>r Wei<strong>de</strong> wird erleichtert, wenn auf <strong>de</strong>r Fläche ganzjährig,o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st zeitweise, wasserführen<strong>de</strong> Senken zu -gänglich sind.Des Weiteren sind bei <strong>de</strong>r Festlegung <strong>de</strong>r Größe und <strong>de</strong>sZuschnitts <strong>de</strong>r Wei<strong>de</strong> die Bewirtschaftungsanfor<strong>de</strong>rungenzu prüfen. Sowohl aus Grün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Her<strong>de</strong>nmanagementsals auch zur Instandhaltung <strong>de</strong>r Zauntrasse sollte dieWei<strong>de</strong>fläche eine möglichst kompakte Form aufweisen.Auf ehemaligen militärischen Übungsflächen liegt <strong>de</strong>r Vorteilvon extensiven Ganzjahresstandwei<strong>de</strong>n u.a. darin, dassInfrastruktureinrichtungen (z.B. Zauntrasse, Tränke, Fang -stand) nur in geringem Umfang erfor<strong>de</strong>rlich sind. Dennochmuss in dieser Projektphase geprüft wer<strong>de</strong>n, wie diese Einrichtungen,die mit bo<strong>de</strong>neingreifen<strong>de</strong>n Maßnahmenverbun<strong>de</strong>n sind, auf Munitionsverdachtsflächen umgesetztwer<strong>de</strong>n können. Durch Auswertung von historischen Aufzeichnungen(s. Kap. 2.2) und Informationen von <strong>de</strong>nzuständigen Ordnungsämtern und <strong>de</strong>m Kampfmittelbeseitigungsdienstkönnen nachweislich höher munitionsbelasteteBereiche (z.B. Spreng trichter) aus <strong>de</strong>r Beweidung o<strong>de</strong>rweitergehen<strong>de</strong>n Maßnahmen ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n.Ein an naturschutzfachlichen Zielvorgaben ausgerichtetesWei<strong>de</strong>management erfor<strong>de</strong>rt einen Bewirtschafter, <strong>de</strong>rnach Möglichkeit bereits über Erfahrungen in <strong>de</strong>r Haltungvon Robustrassen verfügt o<strong>de</strong>r bereit ist, sich in diese Aufgabenstellungeinzuarbeiten. Insbeson<strong>de</strong>re auf ehemaligenmilitärischen Übungsflächen muss <strong>de</strong>r Bewirtschafterzu<strong>de</strong>m häufig auch anfängliche Schwierigkeiten mittragenund sich konstruktiv an <strong>de</strong>r Suche nach Lösungsansätzenbeteiligen.4.3 Betriebswirtschaftliche AbsicherungAngesichts <strong>de</strong>s sowohl hohen organisatorischen Aufwan<strong>de</strong>sals auch <strong>de</strong>r notwendigen Anfangsinvestitionen ist vonBeginn an für das Wei<strong>de</strong>management eine mittel- bis langfristigebetriebswirtschaftliche Absicherung zu prüfen. Esmuss grundsätzlich abgeschätzt wer<strong>de</strong>n, ob für diese Form<strong>de</strong>r Landbewirtschaftung, wie für alle landwirtschaftlichenBetriebe auch, Zahlungen aus <strong>de</strong>r 1. o<strong>de</strong>r 2. Säule inAnspruch genommen wer<strong>de</strong>n können o<strong>de</strong>r eine Projektför<strong>de</strong>rung(z.B. nach Artikel 57 <strong>de</strong>r ELER-Verordnung, o<strong>de</strong>rim Rahmen von För<strong>de</strong>rprogrammen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r)möglich ist.Auswirkungen in Sandökosystemen– Pfadsysteme, Trittsiegel, Wälzstellen– Reduzierung Streuschicht, oberirdischeBiomasse– Verbiss überständiger Gräser, Kräuter,Gehölze– För<strong>de</strong>rung konkurrenzschwacher,seltener Arten– Vegetative und generative Verjüngung<strong>de</strong>r Besenhei<strong>de</strong>– Verbiss <strong>de</strong>r neophytischen Spätblühen<strong>de</strong>nTraubenkirsche– För<strong>de</strong>rung Arten-, Habitat- undStrukturvielfaltAbschätzung <strong>de</strong>r Erfolgsaussichten– Nährstoffvorräte und atmogener Stickstoffeintrag– Ausstattung mit Lebensraumtypen– Futterwert– Größe und Zuschnitt <strong>de</strong>r Wei<strong>de</strong>fläche– Geeigneter Bewirtschafter– MunitionsbelastungBetriebswirtschaftliche Absicherung<strong>de</strong>s Wei<strong>de</strong>betriebs– Anfangsinvestitionen- Wei<strong>de</strong>infrastruktur- Tierkauf und -transport- Munitionssondierung und -bergung– Inanspruchnahme von Betriebsprämienauf militärischen Übungsflächen– Agrarumweltmaßnahmen- Grünland<strong>de</strong>finition- Gehölzbe<strong>de</strong>ckung– Projektför<strong>de</strong>rung (z.B.)- Artikel 57 ELER-Verordnung- För<strong>de</strong>rprogramme <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r- Stiftungen- privatwirtschaftliches EngagementEntscheidung:Ganzjahres -standwei<strong>de</strong> alsManagementmaßnahmeKosteneffizienz,Praktikabilität,Zielorientierung17