Komponist Paul Burkhard Festliches zum 100 ... - Theater-Zytig
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mundarTbühni uetendorf<br />
irre geschichte aus irland<br />
pd. Man braucht in Irland nur eine alte<br />
Bäuerin nach dem Weg zu fragen. Wenn<br />
sie zu sprechen beginnt, entströmt ihrem<br />
Mund Poesie. Andere würden vielleicht<br />
behaupten: sie übertreibt. Einfache<br />
Felsen, an denen der Weg vorbeiführt,<br />
werden zu sagenumwobenen Gebilden.<br />
Eine simple Wegbiegung zu der Stelle, wo<br />
zwei Kerle um eine schöne Dame kämpften.<br />
Sie verwendet blumige Floskeln,<br />
die völlig natürlich wirken. Sie spricht<br />
wie gedruckt, mag sie auch das Lesen<br />
nie gelernt oder inzwischen wieder vergessen<br />
haben. Sprache ist Natur – kein<br />
Wunder, dass in diesem Land die Dichter<br />
gedeihen. Es gibt kein Land, das so viele<br />
Nobelpreisträger in Literatur hervorgebracht<br />
hat wie Irland. Noch heute ist die<br />
Alltagssprache der Iren voller Redewendungen,<br />
welche die Köpfe mit wundersamen<br />
Bildern füllen. Sie benutzen Worte<br />
wie Malpinsel. Die irische Erde muss<br />
etwas Besonderes haben.<br />
John Millington Synge wurde 1871 in der<br />
Nähe von Dublin auf diese Erde geboren.<br />
Nach einem Musikstudium verbrachte<br />
Synge einige Jahre in Deutschland und<br />
Frankreich. Dort traf er mit dem jungen<br />
irischen Dichter William Butler Yeats<br />
zusammen. Auf dessen Rat schloss er<br />
sich der sozialistischen irischen Freiheitsbewegung<br />
an und besuchte immer<br />
wieder für längere Zeit die Aran Island,<br />
eine Gruppe einsamer, windverheulter<br />
Inseln, die der Westküste Irlands vorgelagert<br />
sind. Dort lauschte er den Erzählungen<br />
der Fischer und schrieb «The Aran<br />
Islands». Die letzten Jahre seines Lebens<br />
widmete er sich dem <strong>Theater</strong>. «Der Held<br />
aus dem Westen» – im Original «The Playboy<br />
of the Western World» – wurde 1907<br />
uraufgeführt. Heute gilt der Dreiakter<br />
nicht nur als Synges bedeutendstes Werk,<br />
sondern auch als Klassiker des modernen<br />
englischsprachigen <strong>Theater</strong>s.<br />
Das Stück handelt von einem eingeschüchterten<br />
jungen Mann, der eines<br />
Abends in einem Pub an der Küste von<br />
Mayo im Westen Irlands auftaucht. Er<br />
ist auf der Flucht und gesteht, dass er<br />
seinen tyrannischen Vater, der ihn von<br />
Kindheit an schlecht behandelt hat, mit<br />
einem Torfspaten erschlagen hat. Statt<br />
den jungen Mann moralisch zu verurteilen,<br />
zeigen die Dorfleute Verständnis<br />
und Bewunderung für die Tat, was den<br />
jungen Mann ermutigt, seine Geschichte<br />
aus<strong>zum</strong>alen. Das Dorf feiert den Fremden<br />
als Helden und die Wirtstochter findet<br />
in ihm ihre grosse Liebe, bis sein tot<br />
aKTuelle PreMiereN i SPotlIcht<br />
geglaubter Vater zurückkommt. Da ändert<br />
sich die Stimmung und die Dorfbewohner<br />
bezichtigen den vormaligen Helden der<br />
Lüge. Um ihre Liebe zurückzugewinnen,<br />
schlägt der Sohn ein zweites Mal zu. Doch<br />
nun befürchten die Dorfbewohner, mit<br />
einem Verbrechen in Verbindung gebracht<br />
zu werden und wollen den jungen Mann<br />
hängen. Doch da kriecht plötzlich wieder<br />
jemand in die Szene…<br />
Diesem Spektakel um einen vermeintlichen<br />
Vatermord liegt eine wahre<br />
Begebenheit – eine vollendete Mordtat –<br />
zugrunde, von der Synge während seiner<br />
Studien auf den Aran-Inseln erfuhr.<br />
Renate Adam inszeniert diese tragikomisch,<br />
poetische Geschichte in ihrer<br />
gewohnt feinen Art und hat in dem routinierten<br />
Ensemble der mundARTbühni ein<br />
Team, das die Feinheiten dieser komplexen<br />
Geschichten auch herauszuarbeiten<br />
vermag. Gleichzeitig kommt auch die<br />
ländlich-melancholische Komik voll <strong>zum</strong><br />
Tragen.<br />
Daten siehe Inserat S. 21 und Spielplan<br />
oder mundartbuehni.ch<br />
TheaTer-ZyTig 1102 15<br />
bild: z-arts.ch (hannes zaugg-graf)