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Interview<br />
gesundheitsreform: „kurs<br />
in richtung stAAtsmedizin“<br />
<strong>bdvb</strong>-<strong>aktuell</strong> im Gespräch mit Uwe Laue, Vorstandsvorsitzender der<br />
Debeka-Versicherungsgruppe, über die Folgen der Gesundheitsreform<br />
Herr Laue, die so genannte große<br />
Gesundheitsreform ist zum 1. April<br />
2007 in Kraft getreten. Sie sind<br />
Deutschlands Marktführer in der<br />
privaten Krankenversicherung (PKV).<br />
Wie beurteilen Sie die Veränderungen?<br />
Trotz seines „Namens“ – Wettbewerbs-<br />
stärkungsgesetz (Gesetz zur Stärkung des<br />
Wettbewerbs in der gesetzlichen Kranken-<br />
versicherung vom 26. März 2007/<br />
GKV-WSG) und obwohl kein Politiker<br />
es im Vorfeld versäumte, die Schaf-<br />
fung von mehr Wettbewerb als Zielrichtung<br />
der Reform zu nennen, führt das<br />
Gesetz definitiv nicht zu mehr Wettbewerb<br />
im deutschen Gesundheitswesen.<br />
Die strukturellen Probleme wurden wieder<br />
einmal nicht angegangen, der Kurs<br />
in Richtung Staatsmedizin weiter ein-<br />
geschlagen.<br />
In der (GKV) schafft das Gesetz einen<br />
Einheitsverband unter staatlicher Aufsicht<br />
mit einem einheitlichen Beitragssatz.<br />
Damit werden Finanzierungsrahmen und<br />
Entscheidung über das Leistungsniveau<br />
in der GKV weitgehend verstaatlicht.<br />
Verschärft wird damit in vielerlei Hinsicht<br />
auch die gewollte Tendenz zur<br />
Rationierung – ohne dass die Politik dies<br />
offen ausspricht. Einige wollten dem Nebeneinander<br />
von GKV und PKV mittelfristig<br />
ein Ende setzen. Denn erst dieses<br />
Nebeneinander macht zum Beispiel<br />
Leistungseinschnitte und Leistungsrationierungen<br />
in der GKV für viele transparent<br />
und vergleichbar. Die PKV hat<br />
hier bis heute immer auch als Korrektiv<br />
funktioniert.<br />
Klares Ziel des Bundesgesundheitsministeriums<br />
war deshalb auch, von Beginn an,<br />
mehr staatliche Einflussnahme auf<br />
die PKV, mehr Vereinheitlichung und<br />
weniger Eigenvorsorge. So gut wie alle<br />
Reformvorschläge der Gesundheitsministerin<br />
zielten darauf ab, die PKV<br />
weitestgehend an die GKV anzugleichen.<br />
Nach dem Motto: Irgendwann<br />
braucht man keine zwei in etwa gleich-<br />
artigen Systeme mehr.<br />
Hat das Gesetz für die GKV aus Ihrer<br />
Sicht Vorteile gebracht?<br />
Nein, gerade in der GKV wird der Staats-<br />
10<br />
einfluss verstärkt, ohne deren Finanzierungsprobleme<br />
zu lösen. Perspektivisch<br />
wird sich die GKV daher auf begrenzte<br />
Finanzierungsmittel und entsprechenden<br />
Druck auf den Leistungskatalog einstellen<br />
müssen.<br />
Was hat sich in der PKV geändert?<br />
Neben der allgemeinen Pflicht zur Ver-<br />
sicherung ergaben sich folgende Änderungen:<br />
n Im Jahr 2009 wird ein Basistarif eingeführt,<br />
der nicht kostendeckend kalkuliert<br />
werden darf.<br />
n Der Wechsel von freiwillig GKV-Versicherten<br />
in die PKV ist erst möglich,<br />
wenn drei Jahre hintereinander über<br />
der Versicherungspflichtgrenze verdient<br />
wurde.<br />
n Es gibt ein neues Wechselrecht und die<br />
Möglichkeit der Übertragung von Alterungsrückstellungen.<br />
Die Rahmenbedingungen für die PKV<br />
verschlechtern sich also enorm. Nach unserer<br />
und nach Auffassung renommierter<br />
Staatsrechtler ist diese Gesundheitsreform<br />
verfassungswidrig, weil sie mehrfach<br />
in bestehende Verträge eingreift, in<br />
die Verträge der Privatversicherten sowie<br />
in die Unternehmensfreiheit und in den<br />
Wettbewerb mit der GKV – und das einseitig<br />
zu Lasten der Privatversicherten.<br />
Denken wir nur daran, dass der Staat pri-<br />
vate Unternehmen zwingt, einen Basistarif<br />
anzubieten, der sich nicht selbst<br />
finanziert, oder an die Portabilität der<br />
Alterungsrückstellungen im Bestand<br />
für das erste Halbjahr 2009. Diese<br />
Leistungen sind bei Vertragsabschluss<br />
nicht vereinbart worden, und nun sollen<br />
auch die Bestandsversicherten dafür<br />
zahlen. Das hat mit Vertragsfreiheit und<br />
Vertrauensschutz nichts zu tun!<br />
Auch die massive Benachteiligung des<br />
Wettbewerbs an der Grenze zwischen<br />
GKV und PKV ist ein Kritikpunkt. Ich<br />
denke vor allem an den wachsenden<br />
Steuerzuschuss an die GKV. Den sollen die<br />
Privatversicherten mitfinanzieren, ohne<br />
einen Anspruch auf Gegenleistung zu<br />
haben.<br />
Werden Sie etwas gegen diese<br />
Reform unternehmen?<br />
Ja, in zweierlei Hinsicht: Zunächst werden<br />
wir bis Ende März dieses Jahres gegen<br />
das GKV-WSG Verfassungsbeschwerde<br />
erheben. Dieser Beschwerde werden sich<br />
auch Versicherte anschließen, die durch<br />
das Gesetz besonders betroffen sind.<br />
Außerdem verstoßen unseres Erachtens<br />
verschiedene Bedingungen – insbesondere<br />
die Wahltarife in der GKV – gegen<br />
Wettbewerbs-, Europa- und Verfassungsrecht.<br />
Wir haben ein Gutachten in<br />
Auftrag gegeben, das sich mit den Grenzen<br />
der Zulässigkeit von Wahltarifen<br />
und Zusatzversicherungen in der GKV<br />
befasst. Dieses Gutachten haben wir<br />
Anfang März 2008 der Öffentlichkeit<br />
vorgestellt.<br />
Herr Laue, Sie müssen das Gesetz<br />
dennoch umsetzen!?<br />
Auch wenn wir unsere Fundamentalkritik<br />
an der Gesundheitsreform aufrecht<br />
erhalten und uns verfassungsrechtlich<br />
zur Wehr setzen, sind wir gleichzeitig<br />
dabei, die einzelnen Bestimmungen<br />
umzusetzen, und bringen entsprechende<br />
Regelungen auf den Weg. Dennoch<br />
setzen wir darauf, dass das Bundesverfassungsgericht<br />
die Politik zwingt, die<br />
gravierendsten Mängel an diesem Gesetz<br />
zu korrigieren.<br />
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